TE UVS Wien 1991/12/11 02/32/24/91

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Veröffentlicht am 11.12.1991
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Beschluß des VfGH vom 15.3.1993, Zl B 684/92-3 über die Ablehnung der Beschwerde Betreff

Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Spruch

Über die Beschwerde von Herrn Franz S vom 14.6.1991 (eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am 17.6.1991), mit der Herr Franz S behauptet, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrecht, nicht einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art3 MRK), verletzt worden zu sein, hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien durch sein Mitglied DDr Schönberger nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:

Der Beschwerde wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, nicht einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art3 MRK), durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien wird Folge gegeben und der Verwaltungsakt gemäß §67c Abs3 AVG für rechtswidrig erklärt. Der Bund hat dem Beschwerdeführer gemäß §79a AVG Kosten in der Höhe von S 16.970,-- binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Dem Beschwerdeführer werden gemäß §76 Abs1 AVG Barauslagen in der Höhe von insgesamt S 167,50 (S 122,50 für 49 Kopien des Verhandlungsprotokolls sowie S 45,-- für 18 Ablichtungen aus einem Akt der belangten Behörde) vorgeschrieben.

Text

Begründung:

I. Schriftliche Sachverhaltsschilderung des Beschwerdeführers einerseits und der belangten Behörde andererseits

1. Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde vom 14.6.1991 aus, daß sich die Versammlung, welche am 8.5.1991 von 07.30 Uhr bis ca 09.45 Uhr in Wien, M-platz stattgefunden habe, gegen die geplante Errichtung der neuen Schule (durch welche ein wertvolles Kleingarten- und Grüngebiet vernichtet werden hätte sollen) richtete.

Eine Gruppe von Gegnern der Bauführung an jenem Ort hätte sich versammelt, um die Zufahrt der anrückenden Baufahrzeuge zum Bauplatz zu verhindern.

Es hätten die Mittel des zivilen Ungehorsams und passiven Widerstandes angewendet werden sollen, und zwar dadurch, daß Demonstranten sich auf die Straße setzten, um die Zufahrt zur Baustelle R-gasse zu sperren. Der Beschwerdeführer habe sich schließlich auf den Baggerarm eines am Anhänger eines LKW befindlichen Schaufelbaggers niedergesetzt und an den Hydraulikschläuchen festgehalten.

Im Zuge des Einschreitens der Beamten der Alarmabteilung hätte man den Beschwerdeführer nach erfolgter Abmahnung und ausgesprochener Festnahme mit geringem Kraftaufwand von den Hydraulikschläuchen weggelöst, und er hätte in der Folge auch diesen passiven Widerstand aufgegeben. Er wäre von mehreren Sicherheitswachebeamten vom Baggerarm gezerrt und teilweise heruntergehoben worden, worauf ihn die Beamten aus ca einem halben Meter Höhe fallengelassen hätten und er mit dem Hinterkopf, Rücken und Steißbein auf das Baufahrzeug aufgeschlagen wäre. Dabei hätte er starke Schmerzen verspürt und sei in der Folge für kurze Zeit benommen gewesen und habe auch an Schwindelgefühlen gelitten. Er hätte allerdings hören können, daß mehrere Augenzeugen lautstark gegen das Vorgehen der Beamten protestiert hätten.

Nachdem ein dem Beschwerdeführer unbekannter Sicherheitswachebeamter seine amtshandelnden Kollegen zu einem schonenderen Vorgehen aufgefordert hätte, wäre der Beschwerdeführer von drei Sicherheitswachebeamten an den Gliedern hochgehoben und mit seiner Körpervorderseite nach unten zum Ende des Tiefladeranhängers getragen worden. Dort hätten sie ihn mit dem Rücken nach unten gewendet und ihn etwa 80 Meter zum Arrestantenwagen (Wegstrecke vom M-platz X zum M-platz Y) getragen.

Ein Sicherheitswachebeamter hätte den Beschwerdeführer am linken Arm derart gehalten, daß dieser stark abgebogen und hinuntergedrückt worden wäre.

Dies sei so stark geschehen, daß schließlich das linke Handgelenk geknackst und nachgegeben habe. Beim Arrestantenwagen angekommen, wäre er dann ins Wageninnere gehoben worden, da er aufgrund der ihm zugefügten Verletzungen nicht mehr selbständig imstande gewesen wäre, einzusteigen.

Im Polizeigewahrsam wäre er im Wachzimmer vom Amtsarzt Dr H untersucht worden.

Dieser hätte keine äußeren Verletzungszeichen feststellen können und habe die im Zuge der Festnahme entstandenen Verletzungen als geringfügig gewertet.

Nach der Entlassung aus dem Polizeigewahrsam hätte sich der Beschwerdeführer sofort in das Unfallkrankenhaus Meidling begeben, wo die in Kopie beiliegende Diagnose erstellt und auch eine Gipsschiene angelegt worden wäre.

2. Demgegenüber gibt die Bundespolizeidirektion Wien in ihrer Gegenschrift vom 23.7.1991 an, daß sich der Beschwerdeführer in den Morgenstunden des 8.5.1991 mit ca 30 anderen Personen in Wien, M-platz befunden hätte, um dort die Zufahrt von Baufahrzeugen zu einer Schulbaustelle in Wien, R-gasse zu verhindern.

S sei zusammen mit anderen Personen auf einen am Anhänger eines LKW's befindlichen Schaufelbagger geklettert und hätte dadurch den Fahrzeugverkehr in der dort befindlichen Wohnstraße zum Erliegen gebracht.

Mehrere Anrainer und Passanten, welche zum Großteil mit Schulkindern unterwegs gewesen seien, hätten lautstark ihren Unmut über das Verhalten des S und der weiteren anwesenden Personen kundgetan, sodaß der strafbare Tatbestand des ArtIX Abs1 Z1 EGVG (Ordnungsstörung) verwirklicht worden wäre. Weiters hätte S den strafbaren Tatbestand des §76b Abs2, 2Satz StVO 1960 gesetzt, wonach der erlaubte Fahrzeugverkehr in Wohnstraßen nicht mutwillig behindert werden darf.

S und die anderen, dasselbe strafbare Verhalten verwirklichenden Personen, seien vom Vertreter der Bundespolizeidirektion Wien auf ihr strafbares Verhalten hingewiesen und aufgefordert worden, sich vom Schaufelbagger zu entfernen. Als auch diese Aufforderung wirkungslos geblieben sei, sei RevI K auf das Baufahrzeug geklettert und hätte S selbst mehrmals direkt abgemahnt, sein strafbares Verhalten einzustellen, widrigenfalls die Festnahme erfolgen würde.

Da S trotz der erfolgten Abmahnungen und vorausgegangenem "guten Zureden" nicht bereit gewesen sei, den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen, sondern in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt habe, sei er gemäß §35 Abs1 Z3 VStG festgenommen worden.

Da S sich krampfhaft mit den Fingern am Eisenrahmen des Kranarmes festgehalten habe, um einer Entfernung seiner Person durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien vorzubeugen, und auch weiteres "gutes Zureden" wiederum keine Wirkung gezeigt hätte, seien ihm die Finger von den Beamten zwecks Durchführung der rechtmäßigen Festnahme unter Anwendung von Körperkraft gelöst worden. RevI L habe dabei S an den Armen bzw am Oberkörper festgehalten, die Beine hätte BezI Kr gehalten. Ab diesem Zeitpunkt hätte sich S völlig passiv verhalten, seine Gliedmaßen hängengelassen, sei in sich zusammengesackt und hätte seinen Kopf in jede x-beliebige Richtung fallengelassen. Aufgrund der Konstruktion des Schaufelbaggers sei auf der Seite des RevI L eben gerade genug Platz gewesen, daß ein Sicherheitswachebeamter mit dem Festgenommenen agieren hätte können, weshalb der Beschwerdeführer von RevI L unter größter körperlicher Anstrengung alleine hinuntergehoben und zusammen mit RevI K auf die eiserne Antriebskette des Schaufelbaggers gelegt worden sei. Bei diesem Hinlegen auf die Antriebskette sei der Beschwerdeführer aufgrund seines passiven Verhaltens aus Versehen ein kurzes Stück abgerutscht, aber sofort von den Beamten "aufgefangen" worden. Hernach sei der Beschwerdeführer von RevI Z, Insp Pr und Insp

T zum Arrestantenwagen getragen worden, wobei RevI ZS beim Tragen an der linken Hand gepackt hätte. Da sich dieser weiterhin völlig passiv verhalten hätte, hätte seitens der Beamten enorme Körperkraft aufgebracht werden müssen, um den Beschwerdeführer wegtragen zu können. S sei von RevI Zin der Art getragen worden, daß sein linker Arm in den abgewinkelten linken Arm des Beamten eingehängt worden sei und der Beamte mit der rechten Hand den linken Unterarm des Beschwerdeführers so festgehalten hätte, daß dieser nicht herausrutschen hätte können. Der Beamte hätte dabei nur so viel Körperkraft angewendet, daß das Herausrutschen des Armes aus der Umklammerung des Beamten verhindert worden sei. Da die belangte Behörde somit bestritten hat, daß es zu solchen Handlungen ihrer Organe gekommen sei, die eine Verletzung des Art3 MRK bewirkt hätten, war zur Klärung dieser Frage die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erforderlich.

