TE UVS Niederösterreich 1992/03/13 Senat-BN-91-014

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Veröffentlicht am 13.03.1992
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Spruch

I.

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, hinsichtlich des Deliktes 1 des angefochtenen Straferkenntnisses (Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit im Ortsgebiet) nicht Folge gegeben.

 

Der diesbezügliche Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wird aber insoweit abgeändert, als der Ort der Übertretung wie folgt zu lauten hat: T, LH xx, von P kommend, auf Höhe des Hauses Nr 51.

 

II.

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, hinsichtlich des Deliktes 2 des angefochtenen Straferkenntnisses (Nichterfüllung der Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang behoben und diesbezüglich die Einstellung des Strafverfahrens gemäß §45 Abs1 Z1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, verfügt.

 

III.

Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §64 Abs1 und 2 VStG werden die Kosten für das Verfahren erster Instanz auf S 30,-- herabgesetzt. Der Berufungswerber hat überdies gemäß §64 Abs1 und 2 VStG dem Land NÖ als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 60,-- binnen 2 Wochen zu zahlen.

Text

In dem angefochtenen Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft xx über den Beschuldigten Geldstrafen von je S 300,-- verhängt, weil dieser am 9. Jänner 1991 in T auf der LH xx auf Höhe des Hauses Nr 45 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten habe (64 km/h) und er überdies seiner Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes nicht nachgekommen wäre. Zusätzlich wurde noch die Tragung der Verfahrenskosten in Höhe von S 60,-- vorgeschrieben.

 

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung des Beschuldigten mit dem Vorbringen, daß er lediglich 52 km/h gefahren wäre, darüberhinaus sei er seiner Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gurtes sehr wohl nachgekommen. Die Aussagen der Zeugen entsprechen daher nicht der Wahrheit.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat als Berufungsbehörde in Entsprechung der Bestimmung des §51e VStG am 5. März 1992 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der sowohl der Beschuldigte als auch die Zeugen von der Berufungsbehörde einvernommen wurden.

 

Der Beschuldigte blieb bei seiner bisherigen Verantwortung, wonach er nicht die ihm angelasteten 64 km/h, sondern nur 52 km/h im Ortsgebiet gefahren wäre. Die exakte Geschwindigkeit hätte er durch Ablesen vom Tachometer festgestellt. Überdies habe ca 3 Wochen vor diesem Vorfall im Rahmen einer Fahrzeugüberprüfung (Service) auch eine Überprüfung des Tachometers durch einen Mechaniker stattgefunden. Weiters habe er bei der genannten Fahrt sehr wohl den Sicherheitsgurt verwendet.

 

Als Zeugen wurden die Gendarmeriebeamten Oblt E, Rev Insp G II und Rev Insp Z einvernommen.

 

Die Zeugen Oblt E und Rev Insp G II haben nach deren Angaben Dienst beim Radargerät versehen und die Displayanzeige im Wageninneren des Meßwagens (Zivilfahrzeug) überwacht. Dabei hätten sie bei Vorbeifahrt des Beschuldigtenfahrzeuges eindeutig eine Geschwindigkeit von 64 km/h abgelesen. Eine Verwechslungsgefahr mit anderen Fahrzeugen habe aufgrund der geringen Verkehrsdichte nicht bestanden. Auch wäre das Meßgerät entsprechend der Betriebsvorschrift montiert und betrieben worden.

 

Der Zeuge Rev Insp G II führte weiters aus, daß die Messung laut Protokoll nicht auf Höhe des Hauses Nr 45, sondern auf Höhe des Hauses Nr 51 stattgefunden habe.

 

Der Zeuge Rev Insp Z konnte lediglich Wahrnehmungen über die Nichtverwendung des Sicherheitsgurtes machen, bereits bei Annährung des Beschuldigtenfahrzeuges habe er zweifelsfrei sehen können, daß der Beschuldigte den Gurt nicht verwendet hat und diesen auch nach der Amtshandlung bei der Weiterfahrt nicht verwendete.

 

Als weiteres Beweismittel wurde der vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen am 20. März 1990 ausgestellte Eichschein für das verwendete Radargerät berücksichtigt. Auf Grund dieses Eichscheines läuft die gesetzliche Nacheichfrist am 31. Dezember 1993 ab.

 

Die aufgenommenen Beweise hat die Berufungsbehörde wie folgt gewürdigt:

 

Die von den beiden Gendarmeriebeamten, die die Geschwindigkeitsübertetung im Überwachungsfahrzeug wahrgenommen haben, getätigten Aussagen sind glaubwürdig und widersprechen einander in keinem Punkt. Es liegen auch sonst keine Umstände vor, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussagen aufkommen lassen. Weiters ist durch den Eichschein bewiesen, daß das verwendete Radarmeßgerät einerseits geeicht ist und andererseits die Nacheichfrist zum Deliktszeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Die Verwendung des Radarmeßgerätes war somit zulässig.

