TE UVS Wien 1992/05/06 03/12/686/92

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Veröffentlicht am 06.05.1992
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Betreff

Mit Straferkenntnis war der BW unter anderem schuldig erkannt worden, als Lenker eines KFZ die durch Verbotszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten zu haben, wobei er sich besonders rücksichtslos gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern verhalten habe.

Der UVS stellte fest, daß der BW mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h auf einer 3- bis 4-spurigen Stadtautobahn fuhr, wobei das morgendliche Verkehrsaufkommen schon deutlich nachgelassen hatte und keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorlag, aufgrund eines Übermüdungszustandes und der besonders hohen Geschwindigkeit aber Hinweise zur Tatbegehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen vorlagen.

Der UVS gab der Berufung insofern Folge, als §99 Abs2 litc StVO aus dem Schuldspruch zu entfallen haben und die Strafe nur nach §99 Abs3 lita StVO in geringerem Ausmaß bestätigt wurde.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Kurzmann über die Berufung des Herrn Hans S, vertreten durch Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat vom 17.2.1992, Zahl Pst 1130/Dt/91, wegen Übertretung 1) des §52 Z10a iVm §99 Abs2 litc StVO und 2) des §58 Abs1 StVO in öffentlich mündlicher Verhandlung am 6.5.1992 entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit einer Abänderung im Spruche zu Punkt 1) bestätigt.

Der Spruch zu Punkt 1) hat zu lauten:

"Sie haben am 26.2.1991, um 8.30 Uhr, in Wien, A XX in Höhe R, Fahrtrichtung A XY, als Lenker des KFZ mit dem Kennzeichen W-28 die durch Verbotszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: §52 Z10a StVO 1960 und wird deshalb gemäß §99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe von S 1.500,--, im Nichteinbringungsfalle 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Der erstinstanzliche Kostenbeitrag wird bezüglich Punkt 1) des Straferkenntnisses gemäß §64 Abs2 VStG mit S 150,-- festgesetzt."

Gemäß §65 VStG werden dem Berufungswerber zu Punkt 1) keine Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Dem Berufungswerber wird gemäß §64 Abs1 und 2 VStG zu Punkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 600,--, das sind 20 % der verhängten Strafe, auferlegt.

Text

Begründung:

Im angefochtenen Straferkenntnis wird dem Berufungswerber zur Last gelegt, am 26.2.1991 um 8.30 Uhr in Wien, A XX, in Höhe R, Fahrtrichtung A XY, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-28 1) die durch Verbotszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten zu haben, wobei er sich besonders rücksichtslos gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern verhalten hat, 2) das Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, obwohl sich der Berufungswerber nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befand (starke Übermüdung), in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermöge.

Dadurch wurden folgende Rechtsvorschriften verletzt: Zu 1) §99 Abs2 litc StVO in Verbindung mit §52 Z10a StVO und zu 2) §58 Abs1 StVO 1960.

Wegen dieser Übertretungen wurden folgende Strafen verhängt: Zu Punkt 1) eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Nichteinbringungsfalle 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe gemäß §99 Abs2 litc StVO und zu Punkt 2) eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Nichteinbringungsfalle 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960. In der rechtzeitig eingebrachten Berufung gegen das Straferkenntnis rügt der Berufungswerber Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz, bestreitet die Begehung der Übertretung nach §58 Abs1 StVO und rügt die Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung. Es wurde daher am 6.5.1992 eine öffentlich mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführt, zu der der Berufungswerber und sein Rechtsbeistand unentschuldigt nicht erschienen sind. Zur mündlichen Verhandlung erschienen die geladenen Zeugen, Revierinspektor Gernot K, der Meldungsleger, und Inspektor H.

