Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, hinsichtlich Teil 1) ("a") des angefochtenen Straferkenntnisses keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die Berufungswerberin hat dem Land NÖ gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, hinsichtlich Teil 1) S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen zu bezahlen.
Hinsichtlich Teil 2) ("b") des angefochtenen Straferkenntnisses wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Das Verwaltungsstrafverfahren wird in diesem Teil gemäß §45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Frau M Z das Straferkenntnis vom 15. Mai 1991, Zlen xx und xy, erlassen. Darin wurde ihr zur Last gelegt, sie sei am 15. März 1991 gegen 23,45 Uhr als Lenkerin des PKW KZ N xx auf der B xx im Ortsgebiet von Z bei Strkm 48,95 auf Höhe des Raiffeisenlagerhauses aus Richtung G kommend mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe es unterlassen
1)
ihr Fahrzeug sofort anzuhalten und
2)
vom Unfall die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, da ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt sei.
Aus diesem Grund hat die Behörde folgende Verwaltungsstrafen verhängt:
Zu 1) gemäß §4 Abs1 lita iVm §99 Abs2 lita StVO 1960 S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage),
zu 2) gemäß §4 Abs5 iVm §99 Abs3 litb StVO 1960 S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage).
Gemäß §64 Abs2 VStG hat die Bezirkshauptmannschaft noch an Kosten des Verfahrens 10 % der verhängten Geldstrafen, insgesamt somit S 300,--, vorgeschrieben.
Bei dieser Entscheidung hat die Bezirkshauptmannschaft eine geständige Verantwortung und die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Frau Z als mildernd gewertet.
Die Beschuldigte hat jedoch gegen diese Entscheidung rechtzeitig ein Rechtsmittel ergriffen. Darin stellte sie die Behauptung auf, daß sie ihr Fahrzeug sehr wohl angehalten hätte. Auch habe sie damals nach dem Verkehrsunfall beabsichtigt, die Gendarmerie gleich nach einem Besuch der Diskothek S (in Z) zu verständigen.
Im Hinblick auf diese Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land NÖ am 14. November 1991 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurde seitens der Beschuldigten nicht in Frage gestellt, das Fahrzeug (wie in dem bekämpften Straferkenntnis angelastet) am 15. März 1991 gegen 23,45 Uhr auf der B xx im Ortsgebiet von Z bei Strkm 48,95 gelenkt zu haben bzw in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen zu sein. Ihrer Ansicht nach seien dabei aber nur die beiden Außenspiegel der beteiligten Fahrzeuge abgebrochen. Weitere Schäden seien an dem gegnerischen Fahrzeug K nicht entstanden, weil an ihrem Fahrzeug keine korellierenden Schäden anzutreffen gewesen seien. Seitens der Beschuldigten wurde beantragt, zu dieser Frage allenfalls ein technisches Gutachten einzuholen.
Da sich der zweitbeteiligte Lenker K von der Unfallstelle entfernt habe, habe die Beschuldigte sich darüber keine Gewißheit verschaffen können, ob an dem gegnerischen Fahrzeug überhaupt ein Sachschaden eingetreten sei.
Demgegenüber hat Herr A D, welcher damals am 15. März 1991 bei dem gegenständlichen Vorfall als Beifahrer mit Frau Z mitgefahren ist, als Zeuge befragt, angegeben:
"Dicht vor Z habe ich ein Fahrzeug entgegen kommen gesehen. Ich wies Frau Z sofort an: "Fahr zuwa, der fahrt uns an". Dann war ein kleiner Knall und Frau Z sagte zu mir: "Jetzt ist mein Spiegel weg". Ich habe mich umgedreht und geschaut und habe Bremslichter des anderen Fahrzeuges gesehen. Frau Z hat ebenfalls gebremst. Nach dem ich aber sah, daß das gegnerische Fahrzeug nicht stehengeblieben ist, ist auch Frau Z weitergefahren. Ich möchte klarstellen: Ob das andere Fahrzeug stehen geblieben ist, kann ich nicht sagen. Ich habe Bremslichter gesehen und dann nichts mehr. Nach dem die Bremslichter aus waren, ist er offenbar weitergefahren, dh er hat sein Fahrzeug nicht angehalten. Frau Z ist daher auch weiter gefahren. Frau Z hat ihr Fahrzeug nicht angehalten. Das gegnerische Fahrzeug ist fahrend verschwunden.