 

Zur Aussage des Beschuldigten hingegen, daß die ihm angelastete Geschwindigkeitsübertretung nicht vorliege, muß festgestellt werden, daß hier sehr wohl gravierende Umstände die Glaubwürdigkeit erschüttern.

 

Zunächst ist zu erwähnen, daß der Beschuldigte im gesamten Verfahren erster Instanz als auch vor der Berufungsbehörde erklärte, er sei lediglich 52 km/h gefahren. Es ergibt sich für die Berufungsbehörde die Frage, wie ein Fahrzeuglenker die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit mit einer derartigen Exaktheit ermitteln kann. Zwar gab der Beschuldigte im Rahmen seiner Vernehmung an, er habe die Geschwindigkeitsermittlung durch Ablesen vom Tachometer festgestellt, doch ist ein derartig präzises Ablesen bei Tachometern herkömmlicher Art (Volumsanzeige) kaum möglich. Selbst für den Fall, daß die Volumsanzeige eine ausreichend präzise Unterteilung hätte, darf nicht übersehen werden, daß Tachometer bei den im Handel erhältlichen Serienfahrzeugen nicht geeicht sind. Eine wirklich exakte Geschwindigkeitsermittlung ist somit nicht möglich. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß laut Beschuldigtenvorbringen der Tachometer ca 3 Wochen vor dem Deliktszeitpunkt durch einen Mechaniker überprüft worden wäre. Ein problemloses und wirklich exaktes Ablesen der eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit ist nach Ansicht der Berufungsbehörde nur bei geeichten Tachometern mit Digitalanzeige möglich.

 

Ein weiterer nicht zu übersehender Schwachpunkt in der Beschuldigtenverantwortung ist der Umstand, daß die Geschwindigkeitsüberwachung mit einem Zivilfahrzeug durchgeführt wurde und daher der Beschuldigte gar nicht wußte, wo die Überwachung stattgefunden hat. Wenn der Beschuldigte aber gar nicht weiß wo er gemessen wurde, kann er logischerweise auch nicht glaubhaft darlegen, daß er gerade an dieser Straßenstelle eine bestimmte Geschwindigkeit eingehalten hat. Er hätte nämlich genau an der Überwachungsstelle den Tachometer ablesen müssen.

 

Aufgrund all dieser Überlegungen gelangt daher die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsübertretung tatsächlich begangen hat.

 

Zur Korrektur des Bescheidspruches (Tatort) ist folgendes festzustellen: Laut Aussage des Zeugen Rev Insp G II erfolgte die Geschwindigkeitsüberwachung in T auf der LH xx auf Höhe des Hauses Nr 51 und nicht auf Höhe des Hauses Nr 45. Gemäß §66 Abs4 AVG ist die Berufungsbehörde lediglich befugt "in der Sache" zu entscheiden, es darf daher Gegenstand der Berufungsentscheidung lediglich jene Angelegenheit sein, die auch von der Erstbehörde behandelt wurde. Untrennbar mit dieser Frage ist die Bestimmung des §44a Z1 VStG zu sehen, wonach der Spruch eines Strafbescheides die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Dieser Vorschrift ist ua dann entsprochen, wenn der Spruch geeignet ist, den Beschudigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Die Entfernung vom richtigen Tatort (auf Höhe des Hauses Nr 51) zum irrtümlich angelasteten Tatort (auf Höhe des Hauses Nr 45) ist minimal und liegt daher der irrtümlich angelastete Tatort noch im unmittelbaren Nahbereich zum richtigen Tatort. Aus diesem Grunde vertritt die Berufungsbehörde die Rechtsansicht, daß durch eine Korrektur des Tatortes der Gegenstand der erstbehördlichen Entscheidung keine Änderung erfährt und der Beschuldigte durch die Abänderung nicht Gefahr läuft, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Hinsichtlich der Bemessung der Strafhöhe für diese Übertretung ließ sich die erkennende Behörde von folgenden Gesichtspunkten leiten:

 

Gemäß §19 Abs1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Weiters haben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen Berücksichtigung zu finden.