In der Verhandlung gab der Meldungsleger, Revierinspektor K, an: "Ich war Lenker des Zivilstreifenkraftfahrzeuges und fuhr die A XX, Richtung A XY, auf dem mittleren von drei vorhandenen Fahrstreifen für meine Fahrtrichtung mit gleichbleibenden 80 km/h laut geeichtem Tachometer. Das morgendliche starke Verkehrsaufkommen hatte bereits spürbar nachgelassen. In Höhe R, unmittelbar vor dem Lärmschutztunnel, wurde der Streifenkraftwagen vom Fahrzeug des Berufungswerbers rechts mit beträchtlichem Geschwindigkeitsunterschied überholt. Unmittelbar nach dem Überholvorgang beschleunigte ich unter Verwendung von Blaulicht, das sich in den Scheinwerfern befindet, den Streifenkraftwagen auf 150 km/h und erst bei Erreichen dieser Geschwindigkeit blieb der Abstand zum Fahrzeug des Berufungswerbers annähernd gleich. Die Nachfahrt erfolgte ziemlich genau einen Kilometer bis zur Ausfahrt A. Nach der Ausfahrt konnte das Fahrzeug des Berufungswerbers eingeholt und angehalten werden. Hinsichtlich der besonderen Rücksichtslosigkeit gebe ich, daß ich eigentlich auf Grund des später festgestellten Zustandes des Berufungswerbers und der Schwere bzw Höhe der Geschwindigkeitsübertretung nicht besondere Rücksichtslosigkeit meinte, sondern diese in Form der Tatbegehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen. Nach Anhaltung des Berufungswerbers stellte ich Symptome einer Alkoholisierung fest.

Der Berufungswerber gab dazu an, daß er die Nacht über nicht geschlafen hätte, am Vortag auch nicht und habe er auch alkoholische Getränke konsumiert. Daher wurde der Berufungswerber aufgefordert, sich einem Alkotest auf dem Wachzimmer zu unterziehen. Zum Zwecke der Fahrt auf das Wachzimmer stieg der Berufungswerber in den Fond des Streifenkraftwagens ein, wo er sofort, noch bevor ich angefahren war, einschlief und zu schnarchen begann. Am Wachzimmer angekommen, mußte der Berufungswerber geweckt werden. Der Alkotest verlief dann negativ, jedoch auf Grund der Ermüdungserscheinungen war eine Fahrfähigkeit des Berufungswerbers nicht gegeben."

Der Zeuge Inspektor H gab an, hinsichtlich der Geschwindigkeitsübertretung keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wahrgenommen zu haben. Es wäre jedoch auf Grund des Übermüdungszustandes des Berufungswerbers und der Höhe der Geschwindigkeitsübertretung der Tatbestand des §99 Abs2 litc StVO verwirklicht worden. Auf Grund des Ergebnisses des Beweisverfahrens sind die Begehungen der angelasteten Übertretungen durch den Berufungswerber erwiesen. Mit der Berichtigung, daß der Tatbestand des §99 Abs2 litc StVO die besondere Rücksichtslosigkeit nicht gegeben war. Von besonderer Rücksichtslosigkeit kann beim Befahren einer dreispurigen, im Tunnen vierspurigen Autobahn mit 150 km/h ohne übermäßig starkes Verkehrsaufkommen und auch ohne konkreter Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hier nicht ausgegangen werden. So auch die einschlägigen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Hinblick auf die körperliche Konstitution des Berufungswerbers, Übermüdung in Verbindung mit Konsum alkoholischer Getränke und des Ausmaßes der Geschwindigkeitsübertretung wäre vielmehr eine Tatbegehung im Sinne des §99 Abs2 litc StVO "Begehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen" anzulasten gewesen. Hinsichtlich dieses Tatbestandes ist jedoch von der Behörde keine Verfolgungshandlung gesetzt worden, sodaß diesbezüglich Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Im Falle der Anlastung des §99 Abs2 litc StVO bedarf es einer genauen Ausführung, welcher der beiden in dieser Bestimmung enthaltenen Tatbestände und wodurch verwirklicht worden ist. Daher sind die beiden Tatbestände nach Eintritt der Verfolgungsverjährung auch nicht untereinander austauschbar. Die Änderung im Spruch zu Punkt 1) des Straferkenntnisses diente lediglich der Berichtigung der Subsumption eines Sachverhaltes, der den Tatbestand des §52 Z10a StVO verwirklicht, unter die Strafnorm des §99 Abs3 lita StVO. Dementsprechend, unter Berücksichtigung der geänderten Strafnorm, war auch die verhängte Strafe zu diesem Punkt deutlich, mit Berücksichtigung der allseitigen Verhältnisse des Berufungswerbers und der doch erachteten Schwere seines Verschuldens, herabzusetzen. Hinsichtlich der Übertretung nach §58 Abs1 StVO wurde das Straferkenntnis bestätigt, zumal auch in der mündlichen Verhandlung kein Grund hervorkam, an der Verwirklichung dieses Tatbestandes durch den Berufungswerber zu zweifeln. Der Berufungswerber selbst gestand den intervenierenden Sicherheitswachebeamten ein, die vorangegange Nacht und den Tag nicht geschlafen und auch alkoholische Getränke konsumiert zu haben. Überdies schlief der Berufungswerber sofort im Streifenkraftwagen ein und mußte geweckt werden.