II. Beweismittel

Die mündliche Verhandlung fand am 3., 4., 5. und 11.12.1991 statt. In der mündlichen Verhandlung wurden außer dem Beschwerdeführer und dem Vertreter der belangten Behörde 6 vom Beschwerdeführer nominierte Zeugen sowie 8 Polizeibeamte einvernommen.

1. Aussage des Beschwerdeführers

(Beiblatt 1 zum Verhandlungsprotokoll)

"Bei dem damaligen Vorfall ging es darum, daß 30 bis 40 Bürger aus H unter meiner Führung gegen die Vorgangsweise der Gemeinde Wien protestiert haben. Die Gemeinde Wien hatte für den Bau einer Volksschule 5 Projekte bzw Standorte vorgesehen und geprüft und sogar Ankaufsverhandlungen angeordnet, um das günstigste Projekt herauszufinden. Letztendlich wurde jedoch ein ganz anderes Objekt für den Bau dieser Schule herangezogen, nämlich das letzte öffentliche Grünareal Hs; meines Erachtens erfolgte eine illegale Umwidmung in Bauland. Nachdem schon Tage vorher in einer nächtlichen Aktion die Rodung dieses Grundstücks durchgeführt worden war, sollten Baufahrzeuge mit den Erdaushubarbeiten beginnen.

Das Grundstück wurde mit einem Zaun versehen und durch Wachhunde bewacht, sodaß wir nur mehr die Möglichkeit sahen, die Baufahrzeuge an ihrer Tätigkeit beim Zu- und Abfahren zu hindern. Ich möchte noch anführen, daß wir auch eine Verfassungsgerichtshofsbeschwerde gegen die Umwidmung des Grundstücks in Bauland und gegen die Standortwahl eingebracht haben und auch in Briefen an die zuständigen Politiker begehrt haben, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten. Ich habe am Vorfallstag (8.5.1991) mit etwa 30 bis 40 Kundgebungsteilnehmern auf das Eintreffen der Baufahrzeuge gewartet.

Etwa 30 bis 40 Meter vor der Baustelleneinfahrt haben wir uns vor ein Baufahrzeug gestellt, die Zufahrtsstraße ist eine Wohnstraße. Es handelte sich bei dem Baufahrzeug um einen LKW mit Anhänger, auf dem sich ein Bagger befand.

Die Rodung des Grundstücks hatte bereits am 24.4.1991 stattgefunden, und wir hatten in den Tagen danach schon mehrere derartige Blockaden durchgeführt. Daher rechnete die Bundespolizeidirektion Wien bereits mit unseren Blockaden und stellte Kontingente der Alarmabteilung dorthin ab.

Der Lenker des LKW, der wegen unserer Blockade nicht weiterfahren konnte, stellte den Motor ab und verließ das Fahrzeug. Noch mehr von uns Kundgebungsteilnehmern umringten nun den LKW, und ich kletterte auf den Schwenkarm des Baggers.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Polizei nicht eingeschritten, sondern hat abgewartet, was die Kundgebungsteilnehmer vorhaben; wir hatten nämlich zunächst einige Baufahrzeuge passieren lassen, bevor wir uns den LKW mit dem Bagger für unsere Blockade aussuchten. Die Polizei stand etwa 30 Meter entfernt im Kreuzungsbereich am M-platz.

Nachdem ich mit drei weiteren Kundgebungsteilnehmern am Bagger saß und mich an den Hydraulikschläuchen festhielt, schritt die Polizei ein, indem sie uns aufforderte, vom Bagger hinunterzuklettern. Nachdem wir dieser Aufforderung nicht nachgekommen waren, wurde ich nach einigen Minuten abgemahnt und dann wurde meine Festnahme ausgesprochen. Ein Sicherheitswachebeamter löste meine Hände von den Hydraulikschläuchen, worauf ich mich völlig passiv verhielt. Ich wollte damit, daß ich mich an den Schläuchen festhielt, zeigen, daß ich mit meiner Festnahme nicht einverstanden war. Meines Erachtens hob mich bzw zerrte mich jener Sicherheitswachebeamte, der meine Hände von den Schläuchen gelöst hatte, als erster vom Bagger hinunter, wobei er aber gleich von ein bis zwei anderen Sicherheitswachebeamten unterstützt wurde. Wie erwähnt, verhielt ich mich passiv; es war nicht leicht für die Sicherheitswachebeamten mich herunterzuholen aufgrund meiner Position im Verhältnis zu der der Sicherheitswachebeamten und der Konstruktion des Fahrzeuges. Ich glaube, daß ich aus einer Höhe von etwa einem halben Meter vermutlich auf die Baggerkette fiel, wodurch ich mich am Hinterkopf, Rücken und Steißbein verletzte. Meines Erachtens bin ich den Sicherheitswachebeamten durch mein passives Verhalten sogar entgegengekommen, weil es dadurch leichter war, mich vom Bagger herunterzuholen als wenn ich Widerstand geleistet hätte.

Ich möchte den Sicherheitswachebeamten nicht unterstellen, daß es Absicht war, mich fallen zu lassen, jedoch gibt es einen Grenzbereich, wo man jemanden zB nicht fest genug hält. Meines Erachtens haben die Polizisten fahrlässig gehandelt, als sie mich nicht genug festhielten. Sie kannten mich ja bereits als den Initiator der Kundgebung, hatte ich doch selbst die Anmeldung dieser Kundgebung vorgenommen.

Ich verspürte nach dem Sturz einen heftigen Schmerz und habe möglicherweise in diesem Augenblick zum ersten Mal aufgeschrien. Ich habe einige Augenblicke lang Schwindelgefühle verspürt und weiß dann nur noch, daß ich von einigen Sicherheitswachebeamten an den Gliedmaßen festgehalten wurde, wobei ich mit dem Gesicht zum Boden und den Armen hinauf etwa einen halben Meter über dem Boden gehalten wurde.

Ich kann mich auch an Protestschreie der Kundgebungsteilnehmer erinnern und daran, daß daraufhin einer der Sicherheitswachebeamten zu seinen Kollegen gesagt habe, sie sollten besser aufpassen.

In der oben beschriebenen Position (Gesicht nach unten) wurde ich etwa drei bis vier Meter bis zum Ende des Anhängers getragen und dort in eine andere Lage, nämlich mit dem Rücken nach unten gebracht.

Ich wurde dann etwa 70 bis 80 Meter zum Arrestantenwagen getragen. Ich glaube, daß ich insgesamt von drei Sicherheitswachebeamten getragen worden bin, wobei je einer mich am rechten bzw linken Handgelenk hielt und der dritte meine Sprunggelenke umfaßte. Der Sicherheitswachebeamte, welcher meine linke Hand festhielt, drückte mit vermutlich seiner rechten Hand auf meinen linken Handrücken, und zwar so stark, daß ich mehrmals vor Schmerzen aufschrie; diese Verletzung ist auch der Gegenstand meiner vorliegenden Beschwerde.

Meines Erachtens war es Absicht dieses Sicherheitswachebeamten, mir Schmerzen zuzufügen, erstens weil er auch dann nicht aufhörte, ... gegen meinen Handrücken zu drücken, sondern meines Erachtens sogar noch fester zudrückte, und zweitens weil der andere Sicherheitswachebeamte, der mein rechtes Handgelenk hielt, dies tat, ohne mir Schmerzen zuzufügen.

Ich kann mir nicht vorstellen, was der Grund für diese Schmerzzufügung durch diesen Sicherheitswachebeamten war; ich habe mich völlig passiv verhalten und wie einen Mehlsack wegtragen lassen.