Wir sind dann nach Z in die Diskothek gefahren. Frau Z meinte zu mir, sie müsse die Angelegenheit am nächsten Morgen bei der Gendarmerie melden, damit nichts dabei herauskäme bzw keine Schwierigkeiten entstünden." .... "Frau Z hat den Vorfall sehr wohl wahrgenommen. Sie hat mir gegenüber angegeben, daß sie darüber die Gendarmerie informieren müsse. Sie hat gesagt, daß sie am nächsten Morgen die Gendarmerie verständigen werde."
In dieser Hinsicht haben die Eheleute A und K K als Zeugen befragt übereinstimmend angegeben, daß bei dem Vorfall (ua) der linke Außenspiegel des Fahrzeuges K abgerissen worden sei. Die Beschuldigte habe keine Handlungen gesetzt, ihre Fahrgeschwindigkeit zu verringern (A K) und: "Das gegnerische Fahrzeug der Frau Z ist ohne das Tempo zu verringern weitergefahren. Wenn das andere Fahrzeug angehalten hätte, hätten wir das sehen können" (K K, ehemals K M).
Beide Zeugen haben noch übereinstimmend angegeben, daß das Fahrzeug K sogleich angehalten worden sei. Man sei schließlich nach Z umgekehrt, wo das gegnerische Fahrzeug Z vor der Diskothek S angetroffen worden sei.
Dazu hat der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft xx noch auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 9.9.1981, Zl 1982/5/1802 verwiesen, wonach für die Erfüllung der subjektiven Tatseite im Falle des §4 über die Anhalte- und Meldepflicht genügt, daß dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätte kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. - Dagegen wurde namens der Beschuldigten ausgeführt, daß keine derartigen objektiven Umstände vorhanden seien.
Im Zuge der Berufungsverhandlung wurde noch erhoben, daß es sich bei dem nächstgelegenen Gendarmerieposten um den Gendarmerieposten D handelt, welcher jedoch über Nacht geschlossen ist.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darauf erwogen:
Zu Teil 1) des angefochtenen Straferkenntnisses:
Frau Z hat in keinem Stadium des Verfahrens in Frage gestellt, am 15. März 1991 gegen 23,45 Uhr auf der Bundesstraße xx im Ortsgebiet von Z bei Strkm 48,95 auf Höhe des Raiffeisenlagerhauses aus Richtung G kommend mit dem PKW KZ N xx unterwegs gewesen zu sein. Sie hat auch nicht in Frage gestellt, daß ihr dabei das Fahrzeug von Herrn A K entgegen gekommen sei, mit welchem sie kollidierte. Dabei seien jedoch bloß die Außenspiegel beider Fahrzeuge beschädigt bzw abgerissen worden, und habe sie den Umstand der Beschädigung als solchen nicht erkannt. Aus diesem Grund habe sie ihr Fahrzeug auch nicht angehalten.
Der Zeugenaussage ihres Beifahrers Herrn D ist jedoch nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates zu entnehmen, daß die Beschuldigte den Vorfall sehr wohl wahrgenommen hat. Nachdem ein kleiner Knall zu hören war, bemerkte Frau Z nämlich zu ihrem Beifahrer "Jetzt ist mein Spiegel weg". Auch hat Frau Z nach den Angaben des Zeugen darauf ihr Fahrzeug gebremst, jedoch nicht angehalten.
Dem Zeugen gegenüber hat die Beschuldigte noch angegeben, sie müsse die Angelegenheit am nächsten Morgen bei der Gendarmerie melden, damit nichts dabei herauskäme bzw keine Schwierigkeiten entstünden.
In dieser Hinsicht ist ausdrücklich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichshofes vom 9. September 1981, Zl 1982/5/1802 hinzuweisen, wonach für die Erfüllung der subjektiven Tatseite im Falle des §4 über die Anhalte- und Meldepflicht genügt, daß dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.
