Der BW hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit den Unfall bemerken und allenfalls die Lautstärke des Radios drosseln müssen
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als 1) die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat:
"Sie (Herr Kurt K) waren am 26.11.1990 um 21.00 Uhr in Wien 10., Kurbadstraße 12 vor der Tennishalle als Lenker des KFZ XY an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt und haben 1) nicht sofort angehalten und 2) haben Sie es unterlassen ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von dem Unfall zu verständigen."
2) die Strafsanktionsnorm zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:
statt § 99 Abs 3 lit a StVO richtig: § 99 Abs 2 lit a StVO zu lauten hat und
3) die verhängten Geldstrafen zu 1) und 2) je 700,-- S (je 35 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) auf zu 1) und 2) je 500,-- S (je 25 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt werden. Demgemäß wird der Strafkostenbeitrag erster Instanz auf S 100,-- herabgesetzt.
Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Mit Straferkenntnis vom 29.4.1991 erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, zur Zahl Pst 12 136/F/90, den Berufungswerber schuldig, er sei am 26.11.1990 von 17.45 Uhr bis 21.20 Uhr in Wien 10., Kurbadstraße 12 vor der Tennishalle als Lenker des KFZ XY an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe 1) nicht sofort angehalten und 2) habe er es unterlassen ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle davon zu verständigen.
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1) § 4 Abs 1 lit a StVO und 2) § 4 Abs 5 StVO. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO zu
1) und 2) Geldstrafen in der Höhe von je S 700,--, Ersatzfreiheitsstrafen von je 35 Stunden verhängt.
In seiner dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber unter anderem aus, in der Kurbadstraße bestehe eine eindeutige Parkordnung, nämlich senkrecht und seitlich der Fahrbahn. Das beschädigte Fahrzeug sei aber parallel zur und auf der Fahrbahn abgestellt worden, es habe daher die Ausfahrt ordnungsgemäß abgestellter Fahrzeuge behindert, noch dazu als sowohl der Parkplatz aber nicht die Fahrbahn beleuchtet gewesen sei. Laut Tatbestandsaufnahme seiner Versicherung sei die Beschädigung des gegenständlichen Fahrzeuges eine leichte Delle in der Türe, wahrscheinlich verursacht durch eine vollkommen unbeschädigte Kunststoffstoßstange (gefedert) seines Fahrzeuges. Das Aufprallgeräusch könne daher für ihn, im fahrenden Auto, mit vielleicht eingeschaltetem Radio wohl kaum, nach außen hin auf einem stillen - weil fast leeren Parkplatz - sehr wohl vernommen werden. Er habe das beschädigte Fahrzeug auch deshalb nicht wahrgenommen, weil er nicht habe rechnen können, daß trotz leerem Parkplatz ein Fahrzeug auf der Fahrbahn geparkt sei. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 19.11.1991 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch. Im Zuge dieser Verhandlung wurde der Berufungswerber einvernommen. Der Berufungswerber Kurt K gab in der mündlichen Verhandlung folgendes an:
Am 26.11.1990 fuhr ich um 21.00 Uhr mit meinem KFZ vom Tatort Wien 10., Kurbadstraße 12 vor der Tennishalle weg. Ich hatte mein KFZ dort auf dem Parkplatz vorschriftsgemäß abgestellt gehabt. Außer mir stand nur ein weiteres KFZ neben mir und zwar parallel neben mir. Beim Einsteigen bemerkte ich, daß in diesem KFZ ein Herr saß. Ich nahm an, daß dieser wegfahren wird. Ich hatte das Radio angestellt, um die Nachrichten zu hören. Beim Ausparken beobachtete ich zuerst den Querverkehr; beim Wegfahren sah ich, daß hinter mir ein weiteres Fahrzeug geparkt hatte. Ich war der Ansicht, daß sich außer mir und dem Fahrzeug parallel neben mir kein weiteres Fahrzeug auf dem Parkplatz befunden hat. Ich vermute, daß ich mit meiner Stoßstange beim Wegfahren an die Türe des beschädigten Autos gefahren bin. Jedenfalls habe ich vom Unfall nichts bemerkt. Mein Fahrzeug (die Stoßstange meines Fahrzeuges) wurde beim gegenständlichen Unfall nicht beschädigt. Das erste Mal erfuhr ich vom gegenständlichen Vorfall durch die Versicherung. Ich lege ein Schreiben der Anglo-Elementar Versicherung vor, Datum 6.12.1990, welches zum Akt genommen wird. Auf Vorhalt der Zeugenaussagen P und S gebe ich an, daß es durchaus sein könnte, daß diese zwei Zeugen auf dem leeren Parkplatz den gegenständlichen Unfall wahrnehmen hätten können. Ich jedoch habe den Unfall nicht gehört. Ich habe auch keinen Ruck an meinem Fahrzeug bemerkt, dies wahrscheinlich deshalb, weil mein Fahrzeug gerade am Ausrollen war.
