TE UVS Steiermark 1992/04/02 20.3-1/92

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Veröffentlicht am 02.04.1992
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Steiermark hat über die Beschwerde des Herrn B. L., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. U. O. D., G., wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe- hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dadurch, "daß am 27.1.1992 die Abnahme der Privatkleidung, der Zeitungen, der Privatpost, des Zivil- und Strafaktes des Beschwerdeführers, die Untersagung des Kontaktes mit dem Verteidiger Dr. S. und die Untersagung der Bewegung im Freien" erfolgte, wie folgt entschieden:

Die Beschwerde wird gemäß § 67 c Abs 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) als unzulässig zurückgewiesen.

Text

I. In der am 3.2.1992 eingelangten Beschwerde wird unter dem Rubrum "Sachverhalt" und "Begründung" nachfolgendes vorgebracht: "Der Beschwerdeführer ist seit 25.10.1991 in Untersuchungshaft beim Landesgericht für Strafsachen Graz. Das Strafverfahren läuft gegen ihn wegen §§ 223 Abs 2, 224, 146, 147 Abs 1 Ziffer 1 und Abs 3 StGB. Zunächst wurde der Kontakt zu seinen Verteidigern, Dr. T. K. und Dr. U. D., durch die gesetzlich längstmögliche Frist durch den Untersuchungsrichter kontrolliert. Obwohl sämtliche Unterlagen der Stern-Dent-Betriebs- und Vermögensberatungsges.m.b.H., deren Angestellter der Beschwerdeführer war, gleichzeitig mit der Verhaftung des Beschwerdeführers beschlagnahmt wurden, wurde trotzdem der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, der Fluchtgefahr und der Verabredungsgefahr angenommen. Die Untersuchungshaft dauert nunmehr seit über 4 Monaten an, die Staatsanwaltschaft Graz ist nicht in der Lage eine Anklageschrift fertigzustellen. Im Rahmen der Untersuchungshaft kommt es wiederholt zu Verstößen sowohl gegen die innerstaatliche österreichische Rechtsordnung als auch gegen die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention. Soweit diese Verstöße durch Beschwerden an die Anstaltsleitung, an den Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und ans Justizministerium bekämpft werden können, werden sie dort bekämpft. Gegen faktische Amtshandlungen ist jedoch eine Bekämpfung bei diesen Stellen nicht zielführend. Wohl aber ist die Bekämpfung von faktischen Amtshandlungen auch im Rahmen der Untersuchungshaft an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Steiermark zulässig. Daneben werden noch Beschwerden an den Europäischen Gerichtshof in Straßburg erhoben werden.

 

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen folgende faktische Amtshandlungen von Organen des lg. Gefangenenhauses des Landesgerichtes für Strafsachen Graz:

 

Am 27.1.1992 wurde der Beschwerdeführer wegen Selbstmordgefährdung ausgezogen, die ihm bereits übergebene Post seiner Frau sowie die Zeitungen weiters sein Zivil- und Strafakt wurden ihm abgenommen, der Rechtsanwaltsanwärter Dris. K., Dr. S., welcher seine Verteidigung mit ihm bespricht, wurde trotz Bewilligung des Untersuchungsrichters der Verteidigerbesuch in den Amtsstunden verwehrt, obwohl er mit dem Beschwerdeführer wegen einer auslaufenden Frist für eine Haftbeschwerde und sonstige Rechtsmittel dringend besprechen mußte. Danach wurde dem Beschwerdeführer Anstaltskleidung angezogen und wurde er in eine 'Gummizelle' verlegt. Die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde richtet sich nicht gegen allenfalls gerechtfertigte Maßnahmen wegen Selbstmordgefährdung, sondern wegen Schikanen, welche damit begründet wurden, welche gesetzlich und medizinisch jedoch nicht gedeckt sind.

 

Die oben angeführten Handlungen sind auch durch eine Selbstmordgefährdung des Beschwerdeführers nicht zu erklären. Wie in einer am gleichen Tag überreichten Beschwerde ausgeführt wurde, ist der Beschwerdeführer vor den Vorfällen am 27.1.1992 abgesondert in einer feuchten Kellerzelle verwahrt worden. Falls diese Verwahrung nun zu Selbstmordgedanken geführt hat, ist dies nicht unbedingt dem Beschwerdeführer anzurechnen. Die daraufhin von der Gefangenenhausverwaltung gesetzten Maßnahmen sind jedoch nicht durch den Schutz des Beschwerdeführers gegen Selbstmordabsichten zu erklären, sondern sind gesetzlich nicht gedeckte Repressionsmaßnahmen und wurden dadurch gesetzlich gewährleistete Rechte des Beschwerdeführers verletzt.