Als Verkehrsunfall ist dabei jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 12.7.1961, 404/61).
Der Umstand, daß bei dem Zusammenstoß mit dem Gegenverkehr laut den Angaben des Beifahrers ein kleiner Knall zu hören war, ist in Verbindung mit der spontanen Aussage der Frau Z, daß jetzt ihr Seitenspiegel fehle, sehr wohl zu entnehmen, daß ihr die Kontaktierung mit dem gegnerischen Fahrzeug K und die Möglichkeit der Beschädigung dieses Fahrzeuges zu Bewußtsein gekommen ist. Auch hat sie als Reaktion das Fahrzeug gebremst, jedoch nicht angehalten. Letzteren Umstand bestätigen auch die Eheleute K, welche nach Ansicht der Berufungsbehörde noch durchaus glaubwürdig darstellten, ihr Fahrzeug im Gegensatz zur Beschuldigten am Unfallsort angehalten zu haben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangte somit zu der Ansicht, daß die Behörde I Instanz hinsichtlich der Schuldfrage richtig entschieden hat.
Weitgehend in Übereinstimmung mit der Bezirkshauptmannschaft xx war hinsichtlich der Strafhöhe festzuhalten:
Die Beschuldigte bezieht ein Einkommen von ca S 8.000,-- monatlich. Sie hat kein Vermögen, aber auch keine Sorgepflichten.
Der Schutzzweck der verletzten Gesetzesbestimmung des §4 Abs1 lita StVO 1960 wurde erheblich beeinträchtigt. Diese Gesetzesbestimmung soll nämlich die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche nach einem Verkehrsunfall dahingehend erleichtern, daß die unfallbeteiligten Fahrzeuglenker ohne unnötigen Aufwand klarstellen können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensreglung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (VwGH 19.12.1975, 2085/74). Die Beschuldigte hat jedoch ihre Fahrt ohne anzuhalten fortgesetzt.
Entgegen der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft liegt der Milderungsgrund einer geständigen Verantwortung offenbar nicht vor, wohl aber jener einer verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit. Erschwerend ist kein Umstand.
Bei der Festsetzung der Strafe ist noch darauf Rücksicht zu nehmen, daß auch die Allgemeinheit von der Begehung einer gleichgelagerten Straftat abgehalten werden soll.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Berufungsbehörde der Ansicht, daß die verhängte Strafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) schuld- und tatangemessen ist. Dies umsomehr als sich diese Strafe im unteren Bereich des vom Gesetz vorgesehenen Strafrahmens (Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,--/Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu 6 Wochen) hält.
Für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat sind an Kosten 20 % der in I Instanz verhängten Strafe, somit S 300,-- angefallen.
Zu Teil 2) des bekämpften Straferkenntnisses:
Wie bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung des Unabhängigen Verwaltungssenates erhoben wurde, handelt es sich bei dem dem Unfallsort nächstgelegenen Gendarmerieposten um den Gendarmerieposten D. Dieser ist jedoch über Nacht geschlossen.
Dazu ist festzuhalten, daß der Lenker eines Unfallfahrzeuges die dem Unfallort nächstgelegene Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall verständigen muß (VwGH 15.6.1984, 84/02A/0152). Wenn nach einem Unfall in der Nacht die Meldung erst am nächsten Morgen bei der Gendarmerie erstattet wird, weil diese über Nacht gesperrt war, ist dies rechtzeitig (VwGH 24.9.1970, 707/69).
In dieser Hinsicht hat der Zeuge A D glaubwürdig dargestellt, daß die Beschuldigte sehr wohl die Absicht hatte, am nächsten Morgen die Gendarmerie vom Verkehrsunfall zu verständigen. Der zuständige Gendarmerieposten D war jedoch über Nacht geschlossen.
In dieser Hinsicht steht aber somit fest, daß die Beschuldigte die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, da sie entsprechend ihrer Verteidigung noch am nächsten Morgen melden und ihre Verpflichtung nach §4 Abs5 StVO 1960 rechtzeitig hätte erfüllen können.
Gemäß §45 Abs1 Z2 VStG hat die Behörde aber von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.