TE UVS Niederösterreich 1992/04/07 Senat-WM-92-006

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Veröffentlicht am 07.04.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 lita des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit Straferkenntnis vom 29. November 1991, 14/            , wurde Frau G H folgende Tat zur Last gelegt:

"Sie haben es als zur Vertretung der Fa G H GesmbH nach außen Berufene (§9 VStG) zu verantworten, daß laut dienstlicher Wahrnehmung eines Sachbearbeiter für Lehrlings- und Jugendschutz von der Arbeiterkammer NÖ vom 29.04.1991 anläßlich einer Überprüfung der Filiale der genannten Gesellschaft in W N, xxplatz 10, der jugendliche Lehrling S G nur zum Schein in der bezeichneten Filiale angelmeldet wurde und vielmehr in Wirklichkeit in der Filiale xx Wien, xx Platz xx sowie xx   Wien, xxstraße xx beschäftigt wurde, wobei die nominierte Ausbildnerin für die Filiale W N bereits an zwei Standorten (Sxx-V, B) als Ausbildner bekanntgegeben wurde, sohin die Ausbildnerin ihrer gesetzlichen Verpflichtung, nämlich einer entsprechenden Betätigung im Betrieb, um eine ordnungsgemäße Ausbildung zu gewährleisten, im Standort W N nicht nachkommen könne".

Als Übertretungsnorm wurde angegeben:

§32 iVm §§3 und 20 (3) lita Berufsausbildungsgesetz BGBl Nr 142/1969 idgF

 

Auf Grund dessen wurde über die Beschuldigte eine Geldstrafe von S 6.000,-- gemäß §32 leg cit verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschuldigte durch Ihren Rechtsvertreter Berufung.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

§44a VStG bestimmt, daß der Spruch eines Straferkenntnisses unter anderem folgendes zu enthalten hat:

 

-

die als erwiesen angenommene Tat

-

die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist

-

die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung.

 

Im angefochtenen Bescheid sind diese zwingend erforderlichen Bestandteile eines Straferkenntnisses nicht enthalten. Folgende relevante Sachverhaltselemente können der Formulierung im Spruch entnommen werden:

 

-

der jugendliche Lehrling S G wurde nur zum Schein in der Filiale W N, xxplatz 10 angemeldet

-

die normierte Ausbildnerin für die Filiale W N wurde bereits an zwei Standorten (Sxx-V, B) als

Ausbildnerin bekanntgegeben

-

die Ausbildnerin ist ihrer gesetzlichen Verpflichtung, nämlich einer entsprechenden Betätigung im Betrieb, um eine ordnungsgemäße Ausbildung zu gewährleisten, im Standort

W N nicht nachgekommen.

 

Welche der angeführten Tatvorwürfe für die Beschuldigte zutreffen soll, ist aufgrund der getroffenen Formulierung und der Tatsache, daß auch die Begründung keine diesbezüglichen Anhaltspunkte gibt, unklar. Auch die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen bringen diesbezüglich keine Klarheit, da der §32 Berufsausbildungsgesetz lediglich allgemein zitiert wird, ohne eine Differenzierung der darin enthaltenen verschiedenen, völlig unterschiedlichen Delikte vorzunehmen.

 

Als Übertretungsnorm werden weiters die §§3 und 20 Abs3 lita Berufsausbildungsgesetz angeführt.

 

Nach §3 Abs1 hat der Lehrberechtigte mit der Ausbildung von Lehrlingen andere Personen, die in der Lage sind, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, unter anderem dann zu bestellen, wenn es sich bei den Lehrberechtigten um eine juristische Person handelt. Nach §3 Abs4 hat sich der Ausbilder im Betrieb entsprechend zu betätigen.

 

Beide Übertretungen lassen sich aber aus der getroffenen Formulierung im Straferkenntnis nicht ableiten, da diese vielmehr den Vorwurf enthält, am Standort W N, xxplatz 10, habe überhaupt keine Lehrlingsausbildung stattgefunden, sondern sei lediglich eine Scheinanmeldung erfolgt. Daher kann an diesem Standort auch die Verpflichtung zur Bestellung eines geeigneten Ausbilders nicht verletzt worden sein.

 

§20 Abs3 lita bestimmt, daß die Lehrlingsstelle die Eintragung eines Lehrvertrages mit Bescheid zu verweigern hat, wenn der Aufnahme des Lehrlings ein in diesem Bundesgesetz begründetes Hindernis entgegen steht.

 

Diese Bestimmung regelt eine Verpflichtung der Lehrlingsstelle und kommt daher als Übertretungsnorm nicht in Betracht.

 

Das angefochtene Straferkenntnis erhält somit zumindest drei verschiedene, sich teilweise ausschließende Deliktstypen, die überdies mit den angegebenen Übertretungsnormen teilweise in Widerspruch stehen. Da auch die angeführte Strafnorm nicht erkennen läßt, welche Verwaltungsübertretung dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, war der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verfahren überdies mangels konkreter, tatbezogener Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist einzustellen.

 

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß §51e VStG abzusehen.

 

Abschließend wird darauf hingewiesen, daß der Verfahrensakt keine konkreten Anhaltspunkte über die örtliche Zuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde für das gegenständliche Strafverfahren enthält.

 

Gemäß §27 Abs1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Die Tat wurde an jenem Ort begangen, in dem der Täter gehandelt hat oder handeln hätte sollen. Bei Unternehmen, die in Filialen gegliedert sind, ist nicht die jeweilige Filiale, sondern im Zweifel der Sitz des Unternehmens als jener Ort anzusehen, von dem aus die Geschäftsleitung zu handeln hat. Tatort ist daher in der Regel der Sitz des Unternehmens. Ob es sich bei der "Filiale" W N auch um den Sitz des Unternehmens handelt, kann dem Verfahrensakt nicht zweifelsfrei entnommen werden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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