Nachdem der Sicherheitswachebeamte seinen Druck gegen meinen linken Handrücken noch verstärkt hatte, hörte und spürte ich einen Knacks und bemerkte, daß meine Hand noch mehr in diese Richtung, in die sie gedrückt wurde, nachgab. Daraufhin, vor allem weil ich aufgeschrien hatte, hörte der Sicherheitswachebeamte auf, den Druck weiter zu verstärken, sondern verhielt in derselben Druckstärke wie vorhin.

Aufgrund der Verletzungen, die ich einerseits beim Sturz am Bagger, andererseits am linken Handgelenk durch den Sicherheitswachebeamten erlitten hatte, konnte ich nicht aus eigener Kraft in den Arrestantenwagen einsteigen.

Einige der Herumstehenden protestierten gegen die Art meines Abtransportes.

Als ich die Schmerzen in der linken Hand verspürt hatte, habe ich auch gerufen "meine Hand ..." (sinngemäß), laut genug, daß es auch Umstehende hören konnten.

Ich nehme an, daß die beiden anderen Sicherheitswachebeamten auf meine Schmerzensschreie deswegen nicht reagiert haben, weil sie annahmen, daß ich simuliere.

Durch den starken Schmerz, den ich im Handgelenk verspürte, wurde mir sehr übel.

Nachdem ich gesagt hatte, ich könne nicht alleine in den Arrestantenwagen einsteigen, wurde ich hineingehoben. Im Arrestantenwagen sprach ich jenen Sicherheitswachebeamten, der mir die starken Schmerzen im linken Handgelenk zugefügt hatte, an und fragte ihn, warum er dies getan hätte. Er ging aber nicht auf meine Frage ein, sondern sprach nur vom Festnahmegrund, den ich nicht bestritten hatte."

"Ich bin ganz sicher, daß die Sicherheitswachebeamten, als sie mich vom Bagger herunterhoben, es vermeiden hätten können, daß ich stürze. Meines Erachtens bin ich teilweise durch das zu lockere Festhalten seitens der Sicherheitswachebeamten, teilweise dadurch, daß unter den Sicherheitswachebeamten möglicherweise keine gute Koordination beim Herunterheben meiner Person bestanden ... und einer von ihnen mich fester heruntergezerrt hat, "verrutscht" und auf diese Weise zu Sturz gekommen; ich habe, da mir die Sicht verdeckt war, die unter mir befindlichen Baggerteile nicht sehen können.

Ich kann bejahen, daß es die Sicherheitswachebeamten in Kauf genommen haben, daß ich stürze."

2. Angaben des Vertreters der belangten Behörde

(Beiblatt 2 zum Verhandlungsprotokoll)

"Unzweifelhaft ist, daß die Entfernung des Beschwerdeführers vom Bagger eine nach dem Waffengebrauchsgesetz zulässige Maßnahme ist und sich auf ein Gesetz stützt, das schon von der Natur der Sache auch Verletzungen am Körper desjenigen, gegen den Zwangsgewalt angewendet wird, zuläßt.

Der Videofilm hat gezeigt, daß die am Bagger angeblich entstandene Verletzung allenfalls durch eine leichte Fahrlässigkeit eines der involvierten Beamten zurückzuführen ist, und daher keineswegs geeignet ist, den Tatbestand des Art3 MRK zu erfüllen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er den Beamten durch sein passives Verhalten ohnehin entgegengekommen sei, muß seitens der Behörde entgegengehalten werden, daß der vom Beschwerdeführer geleistete passive Widerstand die gerade noch zulässige Form des Widerstandes darstellt. Ein Darüberhinausgehen hätte jedenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen.

Von einem Entgegenkommen kann daher nach Ansicht der belangten Behörde keine Rede sein.

Zum Abtransport selbst muß festgehalten werden, daß der Beschwerdeführer kein Recht auf eine bestimmte Trageweise verlangen kann, und wurde von den Beamten ohnehin in äußerst schonender Weise vorgegangen, um dem gesetzlichen Auftrag, nämlich die Übergabe des Festgenommenen an die Behörde, gerecht zu werden. Es wird entschieden bestritten, daß einer der Beamten den Beschwerdeführer absichtlich am Körper verletzt hat, ein solches Vorgehen wäre schon in Anbetracht dessen, daß der Abtransport von zahllosen Zeugen beobachtet werden konnte, widersinnig. Der Beschwerdeführer selbst räumt ja bereits ein, daß die angebliche Mißhandlung für Außenstehende schwer erkennbar war. Dies zeigt der belangten Behörde, daß für das Vorbringen des Beschwerdeführers offenbar keine Zeugen existieren. Die drei Beamten, die den Beschwerdeführer abtransportierten, konnten keine Verletzung des Beschwerdeführers wahrnehmen, insbesondere hat dieser auch in keiner Phase des Abtransportes über Schmerzen geklagt.

Diesbezüglich wird, wie bereits beantragt, neuerlich die Zeugeneinvernahme der Beamten verlangt."

3. Aussagen der vom Beschwerdeführer nominierten Zeugen

3.1. R gab zu Protokoll (Beiblatt 4 zum Verhandlungsprotokoll), daß er den Beschwerdeführer von der Bürgerinitiative her kenne. Er sei neben dem Bagger, allerdings außerhalb des von den Polizisten gebildeten Kreises, gestanden, als S oben gesessen sei. Einige Polizisten hätten nach Aufforderung, den Bagger zu räumen, begonnen, die Leute vom Bagger herunterzuziehen; dies sei ziemlich brutal erfolgt, erstens weil unverhältnismäßig viele Polizisten eingeschritten seien und zweitens weil speziell S über einen geneigten und gerippten Baggerteil gezogen wurde.

Vom letzten Stück des Baggers bis zur Fahrbahn habe eine Entfernung von ca einem Meter bestanden, auch hier seien die Personen brutal hinuntergeschliffen worden.

Er glaube, daß sich S beim Hinunterfallen vom Bagger an der Hand verletzt habe.

3.2. Pi sagte aus (Beiblatt 5 zum Verhandlungsprotokoll), daß er S etwa seit der Rodung des Grundstücks am M-platz kenne. S habe sich in horizontaler Lage befunden und sei in dieser Lage von oben hinuntergetragen worden. Beim Hinunterholen vom Bagger sei der Beschwerdeführer offensichtlich in einer sehr verrenkten Lage gewesen. Er habe von hinten beobachtet, wie der Beschwerdeführer abtransportiert wurde, und aus den Schreien des Beschwerdeführers geschlossen, daß er von den Sicherheitswachebeamten schlecht getragen worden sei bzw daß ihm absichtlich Schmerzen zugefügt worden seien. Beim Herunterholen vom Bagger habe er S hingegen nicht schreien gehört. Eine konkrete Beobachtung, daß ein Sicherheitswachebeamter den Beschwerdeführer geschlagen, getreten, ihm den Arm verdreht hätte, habe er nicht gemacht.

3.3. A gab an (Beiblatt 10 zum Verhandlungsprotokoll), daß ihrem Vater das Haus M-platz XX gehöre, in dem ihre Großmutter und teilweise auch sie selbst wohne. Sie sei am 8.5.1991 den ganzen Tag dort gewesen. Ihre Großmutter habe ihr damals mitgeteilt, daß sie herunterkommen solle. Sie sei mit ihrer damals 9 Monate alten Tochter vor dem Wohnhaus auf dem Gehsteig stehengeblieben, etwa 4 bis 5 Meter vom Bagger entfernt.

Sie kenne S von früher, er spiele im Tennisclub hinter ihrem Haus und er sei damals ganz oben auf dem Baggerarm gesessen. Polizisten hätten ihn mit ziemlicher Brutalität heruntergezogen; sie habe S in die Arme der Polizisten fallen, jedoch keine Details gesehen. Sie habe dann beobachtet, wie 4 Polizisten S weggeschleppt hätten, je einer pro Arm und Bein des S. Den einen Arm habe man ihm fürchterlich verdreht; sie könne sich nicht mehr erinnern, ob es der linke oder der rechte Arm war; der Arm sei aber aus der Schulter nach hinten über den Kopf verdreht worden. Sie habe wegen ihres unruhigen Kindes vermutlich mehrmals weggeschaut, aber durch einen plötzlichen Schrei des S ihr Augenmerk sofort auf ihn gerichtet, aber nicht direkt gesehen, wodurch dieser Schrei bewirkt wurde. An diesen Schrei könne sie sich genau erinnern. Es sei zwar möglich, daß S auch beim Herunterholen vom Bagger geschrien habe, das wisse sie aber nicht mehr. Sie wolle auch nichts mit Demonstranten zu tun haben, da sie diesen Ärger nicht wolle.

