Die Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, in Verbindung mit §63 Abs3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft xx über Herrn H eine Geldstrafe in Höhe von S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt und überdies die Tragung der Verfahrenskosten in Höhe von S 80,-- ausgesprochen, weil Herr H am 3.7.1991 um 17,45 Uhr in T auf der B xx nächst Streckenkilometer 22 in Fahrtrichtung O ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet ist, links überholt hat.
Dieses Straferkenntnis wurde am 12. November 1991 durch Hinterlegung zugestellt.
Innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist hat der Beschuldigte an die Bezirkshauptmannschaft xx ein mit 19.11.1991 datiertes Schreiben gerichtet, in welchem als Betreff "Berufung gegen Straferkenntnis, Zl xx" angegeben ist und als Begründung ausgeführt wird, daß in Folge von Divergenzen zwischen der Strafverfügung und dem Straferkenntnis um Aktenübersendung an das Bezirkspolizeikommissariat xx ersucht werde, damit Abschriften bzw Kopien angefertigt werden können, welche zur genauen Beurteilung und Stellungnahme benötigt werden.
In einem weiteren Schreiben, bei der Erstbehörde eingelangt am 29.1.1992, wird im Detail auf das angefochtene Straferkenntnis eingegangen.
Die Berufungsbehörde hat im Wege des Parteiengehör dem Berufungswerber mitgeteilt, daß das Schreiben vom 19.11.1991 lediglich ein Antrag auf Aktenübersendung wäre, die eigentliche Berufung selbst (zur Post gegeben am 28.1.1992) jedoch verspätet wäre und daher die Zurückweisung der eingebrachten Berufung beabsichtigt ist.
Hiezu nahm der Beschuldigte mit Schreiben vom 4.3.1992 dahingehend Stellung, daß das ursprüngliche Schreiben vom 19.11.1991 bereits alle notwendigen Bestandteile einer Berufung enthalte. Eine fundierte Begründung wäre jedoch ohne Aktenstudium nicht möglich gewesen und hätte die Möglichkeit zur Akteneinsicht rund zwei Monate benötigt. Weiters habe er am Bezirkspolizeikommissariat in xx Wien eine Erklärung unterschrieben, in der er zur Kenntnis genommen habe, daß spätestens nach 14 Tagen ab dem Zeitpunkt der Kopienübernahme eine genau begründete Berufung erfolgen müsse. Diese Frist wäre auch eingehalten worden, weshalb keine Fristversäumnis vorliege.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ als Berufungsbehörde wie folgt erwogen:
Gemäß §63 Abs3 AVG hat eine Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen die sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Hinsichtlich dieses begründeten Berufungsantrages ist sowohl nach Lehre auch als Judikatur bei der Auslegung kein strenger Maßstab anzulegen, zumal dem Geist des AVG ein übertriebener Formalismus fremd ist. Mindestvoraussetzung ist aber dennoch, daß die Auffassung des Berufungswerbers wenigstens erkennbar ist. Dies bedeutet, daß die Berufung wenigstens erkennen lassen muß, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (VwGH 15.2.1978, 67/78, 20.1.1981 Slg 10343A, 20.3.1984, 83/04/0312, 4.7.1985, 85/08/006, 19.12.1985, 85/02/0125, 15.4.1986, 85/05/0179 ua). Der Berufungswerber hat somit in der Berufung sein angestrebtes Ziel darzulegen (gänzliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides oder Abänderung desselben) und überdies jene Gründe darzulegen, mit denen er seinen Standpunkt zu vertreten können glaubt (Angabe jener konkreten Umstände, aus denen der Berufungswerber die Unrichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides blickt).
Auf den konkreten Fall angewendet bedeutet dies, daß das Schreiben des Beschuldigten vom 19.11.1991 im Betreff lediglich den Hinweis auf eine Berufung gegen ein konkretes Straferkenntnis enthält, in der Begründung wird hingegen lediglich auf Divergenzen zwischen der Strafverfügung und dem Straferkenntnis hingewiesen und um Aktenübersendung zwecks Anfertigung von Kopien ersucht.
Nach Ansicht der Berufungsbehörde ist diesem Schreiben auch bei großzügigster Interpretation nicht im mindesten zu entnehmen, was der Beschuldigte anstrebt (zB Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses) und in welchen konkreten Umständen er die Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses erblickt.