 

Die Untersagung des durch den Untersuchungsrichter genehmigten Besuches seines Verteidigers ist gesetzwidrig.

 

Eine Begründung dafür, warum unhygienische Anstaltskleidung eher einen Selbstmord verhindert als die Privatkleidung ist nicht gegeben, da ohnedies aus der Privatkleidung auch Gürtel und Schuhriemen entfernt wurden. Ein Privatpullover und eine private Wäsche ist um nichts mehr oder weniger selbstmordbegünstigend als die gleiche Anstaltskleidung. Auf Grund gesundheitlicher Probleme muß der Beschwerdeführer täglich frische Wäsche anziehen und hat durch die Anstaltskleidung einen Juckreiz am gesamten Körper erhalten.

 

Die Wegnahme des Aktes, welche erst nach einem Einschreiten des Untersuchungsrichters Dr. W. wieder ausgefolgt wurde, stellt ebenfalls eine nicht gerechtfertigte faktische Amtshandlung dar. Dasselbe gilt für die private Post und Zeitungen.

 

Der Entzug der Möglichkeit sich im Freien zu bewegen ist eine ausdrückliche Verletzung des § 103 Ziffer 1a Strafvollzugsgesetz."

 

II.1. Gemäß § 67 c Abs 3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist.

 

Soweit der Beschwerdeführer einen rechtswidrigen Verwaltungsakt darin erblickt, daß die Abnahme der Privatkleidung, Zeitungen und die Untersagung der Bewegung im Freien am 27.1.1992 durch die Anordnung der Verwaltung des Gefangenenhauses erfolgte, sind diesem Vorbringen die §§ 120 ff Strafvollzugsgesetz (StVG) entgegenzuhalten, wonach der Gesetzgeber hiezu einen eigenen Rechtszug eingerichtet hat. Gemäß § 120 Abs 1 StVG können sich Strafgefangene gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Der § 121 Abs 1 StVG normiert, daß über derartige Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen der Anstaltsleiter zu entscheiden hat. Richtet sich die Beschwerde gegen den Leiter eines gerichtlichen Gefangenenhauses oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugsoberbehörde zu; richtet sie sich gegen den Leiter einer Strafvollzugsanstalt oder gegen dessen Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, dem Bundesministerium für Justiz.

 

Es wäre somit dem Beschwerdeführer gemäß §§ 119 ff StVG gestattet und auch ohne weiteres zumutbar, im Wege geeigneter Ansuchen und Beschwerden die Erlassung von Bescheiden (über seine in den § 186 Abs 2 Strafprozeßordnung (StPO), § 39 StVG - Abnahme der Privatkleidung - § 43 StVG - Untersagung der Bewegung im Freien und - § 60 StVG - Abnahme der Zeitungen - gründenden Anliegen) zu erwirken (Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom 12.6.1987, G 108/87 bzw des Verwaltungsgerichtshofes vom 8.4.1987, 86/01/0040).

 

Voraussetzung einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist aber, daß keine Möglichkeit der administrativen Bekämpfung besteht. Da dies in concreto vorgesehen ist, war die Beschwerde mangels Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zurückzuweisen.

 

2. Wenn der Beschwerdeführer durch die Abnahme der Privatpost, des Zivil- und Strafaktes und der Untersagung des Kontaktes mit dem Verteidiger Dr. S. am 27.1.1992 eine Ausübung einer unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt sieht, wird auf den § 188 Abs 1 StPO verwiesen. Gemäß dieser Gesetzesstelle steht die Entscheidung darüber, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung des Briefverkehrs und der Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt (§ 86 bis 100 des StVG) beziehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, dem Untersuchungsrichter zu.

 

Derartige Maßnahmen sind somit nicht dem "verwaltungsbehördlichen" Vollzug zuzuordnen, sondern im Rahmen des strafgerichtlichen Vollzuges einer Entscheidung zuzuführen. Eine Anrufung des Unabhängigen Verwaltungssenates ist daher in diesen Angelegenheiten von vornherein ausgeschlossen und es war daher die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen. Ebenso war den Anträgen auf Kostenersatz, die Einvernahme der Zeugen und Einholung der bezughabenden Akten des Landesgerichtlichen Gefangenenhauses Graz nicht stattzugeben.

Schlagworte
faktische Amtshandlung Gerichtsvollzug Unzuständigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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