3.4. H sagte aus (Beiblatt 11 zum Verhandlungsprotokoll), daß sie glaube, alle Demonstranten am Bagger gekannt zu haben. An S könne sie sich aufgrund der ihrer Ansicht nach brutalen und unverantwortlichen Räumung erinnern. Die anderen Personen seien nicht so brutal wie S vom Bagger heruntergeholt und nicht fallen gelassen worden. S sei auf die Kabelverstrebungen gefallen, sodaß er sich am Hinterkopf verletzt habe. Ob er von Polizisten losgelassen oder gestoßen worden sei, wisse sie nicht, weil alles so furchtbar rasch vorgegangen wäre.

Beim Abtransport habe S ziemlich bald geschrien. Seine Hand sei seltsam verbogen, nämlich die Finger zur Innenseite des Unterarms gerichtet gewesen.

Trotz vieler derartiger Vorfälle mit der Polizei könne sie sich wegen der besonderen Brutalität an S konkret erinnern, da sie wegen seines Sturzes auf den Hinterkopf an die möglichen Folgen gedacht habe und schockiert gewesen sei.

3.5. Pe gab folgendes zu Protokoll (Beiblatt 13 zum Verhandlungsprotokoll):

"Am 8.5.1991 bin ich gegen 08.00 Uhr zum M-platz gekommen. Ich stand mit einigen anderen Demonstranten in dieser Wohnstraße. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits Einsatzfahrzeuge der Bundespolizeidirektion Wien dort, jedoch noch keine Baufahrzeuge. Es herrschte unter den Demonstranten Einigkeit, daß zwar der Baufortschritt verhindert werden sollte, jedoch keinesfalls auf gewaltsame Weise.

Als die ersten Baufahrzeuge kamen, verhinderten wir den Zufahrtsweg zur Baustelle. Einige kletterten auf das auf einem LKW-Anhänger befindliche Baufahrzeug. Ich selbst stand vor dem Führerhaus des LKW's.

Von meinem Standort aus hatte ich keine Sicht auf die am Baufahrzeug befindlichen Personen; ich konnte nur aufgrund der Geräuschkulisse mitbekommen, was sich abspielte.

Einige der Demonstranten konnte man offenbar leichter herunterholen, andere offenbar schwerer, aufgrund der exponierten Lage, was auch beabsichtigt war; aufgrund mehrmaliger Schreckensschreie der Umstehenden, schloß ich, daß vielleicht jemand ausgerutscht sein könnte.

Ich hatte den Eindruck, daß unter den Polizeibeamten große Nervosität herrschte und auch eine Verunsicherung; die Beamten selbst waren geteilter Meinung über die Situation.

Ich selbst konnte den Abtransport der vom Baufahrzeug heruntergeholten Personen zur Gänze, und zwar ab jenem Zeitpunkt, an dem sie am Führerhaus des LKW's vorbeigetragen wurden, beobachten, weil ich selbst - da ich hochschwanger war - als allerletzte (freiwillig) von meinem Standort weg zum Straßenrand hin ging.

Ich kannte den Beschwerdeführer schon von früher, zB von den Protesten wegen der Einstellung der Straßenbahnlinie. Vor dem Beschwerdeführer sind andere Personen an mir vorbeigetragen worden. Der Beschwerdeführer war einer der letzten, die an mir vorbeigetragen wurden, vermutlich war er einer jener, die aus einer besonders exponierten Lage heruntergeholt wurden. Ich glaube, daß es ein Versäumnis der Einsatzleitung war, daß keine Spezialbergegeräte an den Kundgebungsort gebracht worden waren, obwohl die Bundespolizeidirektion Wien mit dieser Demonstration rechnen mußte bzw gerechnet hat.

Der Beschwerdeführer wurde von insgesamt vier Sicherheitswachebeamten getragen, wobei je einer ihn an der linken und rechten Hand und je einer am linken und rechten Bein hielt. Er wurde mit dem Gesicht nach oben getragen. Er hat Schmerzenslaute von sich gegeben, es waren weniger Worte, sondern eher ein Gewimmer.

Ich sah seine linke Seite, als er an mir vorbeikam. Seine linke Hand, vor allem das Handgelenk, schien mir verdreht; der Polizist, der ihn an der linken Hand hielt, hatte seine beiden Hände ziemlich nebeneinander, eine Hand am Handgelenk des Beschwerdeführers, die andere Hand etwas weiter drüber, nämlich am Handrücken. Dieser Griff war mir unbegreiflich, da ich der Ansicht war, daß ein solcher Griff Schmerzen bereiten muß. Ich wunderte mich besonders deswegen, weil der Beschwerdeführer überhaupt keine Gegenwehr leistete.

Aufgrund des durch Mark und Bein gehenden Wimmerns des Beschwerdeführers schloß ich, daß der Beschwerdeführer große Schmerzen in der Hand haben mußte. Ich habe aber nicht sehen können, ob der betreffende Polizist den Beschwerdeführer absichtlich durch festes Zudrücken am Handgelenk oder Handrücken Schmerzen zufügte.

Meines Erachtens hätte man den Beschwerdeführer auf dem ebenen Boden absetzen und einen sichereren und weniger schmerzhaften Griff (zB unter den Schultern) wählen können."

3.6. W sagte aus (Beiblatt 14 zum Verhandlungsprotokoll), daß sie um ca 09.30 Uhr wegen des Lärms und der Einsatzfahrzeuge aus ihrer Wohnung am M-platz heruntergekommen sei.

Sie habe gesehen, wie eine Person nicht getragen, sondern eher gezerrt worden sei. Diese Person habe Wehlaute von sich gegeben. Sie habe Anrainer gefragt, wer da so geschleift werde und zur Antwort "Das ist der S" bekommen.

Sie sei deswegen zum Einsatzleiter gegangen und habe ihn auf die Art des Abtransports angesprochen. Er habe sie angehört und dann mit seinen Leuten gesprochen, worauf die anderen Demonstranten in einer wesentlich humaneren Weise weggetragen worden seien. Sie habe damals nicht gesehen, ob einer der Polizisten, die S so getragen hätten, daß sein Körper durchhing, etwas Bestimmtes gemacht hätte; ebensowenig habe sie gesehen, weswegen S die Schmerzenslaute von sich gegeben habe.

4. Zeugenaussagen der Organe der belangten Behörde

4.1. Mag Za sagte aus (Beiblatt 3 zum Verhandlungsprotokoll), er sei damals als Behördenvertreter eingesetzt gewesen. Es sei damals ein defensives Konzept angebracht gewesen. Deswegen seien besonders viele Sicherheitswachebeamte eingesetzt worden, um viele Beamte zum Wegtragen der Blockierer zu haben.

Seines Erachtens seien die Sicherheitswachebeamten behutsam beim Herunterholen bzw Wegtragen der Personen vorgegangen. Er habe über Lautsprecher eine einsatzbegleitende Sofortinformation an die Blockierer gerichtet, auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens hingewiesen und sie aufgefordert, die Baufahrzeuge und die Straße freizugeben. Die Festnahmen seien dann von den einzelnen Sicherheitswachebeamten individuell durchgeführt worden.

4.2. BezI Kr gab zu Protokoll (Beilage 6 zum Verhaltungsprotokoll): "Ich war damals Zugskommandant, ich habe von meinem Kompaniekommandanten die Weisung erhalten, die Festnahme jener vier Personen, die sich auf dem Schaufelbagger befunden haben, vorzunehmen. Ich habe diese Weisung an meine Beamten weitergegeben.

Der Beschwerdeführer hat sich nach dem Ausspruch der Festnahme passiv verhalten, er hat alle seine Glieder schlaff fallen gelassen.

Da es nicht so einfach ist, auf einen Schaufelbagger hinaufzugelangen (noch dazu, wo der Bagger auf einem LKW-Anhänger draufstand), schickte ich Beamte, die in der Seiltechnik ausgebildet sind, auf den Bagger, da für nichtausgebildete Beamte Verletzungsgefahr durch Ausrutschen bestanden hat.

Mit mir zusammen dürften es sechs Beamte gewesen sein, die hinaufkletterten, wobei ich und BezI P auf dem Anhänger verblieben und nicht auf den Bagger weiterkletterten.

Ich brauchte schon deswegen vier Personen, weil vier Festnahmen auszusprechen und vier Personen herunterzuholen waren. Es ist besonders schwierig, von einem solchen Bagger Personen, die sich passiv verhalten, ohne Verletzungen hinunterzubekommen; deswegen mußten sich die vier Beamten, die auf den Bagger geklettert waren, so hinstellen, daß sie selbst nicht gefährdet werden und auch nicht die Person, die sie hinunterholen wollen, gefährden. Ich glaube, daß S die zweite Person war, die hinuntergeholt wurde.