Obwohl der Alkotest negativ verlief, wurden die Angaben des Berufungswerbers hinsichtlich seines Alkoholkonsums dadurch bestätigt. Auf Grund dieser Umstände und auch der Feststellung von Symptomen einer Alkoholisierung des Berufungswerbers durch die Sicherheitswachebeamten erscheint die Fahrfähigkeit zum Tatzeitpunkt mit Bestimmtheit nicht gegeben gewesen zu sein. Die körperliche Verfassung des Berufungswerbers war durch Schlafmangel in Verbindung mit Alkohol derart beeinträchtigt, daß er das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht mehr voll zu beherrschen, insbesonders durch die körperliche Verfassung hervorgerufene verlangsamte Reaktionsfähigkeit und die erhöhte Gefahr des sogenannten "Sekundenschlafes", und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht zu befolgen vermochte, wie hier die angelastete erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Feststellung der Fahr- und Lenkunfähigkeit war Aufgabe der einschreitenden Sicherheitswachebeamten und bedurfte nicht der Beiziehung eines Amtsarztes. Zu diesem Punkt des Straferkenntnisses kam eine Herabsetzung der verhängten Strafe nicht in Betracht. Die Taten schädigten in erheblichem Maße die Interessen an der Verkehrssicherheit im Punkt 1), wurde doch die  kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 70 km/h (das sind bemerkenswerter Weise mehr als 87 % !) überschritten, sowie in nicht unerheblichem Maße die Interesse am Ausschluß nicht fahrtauglicher Personen von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Lenker im Punkt 2).

Deshalb war der Unrechtsgehalt der Taten an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Fehlen, nicht gering. Da der Berufungswerber, wie sich aus seiner eigenen Rechtfertigung ergibt, vorsätzlich gehandelt hat, war das Verschulden als erheblich anzusehen.

Bei der Strafbemessung wurden auch die zur Tatzeit vorgelegene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Da der Berufungswerber Angaben über seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse verweigerte, waren diese von der angerufenen Behörde zu schätzen.

Auf Grund des Alters und der beruflichen Stellung des Berufungswerbers (Elektriker) war von unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und unbedeutendem Vermögen auszugehen. Sorgepflichten konnten mangels jeglichen Hinweises nicht zugunsten des Berufungswerbers angenommen werden.

Die Tatsache, daß der Berufungswerber ein Fahrzeug besitzt, läßt darauf schließen, daß von ihm die monatlichen Erhaltungskosten bestritten werden, welche sicherlich höher sind als die verhängte bzw die im Punkt 1) herabgesetzte Geldstrafe.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis 10.000.-- S je Delikt reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers ist die herabgesetzte Geldstrafe im Punkt 1) bzw die die verhängte Geldstrafe im Punkt

2) selbst für den Fall, daß der Berufungswerber in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben und Sorgepflichten obliegen sollte, angemessen und keineswegs zu hoch, zumal neben der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenkeit keine besonderen Milderungsgründe hervorgekommen sind.

Eine Herabsetzung der Geldstrafe im Punkt 2) sowie eine weitere Herabsetzung der Geldstrafe im Punkt 1), die infolge der Einschränkung der Tatanlastung spruchgemäß herabzusetzen war, kam daher nicht in Betracht.

Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit S 120.- Bundesstempelmarken zu versehenden Ratenansuchens bei der Behörde erster Instanz wird hingewiesen (Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat, Pst 1130/Dt/91).

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens im Punkt 2) stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.

Schlagworte
Geschwindigkeitsüberschreitung, besondere Rücksichtslosigkeit, besonders gefährliche Verhältnisse, Tatbestand, Anlastung, Auswechslung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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