Auf das Schreiben der Versicherung Anglo-Elementar habe ich so reagiert, daß ich von der Versicherung nähere Daten zur Unfallmeldung erfahren wollte, weil mir nämlich bis dahin, der Unfall unbekannt war. Daher konnte ich ohne nähere Daten keine Meldung erstatten. Die Versicherung hat wahrscheinlich auf Grund meiner Anfrage nach Daten angenommen, daß ich vom Vorfall nichts wissen möchte.
Gemäß § 4 Abs 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht (lit a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten...... Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs 1 genannten Personen nach § 4 Abs 5 StVO - abgesehen von dem auf die vorliegende Rechtssache nicht zutreffenden Fall des Identitätsnachweises - die nächste Polizei- oder Gendarmariedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.
Sowohl die Anhaltepflicht gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO als auch die Meldepflicht nach § 4 Abs 5 leg cit setzen das Wissen um einen Verkehrsunfall voraus, wobei aber nicht unbedingt das positive Wissen von diesem und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich sind, es genügt vielmehr, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können; die Tatbestände sind daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl ua das Erkenntnis des VwGH vom 16.12.1976, 1418/75 und viele andere).
Weiters muß der Lenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuwenden; den eine Parklücke begrenzenden Fahrzeugen ist eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, der Lenker hat sich allenfalls nach einem Fahrmanöver im Bereich einer solchen Parklücke durch geeignete Maßnahmen davon zu überzeugen, daß ihm das Fahrmanöver ohne Kontaktierung anderer Fahrzeuge gelungen ist (siehe ua das Erkenntnis des VwGH vom 13.12.1989, Zl 89/02/0153 und vom 28.3.1990, Zl 89/03/0176).
Der Berufungswerber hat das Vorliegen des objektiven Tatbestandsmerkmales der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs 1 lit a StVO und nach § 4 Abs 5 leg cit, nämlich einer ursächlichen Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, nicht mehr bestritten. In der mündlichen Verhandlung geht der Berufungswerber selbst davon aus, daß er im Zuge eines Ausparkmanövers beim Wegfahren, mit der Stoßstange seines KFZ die Türe des quer hinter ihm stehenden Autos beschädigt habe. Auf Grund der Anzeige (rechte hintere Türe eingedrückt) und auf Grund der Aussage des Berufungswerbers (... beim Wegfahren an die Türe des beschädigten Autos ...) geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien davon aus, daß durch den Verkehrsunfall die rechte hintere Türe des anderen Fahrzeuges beschädigt worden ist. Weiters konnte davon ausgegangen werden, daß es sich beim Fahrmanöver des Berufungswerbers um ein Ausparken gehandelt hatte. Auf Grund der Tatzeit (26.11.1990 gegen 21.00 Uhr) und auf Grund der Beleuchtungsverhältnisse (der Berufungswerber führt in seiner Berufung selbst an, der Parkplatz sei zwar beleuchtet, die Fahrbahn aber unbeleuchtet gewesen), wäre der Berufungswerber verpflichtet gewesen, eine erhöhte Aufmerksamkeit anzuwenden, da es erfahrungsgemäß bei derartigen Fahrmanövern öfters zu Berührungen mit anderen Kraftfahrzeugen kommt. Wenn der Berufungswerber vorbringt, er habe geglaubt, daß der Parkplatz mit Ausnahme des neben ihm parallel abgestellten Fahrzeuges leer gewesen sei, so muß ihm entgegengehalten werden, daß er selbst einräumt, daß dann, wenn der Parkplatz mit Autos regulär vollgeparkt ist, es vorkommt, daß Kraftfahrzeuge auch auf der Fahrbahn -ebenso wie das beschädigte Kraftfahrzeug - abgestellt werden. Deshalb hatte der Berufungswerber durchaus mit dem beschädigten Kraftfahrzeug zu rechnen gehabt. Außerdem hat er dieses - wenn auch nach seiner Aussage erst beim Wegfahren - durchaus wahrgenommen.