BezI P und ich haben die Personen von den vier am Bagger befindlichen Beamten in Empfang genommen und dann an vier andere Beamte, die unten auf der Fahrbahn gestanden sind, weitergegeben. Diese Beamten haben dann die jeweilige Person zum Frosch (Arrestantenwagen) getragen. Insgesamt hat der Alarmzug aus mindestens 18 Personen bestanden.

Bei der ersten Person dürfte sich kein Problem beim Herunterholen ergeben haben, da diese Person sogar mitgeholfen hat, hinunterzukommen, und daher das Herunterholen erleichtert hat. Ich weiß nicht, ob S die zweite Person oder die dritte Person war, die wir heruntergeholt haben; ich weiß aber, daß er passiven Widerstand geleistet hat und alles herunterhängen hat lassen. Von unten kann man nicht mithelfen, die Person vom Baggerdach hinunter zum Vorbau und von dort zur Baggerkette zu schaffen. Erst von der Baggerkette hinunter zum Anhänger konnten BezI P und ich mithelfen, die Person herunterzuholen.

Die vier Kollegen am Bagger hatten es äußerst schwer, noch dazu, wo es sich um einen Hydraulikbagger handelte, der voll von Hydrauliköl und daher schmierig und rutschig war, und da sich der Beschwerdeführer passiv verhielt und dadurch schwer machte. Ich glaube, daß ihn zwei Beamte an den Armen hielten und ihn dann an uns weitergaben. Wir haben ihn in Empfang genommen und den Beamten auf der Straße weitergegeben. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, ich verweise aber auf den Videofilm, den die Bundespolizeidirektion Wien - Dokumentationsgruppe angefertigt hat.

Ich kann zu der Angabe von S, daß er beim Herunterholen vom Bagger am Kopf, Rücken und Steißbein verletzt wurde, nichts sagen; ich habe keine Verletzungen an ihm gesehen, ich kann ausdrücklich angeben, daß ich ihn nicht verletzt habe; ich habe ihn an den Füßen genommen gehabt und an die untenstehenden Beamten weitergegeben.

Am Videoband, das ich ca 1 Woche nach dem Vorfall gesehen habe, sieht man, daß der Beschwerdeführer von dem Vorbau des Baggers hinuntergeplumst ist, ich weiß aber nicht, auf was dies zurückzuführen ist; auf mich wirkte das Video so, als ob sich der Beschwerdeführer hinunterplumsen lassen wollte, weil er sich nicht mit seinen Händen abstützte.

Ich hatte an Ort und Stelle keinesfalls den Eindruck gewonnen, daß ein Kollege von mir den Beschwerdeführer fallen gelassen hat, weil ich ihn sonst zur Rede gestellt hätte. Ich glaube daß derjenige, der den Beschwerdeführer hinuntergereicht hat, RevI L war. Ich habe zum ersten Mal von irgendwelchen Verletzungen des Beschwerdeführers im Koat gehört, wohin der Beschwerdeführer mit dem Arrestantenwagen verbracht worden war. Im Parteienraum klagte er über Kopf- und Rückenschmerzen, wie ich glaube, worauf der Amtsarzt geholt wurde.

Ich selbst habe den Beschwerdeführer nach dem Herunterholen vom Bagger nicht mehr am Vorfallsort gesehen, sondern erst später am Kommissariat, wo er auf einer Bank im Parteienraum saß. Ich selbst ging hinauf, um die Meldung bzw Anzeige gegenzuzeichnen. Ich habe also den Beschwerdeführer nur auf dem Bagger bzw beim Herunterholen gesehen, und habe keine Verletzungen gesehen und auch nicht, daß ihm solche zugefügt wurden.

Es wurde gegen ca 7 einschreitende Beamte ein Disziplinarverfahren und eine Strafanzeige gemäß §83 und §313 StGB eingeleitet, die aber nach Prüfung des Falles von der Staatsanwaltschaft Wien gemäß §90 StPO eingestellt wurde.

Die Strafanzeige und das Disziplinarverfahren wurden von der Dienstbehörde eingeleitet, weil diese verpflichtet ist, allen Mißhandlungsvorwürfen nachzugehen.

Nachdem das Herunterholen vom Bagger bzw die Amtshandlung rasch vor sich ging, kann ich mich heute nicht mehr konkret an die Amtshandlung erinnern; wenn mir von Dr V meine Aussage vom 3.7.1991 vorgehalten wird, so kann ich nur dazu angeben, daß sie vermutlich stimmen wird.

Ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern, wie der Beschwerdeführer vom Vorbau des Baggers hinunter auf die Antriebskette gelangt ist. Ich verweise hierbei auf das Video, in dem dies ganz genau sichtbar sein müßte. Die Aussage in meiner Niederschrift vom 3.7.1991, wonach 'S dann von uns kurz auf die Antriebskette gelegt' wurde, bedeutet nicht unbedingt, daß mit 'uns' RevI L und ich gemeint war. Ich habe BezI P gemeint, da nur er und ich am Anhänger standen.

Ich kann mich nicht erinnern, daß ich den Beschwerdeführer heruntergerissen habe; ich kann mir nicht vorstellen, daß ich den Beschwerdeführer heruntergezerrt habe, damit er sich verletzt oder schneller unten ist; es war mir bekannt, daß die Dokumentationsgruppe eine Videoaufnahme macht; außerdem war die Schulabteilung zur Absicherung der Straße und zu Absperrmaßnahmen anwesend und es befanden sich auch viele Schaulustige am Vorfallsort."

4.3. RevI K machte folgende Aussage (Beiblatt 15 zum Verhandlungsprotokoll):

"Wir vier Beamten waren auf dem Bagger verteilt, ich stand ganz oben. Ich habe die Personen (aber nicht alle) an den Händen genommen und der Kollege, der weiter unten gestanden ist, hat sie dann bei den Füßen genommen. Ich bin dann heruntergestiegen, während ich die Person weiterhin an den Händen hielt, und zwar bis ich auf dem Aufbau stand. Von diesem Aufbau aus übergab ich die Person an einen weiter unten stehenden Kollegen.

Ich habe den Abtransport dieses Mannes nicht gesehen, ich habe beim Abtransport nicht mitgeholfen."

4.4. BezI P  gab im wesentlichen an (Beiblatt 12 zum Verhandlungsprotokoll):

"Ich habe zwar keine Verletzungen wahrgenommen, aber mehrere Schreie des Beschwerdeführers gehört, kann aber nicht sagen, ob das Schmerzensschreie oder Schreie aus Zorn waren.

Ich habe den Beschwerdeführer runterheben geholfen, wobei BezI Kr den Beschwerdeführer an den Beinen und ich ihn am Oberkörper festhielt.

Es kann möglich sein, ist mir aber nicht aufgefallen, daß jener Kollege, der den Beschwerdeführer weiter oben gehalten hat und mir übergeben sollte, ihn losgelassen hat.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, daß ich den Bagger nach dem Aufschrei vom Beschwerdeführer untersucht hätte, ob sich dort zB scharfe Kanten befinden; bei einem derartigen Baufahrzeug befinden sich aber immer Unebenheiten oder scharfe Kanten. Ich kann nicht ausschließen, kann mich aber nicht erinnern, also auch nicht bestätigen, weil ich es nicht gesehen habe, daß einer meiner Kollegen den Beschwerdeführer beim Herunterheben fallengelassen oder losgelassen hat."

"Nach Vorlage eines Fotos durch die Verhandlungsleiterin, gebe ich an, daß ich darauf den Beschwerdeführer und mich erkenne, und daß das Gesicht des Beschwerdeführers schmerzverzerrt wirkt. Aufgrund des Fotos fällt mir nur auf, daß ich den Beschwerdeführers zuerst von vorne genommen habe, weil er auf dem Rücken gelegen ist und ich ihn daher nicht unter dem Rücken erfassen konnte. Trotz des Vorhalts des Fotos, kann ich nicht angeben, ob der  Beschwerdeführer gestürzt ist oder sich am Hinterkopf angeschlagen hat bzw ob ihn jener Kollege, der den Beschwerdeführer an den Beinen gehalten hat, heruntergezerrt hat; es ist aber möglich, daß ihn dieser Sicherheitswachebeamte heruntergezerrt hat, um ihn besser an den Beinen packen zu können."