Aus diesem Grunde hat die Berufungsbehörde zunächst dieses Schreiben lediglich als Antrag auf Aktenübersendung und erst das am 28.1.1992 zur Post gegebene und am folgenden Tag bei der Erstbehörde eingelangte Schreiben als Berufung gewertet.
Dieser Umstand wurde im Rahmen des Parteiengehörs dem Berufungswerber zur Kenntnis gebracht und hat dieser mit Schreiben vom 4.3.1992 konkret dargelegt, daß er bereits das Schreiben vom 19.11.1991 als Berufung ansehe und das am 29.1.1992 bei der Erstbehörde eingelangte Schreiben lediglich eine fundierte Begründung für die ursprünglich bereits eingebrachte Berufung darstellt.
Rechtlich ist dies wie folgt zu beurteilen:
Durch die nun im Rahmen des Parteiengehörs vom Berufungswerber ausdrücklich erfolgte Offenlegung des Parteiwillens ist nun davon auszugehen, daß der Beschuldigte bereits sein Schreiben vom 19.11.1991 als Berufung deklariert und das Ende Jänner 1992 nachgereichte Schreiben lediglich eine ausführliche Begründung hiezu enthält. Wie bereits vorhin dargelegt, hat eine Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten und kann dem genannten Schreiben vom 19.11.1991 auch bei tolerantester Auslegung derartiges nicht entnommen werden.
Die Notwendigkeit eines begründeten Berufungsantrages stellt jedoch ein wesentliches Merkmal einer Berufung dar und kann das Fehlen eines derartigen Bestandteiles nicht im Wege eines Verbesserungsverfahrens (§13 Abs3 AVG) saniert werden. Eine Sanierung in diesem Sinne wäre nur dann möglich, wenn die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses keinen Hinweis auf die Notwendigkeit eines begründeten Berufungsantrages enthielte (VwGH 23.10.1986, 86/02/0099).
Aufgrund all dieser Umstände war daher die mit Schreiben vom 19.11.1991 eingebrachte Berufung zurückzuweisen, da der begründete Berufungsantrag erst in dem Ende Jänner 1992 eingebrachten Schreiben enthalten ist und dieser Zeitpunkt bereits nach Ablauf der Berufungsfrist liegt. Auch diese Rechtsmeinung der Berufungsbehörde steht im Einklang zu der zu dieser Thematik ergangen Judikatur (VwGH 12.12.1969 Slg 7697A).
Zum Vorbringen des Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs, wonach die Möglichkeit zur Einsicht in den Akt ca 2 Monate gedauert habe und er dafür nichts könne, ist folgendes festzustellen: Die Berufungsfrist von zwei Wochen ist gesetzlich festgelegt (§63 Abs5 AVG) und kann diese Frist weder auf Antrag noch von amtswegen abgeändert werden. Eine allfällige Verzögerung durch eine gewünschte Akteneinsicht kann daher eine Fristverlängerung nicht bewirken. Sollte tatsächlich jemand zur Ausführung eines Rechtsmittels die Einsichtnahme in den betreffenden Akt benötigen, so steht dem Betreffenden schließlich die Möglichkeit zur direkten Einsichtnahme bei der Behörde offen. Wenn aber jemand davon nicht Gebrauch macht und eine Aktenübersendung an eine seinem Wohnsitz näher gelegene Behörde beantragt, so geht der zusätzliche Zeitaufwand zu seinen Lasten.
Ebenso wird noch in diesem genannten Schreiben darauf hingewiesen, daß der Beschuldigte beim Bezirkspolizeikommissariat in xx Wien eine Erklärung unterschrieben habe, wonach er zur Kenntnis genommen habe, daß er spätestens nach 14 Tagen ab dem Zeitpunkt der Kopienübernahme eine genau begründete Berufung einbringen müsse.
Wie bereits erwähnt, ist die zweiwöchige Berufungsfrist kraft Gesetz vorgegeben und nicht verlängerbar. Es kann daher auch eine allfällige unrichtige Belehrung durch eine Behörde eine Fristverlängerung nicht begründen. Aus diesem Grunde erübrigt es sich auch zu prüfen, ob tatsächlich von dem vorhin genannten Bezirkspolizeikommissariat eine unrichtige Belehrung erteilt wurde.