 

Unter diesen Prämissen ist die vom Beschuldigten begangene Verwaltungsübertretung (Geschwindigkeitsübertretung im Ausmaß von 14 km/h über der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h) grundsätzlich als mittelstarke Schädigung bzw Gefährdung derjeniger Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, zu bewerten. Die Berufungsbehröde verkennt aber keineswegs, daß unter gewissen Voraussetzungen, die jedoch im gegenständlichen Fall nicht vorliegen, auch eine Geschwindigkeit von lediglich 64 km/h im Ortsgebiet eine erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen kann.

 

Als mildernd konnte kein Umstand gewertet werden, da mehrere Verwaltungsvorstrafen gegen den Beschuldigten vorliegen. Erschwerend ist hingegen eine einschlägige Vormerkung wegen Übertretung der höchstzulässigen Geschwindigkeit aus dem Jahre 1990.

 

Die Höchststrafe für das zur Last gelegte Delikt beträgt gemäß §99 Abs3 StVO 1960 S 10.000,--.

 

Nach eigenen Angaben des Beschuldigten beträgt sein Einkommen ca S 12.000,-- monatlich netto und verfügt er über kein Vermögen. Entgegen der Annahme des Beschuldigten vertritt die Berufungsbehörde jedoch die Meinung, daß für eine Lebensgefährtin und deren Sohn grundsätzlich keine Unterhaltspflicht besteht und wird somit von der Berufungsbehörde der Strafbemessung das Fehlen einer Sorgepflicht zugrunde gelegt.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in Höhe von S 300,-- in keiner wie immer gearteten Form als überhöht anzusehen ist und scheidet daher jede Herabsetzung aus.

 

Zum zweiten im angefochtenen Straferkenntnis dem Beschuldigten angelasteten Delikt vertritt die Berufungsbehörde folgende Meinung:

 

Die Erstbehörde hat als Tatort für die Unterlassung des bestimmungsgemäßen Gebrauches des Sicherheitsgurtes die LH xx in T bei Haus Nr 45 angenommen. Dies ist jedoch insofern unrichtig, als an diesem Standort von niemandem die zur Last gelegte Übertretung wahrgenommen wurde sondern dies erst durch den anhaltenden Gendarmeriebeamten einige hundert Meter weiter. Die Erstbehörde hat somit hinsichtlich dieses Deliktes den Ort der Übertretung unrichtig angegeben und stellt sich daher für die Berufungsbehörde abermals die Frage, ob diese Mangelhaftigkeit einer Sanierung zugänglich ist oder lediglich mit einer Behebung vorgegangen werden kann.

 

Dem Konkretisierungsgebot des §44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem §44a Z1 VStG genügt oder nicht.

 

Wenngleich nach Angabe der Zeugen (zwei Gendarmeriebemate im Radarmeßwagen) die Anhaltung noch im Sichtbereich erfolgte, so kann der Anhalteort nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht als unmittelbarer Nahbereich für jene Stelle gesehen werden, hinsichtlich der von der Erstbehörde der Tatvorwurf erfolgte (auf Höhe des Hauses Nr 45). Eine allfällige Korrektur des Tatortes würde nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht gewährleisten, daß der Beschuldigte wegen desselben Verhaltens nicht nochmals zur Verantwortung gezogen würde. Die Berufungsbehörde würde somit im Falle einer Korrektur in einer "anderen" Sache entschieden, was ihr jedoch aufgrund der Bestimmung des §66 Abs4 AVG verwehrt ist.

 

Da aus den genannten Gründen die Richtigstellung des Bescheidspruches nicht möglich ist und andererseits keine stichhaltigen Beweise vorliegen, daß der Beschuldigte auch auf Höhe des Hauses Nr 45 auf der LH xx in T den Sicherheitsgurt nicht verwendet hat, war das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des zweiten Deliktes zu beheben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Die Kostenentscheidung begründet sich auf die genannten Gesetzesstellen. Danach sind für das Verfahren erster Instanz 10 % der verhängten Strafe und im Falle einer Bestätigung des Straferkenntnisses weitere 20 % für das Berufungsverfahren zu entrichten. Das angefochtene Straferkenntnis wurde hinsichtlich des Deliktes 2 behoben, sodaß als Berechnungsbasis für die Verfahrenskosten erster Instanz lediglich die verhängte und von der Berufungsbehörde bestätigte Strafe für das Delikt 1 heranzuziehen ist. Daher waren die ursprünglich vorgeschriebenen Kosten von S 60,-- für das Verfahren erster Instanz auf S 30,-- zu reduzieren. Durch die Bestätigung des Spruches hinsichtlich des Deliktes 1 sind weitere 20 % des Strafbetrages von S 300,--, somit S 60,-- für das Berufungsverfahren vom Beschuldigten zu tragen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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