4.5. Insp T sagte folgendes aus (Beiblatt 9 zum Verhandlungsprotokoll):

"Am 8.5.1991 bestand meine Aufgabe aufgrund einer Weisung des diensthabenden Offiziers darin, den vom Baufahrzeug heruntergehobenen Beschwerdeführer mit anderen Kollegen (ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber es müßten noch drei Kollegen gewesen sein, nämlich zwei vorne und zwei hinten) mit möglichster Schonung zum Arrestantenwagen zu tragen. Ich stand zuerst etwa 30 m vom Baufahrzeug entfernt und habe daher nicht beobachten können, wo sich der Beschwerdeführer am Baufahrzeug befunden hat.

Als ich die Weisung bekommen hatte, zwecks Abtransports des Beschwerdeführers zum Baufahrzeug zu gehen, habe ich gesehen, daß er sich sitzend am Baggerarm befunden hat.

Ich weiß nicht mehr, wie viele andere Personen sich ebenfalls oben befunden haben.

Ich konnte zwar den Beschwerdeführer sehen, als er oben am Baggerarm saß, jedoch nicht, wie er hinuntergehoben wurde; denn ich befand mich zu diesem Zeitpunkt auf der rechten Seite des Fahrzeugs (mit Blickrichtung zur Schnauze des LKW's), während der Beschwerdeführer auf der linken Seite heruntergehoben wurde, sodaß mir die Sicht durch den Bagger selbst verstellt war. Ich mußte dann auf die linke Seite des Anhängers hinübergehen, um den Beschwerdeführer in Empfang zu nehmen.

Ich habe den Beschwerdeführer auch nicht schreien gehört, während er auf der von mir nicht eingesehenen Seite heruntergehoben wurde. Ich habe den Beschwerdeführer, wie ich glaube (ganz sicher bin ich mir nicht), an einem Fuß getragen; ich bin mir jedoch sicher, daß es hinten, dh an den Beinen, war.

Nachdem mir die Verhandlungsleiterin das Foto, das heute ihren Angaben nach von Dr V vorgelegt wurde, gezeigt hat, gebe ich an, daß man nur meine drei Kollegen genau erkennen kann, während von mir nur ein Stück meines Baretts zu sehen ist, da ich von zwei Beamten, die zur Absicherung zuständig waren, verdeckt worden bin. Ich trage den Beschwerdeführer, wie angegeben, am linken Fuß. Ich kann nicht mehr angeben, ob der Beschwerdeführer in derselben Lage wie am Foto (Gesicht nach unten) bis zum Arrestantenwagen getragen wurde oder ob er umgedreht worden war.

Ich habe zwar den Beschwerdeführer schreien gehört, aber nicht angenommen, daß es Schmerzensschreie sind, sondern daß sich die Schreie gegen uns richten, wegen der Festnahme.

Auf den Wortlaut der Schreie kann ich mich nicht erinnern. Auf eine Bemerkung des Beschwerdeführers im Arrestantenwagen, die er zu einem meiner Kollegen gemacht haben soll, kann ich mich naturgemäß nicht erinnern, weil ich gleich, nachdem wir den Beschwerdeführer in den Arrestantenwagen abgegeben hatten, zum Baufahrzeug zurückgegangen bin, um dort weitere Weisungen entgegenzunehmen.

Ich habe nur gesehen, daß zwei Kollegen den Beschwerdeführer an den Händen trugen, aber ich habe nicht gesehen, wie, denn ich habe den Beschwerdeführer am linken Bein getragen, sodaß mir durch den Körper der zwei vorne befindlichen Kollegen die Sicht auf die Hände des Beschwerdeführers genommen war."

4.6. Insp Pr deponierte die nachfolgende Aussage (Beiblatt 8 zum Verhandlungsprotokoll):

"Ich bin, wo das Führerhaus ist, etwas versetzt vorne beim Bagger gestanden, sodaß ich nicht genau gesehen habe, wie der Beschwerdeführer heruntergeholt wurde; über die Baggerkette wurde er jedoch heruntergehantelt; ich meine damit, daß ihn ein Sicherheitswachebeamter dem weiter unten befindlichen übergeben hat; ich kann nicht sagen, ob der Beschwerdeführer bei der Baggerkette geschrien hat, ich weiß aber, daß er beim Abtransport geschrien hat.

Ich habe von meinem Standort nicht genau sehen können, ob der Beschwerdeführer auf der Baggerkette ausgerutscht ist, ich habe auch nichts davon gemerkt, daß ihn ein Kollege ausgelassen und ein anderer Kollege gleichzeitig an den Beinen herunter auf die Baggerkette gezerrt haben soll.

Ich habe den Beschwerdeführer an einer Hand beim Abtransport getragen.

Auf dem mir jetzt von der Verhandlungsleiterin vorgelegten Foto erkenne ich mich; ich trage den Beschwerdeführer am linken Arm bzw an der linken Hand. Ich glaube, daß wir den Beschwerdeführer, so wie er sich auf dem Foto befindet (mit dem Gesicht nach unten) bis zum Arrestantenwagen getragen haben; ich bin mir aber nicht ganz sicher; wir haben auch noch eine andere Person vom Bagger zum Arrestantenwagen tragen müssen; ich glaube, daß eine Person mit dem Gesicht nach oben weggetragen wurde.

Wenn wir den Beschwerdeführer umgedreht hätten, kann ich nicht sagen, wie wir das gemacht hätten, es gibt dafür kein bestimmtes System; wir hätten es aber mit möglichster Schonung des Beschwerdeführers getan.

Als der Beschwerdeführer beim Abtransport geschrien hat, hat er unter anderem geschrien 'ihr seid alle Verbrecher' und 'das wird noch Folgen haben' und 'laßt's mich aus'. Er hat aber nicht geschrien, daß er verletzt sei oder eine bestimmte Verletzung habe.

Ich kann mich nicht erinnern, daß er so etwas geschrien haben soll; auf die Frage, ob ich solche Worte des Beschwerdeführers ('meine Hand, meine Hand') ausschließen kann, gebe ich an, daß ich das nicht weiß.

Ich kann nicht ausschließen, daß der Beschwerdeführer ein schmerzverzerrtes Gesicht hatte, weil jedes Weggetragenwerden unangenehm ist."

4.7. RevI Z gab nachstehend an (Beiblatt 7 zum Verhandlungsprotokoll):

"Von den Personen, die oben am Baggerarm gesessen sind, kann ich mich nur an S erinnern. Er ist als erster oben gesessen und wurde als erster heruntergeholt; dabei wollte er sich fallen lassen, sodaß ihn die Kollegen halten mußten, damit er nicht hinunterfällt, das ist gelungen."

"Ich habe nicht gesehen, wie es zu dem Sturz von der Baggerkette kam, ich habe nur den kurzen Aufschrei gehört."

"S wurde dann von der Baggerkette hinunter auf den Anhänger und dann weiter hinunter auf die Fahrbahn gehoben und dann von mir und zwei anderen Kollegen zum Arrestantenwagen gebracht. Ich weiß nicht, wo er festgehalten wurde, aber daß er festgehalten wurde, damit er nicht herunterfällt.

Ich kann mich nicht erinnern, daß ihn einer meiner Kollegen heruntergezerrt hat; ebensowenig kann ich mich erinnern, daß ihn ein Kollege, der ihn vorher an den Armen gehalten hat, losgelassen haben soll, sodaß er auf die Baggerkette stürzte.

Es ist möglich, daß ein Kollege gesagt hat, 'so paßt's doch auf', ich kann mich aber daran nicht erinnern.

S wurde dann von der Baggerkette hinunter auf den Anhänger und dann weiter hinunter auf die Fahrbahn gehoben und dann von mir und zwei anderen Kollegen zum Arrestantenwagen gebracht.

S wurde zuerst in einer Position mit dem Bauch nach unten getragen, weil sich das so ergeben hatte, weil er sich nach vor geneigt hatte. Unmittelbar danach wurde der Beschwerdeführer von uns umgedreht und mit dem Gesicht nach oben weiter zum Polizeiauto getragen.

Ich hielt den Beschwerdeführer an der linken Hand fest, wobei ich mich aber nicht mehr erinnern kann, ob ich den Beschwerdeführer zuerst (als er mit dem Gesicht nach unten getragen wurde), an der linken Hand festhielt und dann nach seinem Umdrehen an seiner rechten Hand oder ob ich ihn zuerst an der rechten Hand festgehalten habe und dann (nach dem er umgedreht worden war und mit dem Gesicht nach oben getragen wurde) an der linken Hand festhielt.