Gerade bei Ein- und Ausparkmanövern, noch dazu bei Nacht und ungenügender Beleuchtung, hat aber ein Kraftfahrzeuglenker eine besondere Verpflichtung das (Vekehrs)geschehen im Rückspiegel genau zu beobachten, noch dazu wo dem Berufungswerber im konkreten Fall durch seine Erfahrung bekannt war, daß sich durchaus Kraftfahrzeuge auch auf dem unbeleuchteten Teil der Fahrbahn befinden können.
Da dem Berufungswerber die ungenaue Beobachtung eventuell hinter ihm geparkter Autos beim Wegfahren aus der Parklücke vorzuwerfen ist, fällt ihm, selbst wenn er den Unfall tatsächlich nicht bemerkt haben sollte, eine Außerachtlassung der zumutbaren Aufmerksamkeit zur Last.
Auch fällt dem Berufungswerber eine allfällige Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit durch die Lautstärke des vom ihm eingeschaltenen Radios zur Last. Eine Autodradio darf nämlich nur mit einer solchen Lautstärke betrieben werden, daß hiedurch die Aufmerksamkeit des Lenkers gegenüber dem Verkehrsgeschehen nicht beeinträchtigt wird. Im konkreten Fall hätte der Berufungswerber bei dem von ihm vorgenommenen Ausparkmanöver, bei welchem die Gefahr besteht, andere Fahrzeug zu beschädigen, bei Anwendung der von ihm geforderten Sorgfaltspflicht, entweder auf den Betrieb des Autoradios verzichten oder eine derartige Lautstärke wählen müssen, daß er in der Lage gewesen wäre, das Anstoßgeräusch zu bemerken (vgl VwGH vom 6.7.1984, Zl 82/02/0072, Verwaltungsgerichtshofssammlung Neue Folge 11 475/A).
Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:
Die Strafen wurden spruchgemäß herabgesetzt, weil dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugutekommt. Da nunmehr zu 1) (Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs 1 lit a StVO) nunmehr die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde und da ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen weder konkret behauptet wurde noch sonst aktenkundig ist (§ 20 VStG), konnte eine Begründung zur Strafzumessung im Punkt 1) unterbleiben.
Eine weitere Herabsetzung der Strafe zu Punkt 2) kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Die Tat schädigt in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der raschen Aufklärung von Verkehrsunfällen. Der Unrechtsgehalt der Tat an sich war nicht gering, zumal der Berufungswerber unbestritten einen Verkehrsunfall verursacht hat.
Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder, daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Bei der Strafbemessung wurden die durchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und die Sorgepflicht für die Ehefrau berücksichtigt.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den zu
1) von S 500,-- bis S 30.000,-- reichenden Strafrahmen und auf den zu 2) bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz, sind die verhängten Geldstrafen nunmehr angemessen und keineswegs zu hoch, zumal besondere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.