Der BW war mit Straferkenntnis für schuldig erkannt worden, weil er die Straße und den darüber befindlichen Luftraum durch Aufstellen eines Tapezierertisches mit Werbematerial sowie eines Mikrophones mit Verstärkern im Ausmaß von 0,7 x 0,25 m ohne die erforderliche Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe. Er wendete in der Berufung dagegen ein, es habe sich um die Abhaltung einer Versammlung gehandelt, welche der Behörde rechtzeitig angezeigt worden sei. Im Rahmen der Versammlung seien als technische Hilfsmittel Tapezierertisch und Mikrophon mit Verstärkeranlage aufgestellt gewesen. Der UVS gab der Berufung Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gem §45 Abs1 Z1 VStG ein.
Der Wiener Magistrat, Magistratisches Bezirksamt für den 1/8
Bezirk, hat am 20.11.1991, zZl: MBA 1/8 - S/4018/91, betreffend
Herrn B, ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch gefällt:
"Sie haben am 2.5.1991 um 16.45 Uhr die Straße und den darüber befindlichen Luftraum in Wien 1, Schottentorpassage nächst Aufgang zur Universität durch Aufstellen eines Tapezierertisches mit Werbematerial sowie eines Mikrophones mit Verstärkern im Ausmaß von 0,70 m x 0,25 m ohne die erforderliche Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benützt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§99 Abs3 litd iVm §82 Abs1 StVO 1960.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von S 500,-, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden, gemäß §99 Abs3 litd StVO 1960 in der derzeit geltenden Fassung.
Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
S 50,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 550,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Aufgrund der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wird gemäß § 66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG, BGBl Nr 51/1991) das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif2 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG, BGBl Nr 52/1991) eingestellt.
Demnach entfällt der erstinstanzliche Kostenbeitrag. Gemäß §65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Begründung:
Der Berufungswerber wendet ein, die Grüne Alternative Wien habe für diesen Tag die Abhaltung einer Versammlung in der Schottenpassage von 14.00 Uhr bis 19.00 Uhr nach §2 Versammlungsgesetz angezeigt, eine telefonische Irrtumsberichtigung (Schottenpassage statt Praterstern) sei von der Bundespolizeidirektion Wien akzeptiert worden. Die angezeigte Versammlung (Inhalt: Volksbefragung zur EXPO und Staustufe Wien) sei dann auch durchgeführt worden, als technisches Hilfsmittel sei auch ein Tapezierertisch aufgestellt gewesen. Dennoch habe es sich dabei um eine politische Versammlung mit wechselnder Teilnehmerzahl gehandelt (bis zu 50), die von der Grünen Alternative Wien korrekt angezeigt worden sei. Vom Fehlen der erforderlichen Bewilligung könne also aus seiner Sicht keine Rede sein.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12.3.1988, B 926/87, zur Frage der Bewilligungspflicht einer solchen Versammlung gemäß §82 StVO 1960 folgendes ausgeführt:
"Eine Versammlung ist das Zusammenkommen von Menschen (auch auf Straßen) zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere; keine Versammlung ist das bloß zufällige Zusammentreffen von Menschen. Die Benützung einer Straße zur Durchführung einer Versammlung im vorhin geschilderten engeren Sinn unterliegt also nicht der Bewilligungspflicht nach §82, sondern nur der Anzeigepflicht nach dem Versammlungsgesetz und allenfalls nach §86. Die Versammlungsbehörde ist verhalten, bei Beurteilung der Frage, ob sie die Versammlung nach §6 leg cit zu untersagen hat, auch auf die Interessen des Straßenverkehrs Bedacht zu nehmen und diese gegen das Interesse des Veranstalters an der Durchführung der Versammlung angemessen abzuwägen. Wenn der Veranstalter einer Versammlung (im hier gemeinten engeren Sinn) wegen Verletzung des §82 Abs1 iVm §99 Abs3 litd bestraft, wurde, läge eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Versammlungsfreiheit vor. Der Umstand allein, daß ein Informationsstand verwendet wurde, spricht weder für noch gegen die Annahme einer Versammlung: Einerseits kann im Rahmen einer Versammlung auch ein (Informations-)Tisch als "Versammlungsmobiliar" benützt werden; dies bedarf dann keiner behördlichen Bewilligung..."
Schon aus der Anzeige ergibt sich, daß die gegenständliche Veranstaltung nach den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes angemeldet war; für die Annahme, daß sie untersagt worden wäre, gibt hingegen die Aktenlage nichts her. Der verwaltungsbehördliche Umgang mit derartigen grundlegenden Rechten schließt diese Annahme sogar aus. Unter diesen Umständen ist der Berufungswerber daher mit seiner Annahme im Recht, daß eine zusätzliche Bewilligung nach §82 StVO 1960 entbehrlich war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.