Der Beschwerdeführer hat die ganze Zeit beim Wegtragen geschrien, ich weiß aber nicht, wieso.

Ich habe ihn so gepackt, daß er sich nicht einmal eine Schulterzerrung zuziehen oder herunterfallen konnte. Ich zeige jetzt diesen Spezialgriff an der Schriftführerin vor. Ein Arm muß bei diesem Spezialgriff unter den Oberarm des Zu-Tragenden gelegt werden, sodaß dessen Gewicht auf meiner Armbeuge liegt; meine beiden Hände umfassen den Unterarm unterhalb des Handgelenks; damit wird auch ausgeschlossen, daß der Getragene ausschlagen kann.

Der andere Kollege, der den Beschwerdeführer am zweiten Arm bzw an der zweiten Hand getragen hat, hat nicht diesen Spezialgriff angewendet. Ich machte ihn noch darauf aufmerksam, daß er den Beschwerdeführer auf seiner Seite ebenso tragen solle, weil er sich dadurch leichter getan hätte. Er antwortete aber 'es geht auch so'. Ich weiß nicht, wer dieser andere Kollege war, ich weiß es wirklich nicht, man hat dies nicht einmal auf dem Video gesehen, weil das Wegtragen des Beschwerdeführers nur von weit weg gefilmt wurde und daher nichts Näheres zu erkennen ist."

"Ich bleibe nach diesem Vorhalt des Beschwerdeführers dabei, daß ich ihn mit meinen beiden Händen unterhalb seines Handgelenks getragen habe; ich sehe keinen Grund, warum ich den Beschwerdeführers absichtlich verletzen hätte sollen. Auf Vorhalt des Rechtsvertreters Dr V, daß ich in der Niederschrift vom 3.7.1991 vor der Alarmabteilung gesagt habe, 'S machte keinerlei Bemerkung über eine Verletzung oder Schmerzen', und daß ich nunmehr angegeben habe, daß er mehrmals aufgeschrien habe, gebe ich an, daß der Beschwerdeführer auch aus anderen Gründen, zB weil er sich geärgert hat, daß er seinen Willen nicht durchsetzen konnte (weil er vom Bagger heruntergeholt wurde), geschrien haben kann.

Wie ich den Beschwerdeführer getragen habe, als er noch mit dem Gesicht nach unten schaute, weiß ich nicht mehr; dazu habe ich keine Erinnerung mehr.

Ich weiß auch nicht, wie der andere Kollege den Beschwerdeführer getragen hat, bevor der Beschwerdeführer umgedreht worden war. Nachdem Dr V mir ein Foto vorlegt, auf dem ich den Beschwerdeführer, als er noch mit dem Gesicht nach unten schaut, am rechten Arm und nicht mit dem Spezialgriff getragen habe, während der andere Kollege ihn am linken Arm mit dem Spezialgriff hält, gebe ich an, daß ich mich eben nicht daran erinnern konnte, wie ich den Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt getragen habe. Ich habe bloß darauf geachtet, daß er nicht herunterfällt. Ich vermute, daß mein linker Arm den Beschwerdeführer unter der Achsel oder am Oberarm festgehalten hat.

Auf die Frage, was der Beschwerdeführer beim Abtransport geschrien hat, gebe ich an, daß er einmal so ähnlich wie 'laßt's mich runter, ich gehe eh selber' geschrien hat."

5. Sonstige Beweismittel

Zum Zwecke der Wahrheitsfindung wurde auch in die Akten der belangten Behörde (Zl Pst 2029/Ml/91 und Kr 1074/Ml/91) und damit in die in ihnen befindlichen Aussagen, in den Haftzettel und in das Festnahme- und Anhaltungblatt Einsicht genommen. Außerdem legte S nach Aufforderung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien den Befund des Meidlinger Unfallkrankenhauses vor, aus dem Prellungen im Kopf-, Brustkorb- und Steißbeinbereich, eine Abschürfung im Brustkorbbereich sowie der Abriß des Speichenknochens im linken Handgelenk hervorgehen. Weiters stand ein von der belangten Behörde am Tattag angefertigter und dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vorgelegter Videofilm über das Herunterholen der Demonstranten vom Baufahrzeug als Beweismittel zur Verfügung.

Letztendlich wurden sowohl von der belangten Behörde, als auch seitens des S Fotos vom Vorfall zu Beweiszwecken vorgelegt. III.

Beweiswürdigung

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien schenkt den zeugenschaftlichen Angaben des damaligen Behördenvertreters Mag Za, der Sicherheitswachebeamten RevI K, BezI Kr, Insp T, BezI P und Insp Pr sowie den vom Beschwerdeführer nominierten Zeugen Pe, W und A Glauben.

Die Zeugen unterliegen aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht und hätten im Falle ihrer Verletzung mit strafrechtlichen Konsequenzen und, soweit es sich um Polizeibeamte handelt, auch mit dienstrechtlichen Folgen zu rechnen.

Im übrigen stehen diese Zeugenaussagen auch mit den Ausführungen des Beschwerdeführers (abgesehen von seinen Mutmaßungen) durchaus im Einklang.

Die Zeugenaussage des Pi kann hingegen zur Klärung des Sachverhaltes nichts beitragen; der Zeuge hat zwar angegeben, gesehen zu haben, wie der Beschwerdeführer vom Bagger heruntergeholt wurde, und dies auch fotografiert, schilderte aber nicht den Vorfall auf der Baggerkette und wußte auch nicht einmal mehr, ob sich noch andere Personen am Bagger befunden hatten, als S heruntergeholt wurde.

Weiters gab er zwar an, gesehen zu haben, wie der Beschwerdeführer getragen wurde, führte aber gleichzeitig aus, daß alles so rasch gegangen sei und ihm durch die Polizisten teilweise die Sicht auf den Beschwerdeführer verdeckt gewesen wäre; außerdem gab er zu Protokoll, daß S von mindestens zwei, vermutlich aber von drei bis vier Polizisten getragen wurde.

Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß der Zeuge Pi dem S nicht sein ganzes Augenmerk widmete, sondern die mit S zusammenhängenden Handlungen nur am Rande mitbekam.

Die Aussagen der Zeugen R und H wurden in äußerst emotionaler Form abgegeben und waren offenbar von ihrer allgemeinen (offenbar negativen) Einstellung zur Exekutive geprägt:

So gab R an, daß nicht nur S brutal über die gerippten Unebenheiten eines Baggerteiles hinuntergezogen worden sei, sondern auch noch zwei andere Personen; weiters seien die Personen auch vom letzten Stück des Baggers (in etwa einem Meter Höhe) brutal auf die Fahrbahn hinuntergeschliffen worden. Dies war jedoch gemäß dem Videofilm keineswegs der Fall.

H brachte bei ihrer Vernehmung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (wenn auch nicht wörtlich und nicht protokolliert) zum Ausdruck, daß für sie Polizeibeamte ein "rotes Tuch" wären. Ihre Angaben waren auch deswegen unglaubwürdig, weil sie angab, sich "trotz vieler derartiger Vorfälle mit der Polizei" wegen der besonderen Brutalität konkret an den Vorfall mit S erinnern zu können, und sie genau die "seltsam" verbogene Hand des

S beschreibt, andererseits aber überhaupt nicht weiß, wie bzw von wievielen Sicherheitswachebeamten S getragen wurde ("Ich glaube, 2 Polizisten haben S abtransportiert. Ich kann nicht mehr sagen, ob der eine beide Hände und der andere beide Beine gehalten hat, oder ob jeder der beiden je ein Bein und eine Hand es ist möglich, daß

S nur an den Händen gehalten wurde und die Beine nachgeschleift wurden").

Dazu kommt, daß H ihren eigenen Angaben nach nicht auf jener Seite des Baggers gestanden ist, an der S abtransportiert wurde, sodaß sie am Beginn des Abtransports gar keine Sicht auf ihn haben konnte; sie konnte das Wegtragen des S daher nur beobachten, als der Bagger nicht mehr die Sicht auf ihn verstellte, dh also, als S schon weiter entfernt war; da er sich aber immer weiter weg von ihr entfernte, erscheint es nicht glaubwürdig, daß H die Hand des S sehen konnte, zumal die Sicht auf die Hand nun zwar nicht vom Bagger, aber durch die tragenden Sicherheitswachebeamten verstellt wurde.

Da H außerdem noch darüber spricht, daß es "nicht alltäglich" sei, "daß jemandem die Hand gebrochen" werde, ist anzunehmen, daß sie S nach dem Vorfall, nachdem seine Hand bereits eingegipst war, gesehen, mit ihm über seine Hand gesprochen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien nicht ihre eigenen Wahrnehmungen, sondern einen Teil der Schilderung des S und ihre daraus gezogenen Schlüsse wiedergegeben hat. Bei dem Vorfall selbst konnte sie nicht wissen, ob S überhaupt eine Verletzung an der Hand davongetragen hat, und wenn ja, welcher Art. Zu den Angaben des Sicherheitswachebeamten RevI Z ist folgendes zu sagen:

Einerseits schildert er detailliert, daß S zuerst mit dem Gesicht nach unten getragen wurde (weil sich das so ergeben hatte) und unmittelbar danach aber umgedreht und mit dem Gesicht nach oben weitergetragen wurde; ebenso gibt er an, daß er S mit einem Spezialgriff an der linken Hand getragen habe, der Kollege, der S an der anderen Hand gehalten habe, jedoch nicht. Andererseits gibt er an, nicht mehr zu wissen, wie er S getragen habe, als dieser noch mit dem Gesicht nach unten schaute.

Es erscheint merkwürdig, daß sich RevI Z (nur) daran erinnert, daß und wie er S mittels Spezialgriffs getragen habe, nicht jedoch daran, daß er (zumindest vorher) S ohne diesen Spezialgriff transportiert hat, wie aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Foto zu ersehen ist.

Nicht glaubwürdig erscheint auch die Behauptung von RevI Z, er habe noch den anderen Kollegen, der nicht den Spezialgriff angewandt habe, aufmerksam gemacht, daß das Tragen mittels Spezialgriffs leichter sei; denn auf dem oa Foto wendet gerade dieser andere Kollege, nicht aber RevI Z, den Spezialgriff an. Schließlich spricht gegen die Angaben von RevI Z auch, daß ihm, wie er selbst zugab, der Beschwerdeführer im Arrestantenwagen gesagt hat: "Ihr Gesicht merke ich mir" (vgl Zeugenaussage von RevI Z beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, Beiblatt 7, Seite 4 unten). Warum hätte der Beschwerdeführer gerade zu RevI Z (und sonst zu keinem anderen Sicherheitswachebeamten!) diesen Satz sagen sollen, wenn es nicht im Zusammenhang mit RevI Z zu der Verletzung des Beschwerdeführers an seiner linken Hand gekommen wäre?

Bemerkt wird, daß der Beschwerdeführer bei seiner noch am Vorfallstag durchgeführten Einvernahme vor der belangten Behörde eine genaue Beschreibung jenes Sicherheitswachebeamten abgegeben hat, der ihm - wie er sagte - die Verletzung an der Hand zugefügt hatte, wobei diese Beschreibung (nur) auf RevI Z zutrifft. Der Beschwerdeführer machte einen ruhigen, überlegten und sehr glaubwürdigen Eindruck. Seine Angaben die Besetzung des Baggers und das Heruntergeholtwerden von diesem betreffend decken sich in allen wesentlichen Details mit jenen der Sicherheitswachebeamten, die alle - soweit sie den Beschwerdeführer selbst gesehen hatten - übereinstimmend angaben, der Beschwerdeführer habe bei der gesamten Amtshandlung ausschließlich passiven Widerstand geleistet. Davon ging die Bundespolizeidirektion Wien auch in ihrer Gegenschrift aus.

Weiters waren die Angaben des Beschwerdeführers klar, schlüssig und blieben in sich selbst, aber auch im Vergleich zu seinen vor der belangten Behörde getätigten Aussagen unmittelbar nach dem Vorfall widerspruchsfrei.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien fand daher keinen Grund, den Angaben des Beschwerdeführers keinen Glauben zu schenken. Was die an der Hand erlittene Verletzung und die Aussage des Beschwerdeführers, diese sei ihm erst beim Weggetragenwerden (nachdem er schon vom Bagger heruntergeholt worden war) zugefügt worden, so wird diese Aussage sowohl durch den Videofilm (aufgrund dessen auszuschließen ist, daß diese Verletzung bereits bei der Bergung vom Bagger entstanden ist, und auf dem im entscheidenden Moment ein Schrei zu hören ist) als auch durch die Aussage der Zeugin Pe gestützt.

Zu bemerken ist noch, daß der Beschwerdeführer bereits bei seiner am Vorfallstag durchgeführten Einvernahme im Kommissariat angegeben hatte, mit dem Kopf, Rücken und Steißbein am Bagger aufgeschlagen zu haben bzw daß der von ihm beschriebenene Sicherheitswachebeamte seine linke Hand nach unten gebogen und den Druck noch verstärkt hätte, sodaß er einen starken Schmerz im Handgelenk verspürt habe und die Bewegungsfreiheit des linken Handgelenks stark eingeschränkt gewesen sei. Außerdem hat S auch dem Amtsarzt gegenüber über Schmerzen geklagt und sofort nach seiner Haftentlassung das Unfallkrankenhaus Meidling aufgesucht. IV. Der als erwiesen angesehene Sachverhalt

Es wird als erwiesen angesehen, daß im Zuge einer tagelangen Protestaktion, mit welcher der Bau einer Volksschule auf einer ehemaligen Grünfläche in H durch Besetzung des Areals und durch Hinderung von Baufahrzeugen an der Zufahrt zur Baustelle blockiert wurde, Demonstranten auch am Vorfallstag (dem 8.5.1991) einen LKW an der Weiterfahrt zur Baustelle hinderten.

Auf dem Anhänger dieses LKW's befand sich ein Bagger, auf dessen Baggerarm S und drei weitere Demonstranten hinaufkletterten, um dort in luftiger Höhe hintereinander Platz zu nehmen. Die Polizisten, die zuerst nur die Lage sowie das Verhalten der Demonstranten sondiert hatten und nicht eingeschritten waren, forderten um 09.40 Uhr (Akt Pst 2029/Ml/91, Anzeige Blatt 2) durch den Behördenvertreter Mag Za die Demonstranten auf, die Baufahrzeuge freizugeben, insbesondere auch vom Bagger herunterzuklettern.

Nachdem die Demonstranten dieser Aufforderung nicht nachkamen, kletterten mehrere Beamte der Alarmabteilung der Bundespolizeidirektion Wien auf den Bagger.

Die am Baggerarm befindlichen 4 Demonstranten wurden schließlich um 09.42 Uhr (vgl das Festnahme- und Anhaltungsblatt, Akt Pst 2029/Ml/91, Blatt 8) ordnungsgemäß - nach erfolgter Abmahnung - gemäß §35 Z3 VStG festgenommen, wollten aber dennoch nicht freiwillig ihren Sitz verlassen. Daher mußten sie von den Polizeibeamten heruntergeholt werden. Hierbei hatten die Polizeiorgane mit 5 Schwierigkeiten zu kämpfen:

1. Die Demonstranten befanden sich in luftiger Höhe und konnten nicht von der Fahrbahn aus vom Bagger entfernt werden. Um die Demonstranten zu erreichen, mußten die Beamten erst in deren Nähe klettern, wobei sie jeweils 4 "hohe Stufen" zu überwinden hatten: Die "erste Stufe", von der Fahrbahn aus betrachtet, war der Boden des LKW-Anhängers (vgl Foto 1 der BPD Wien); die "zweite (noch höhergelegene) Stufe" wurde durch die Baggerkette (vgl Foto 3 der BPD Wien), die "dritte Stufe" durch den Baggeraufbau (vgl ebenfalls Foto 3) und die "vierte Stufe" durch den untersten Teil des Baggerarms (vgl Foto 6 der BPD Wien) gebildet.

2. Die jeweiligen, in verschiedenen Höhen befindlichen Standflächen waren schmal.

3. Der Bagger und seine Standflächen waren aufgrund des Hydrauliköls außerdem glitschig, sodaß höchste Rutschgefahr bestand.

4. Die Beamten konnten sich nirgendwo anhalten, zumal sie ihre Hände für das Ergreifen und Tragen der Demonstranten brauchten.

5. Die Demonstranten, insbesondere aber S, erschwerten ihre "Bergung" durch ihren passiven Widerstand, also mit dem ganzen Gewicht ihres Körpers.

Es konnten nur Beamte, die in Alpintechnik besonders geschult waren, eingesetzt werden, da das Herunterholen der Demonstranten aufgrund der oben geschilderten schwierigen Umstände sowohl für die Demonstranten als auch für die Polizeibeamten selbst äußerst gefährlich war. Von den 4 auf dem Baggerarm hintereinander sitzenden

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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