TE UVS Steiermark 1992/06/01 30.4-22/92

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Veröffentlicht am 01.06.1992
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Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 des AVG i.V. mit § 45 Abs 1 Z 2 VStG wird der Berufung des Herrn R. D., wohnhaft in W., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 2.3.1992, GZ.: 15.1 Drus 2/3-1991, Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Text

Aufgrund des von der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grundlage der in Anwesenheit des Berufungswerbers vorgenommenen öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 1.6.1992 ergibt sich folgender Sachverhalt:

 

Mit Anzeige des GPK Wundschuh vom 21.2.1991 an die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung war mitgeteilt worden, der Beschuldigte R. D. sowie dessen Bruder A. D. seien verdächtig, in der Zeit von 23.11.1990 bis 27.11.1990 im Schachenwald, westlich der Autobahn A 9 im Gemeindegebiet Wundschuh Müll abgelagert zu haben; dies deshalb, da anläßlich einer Erhebung des GPK Wundschuh im Schachenwald festgestellt worden ist, diverse als Altpapier zu bezeichnende Geschäftspapiere der Firma "Intercont", alte Büromaschinen etc. seien an dieser Stelle abgelagert worden, wobei eine Rückfrage bei dieser Firma ergeben hätte, R. und A. D. hätten diesen Müll entsorgt. In Einvernahmen vor dem Gendarmerieposten Wundschuh haben sowohl der Beschuldigte R. D. als auch sein Bruder A. angegeben, sie hätten diesen Müll abgeholt, nach Hause gebracht, sortiert und zum Weitertransport zum Zweck des Verkaufs an entsprechende Abnehmer vorbereitet; beide sind im Betrieb ihres Vaters tätig, der mit solchen Altstoffen handelt. Von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wurde auf Grundlage dieser Anzeige des GPK Wundschuh vom 21.2.1991 gegen R. D. das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. In seiner Beschuldigteneinvernahme vom 4.4.1991 bestritt er, die Gegenstände (Müll) unbefugt im Schachenwald abgelagert zu haben, da er die zu entsorgenden Materialien deshalb übernommen hätte, um sie im Rahmen der Gewerbeausübung seines Vaters zu verkaufen. Mit Straferkenntnis vom 2.3.1992 wurde jedoch von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung über R. D. eine Geldstrafe von S 5.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen auf Rechtsgrundlage der §§ 25 Abs 1 und 28 Abs 1 lit j des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1991 verhängt, wobei als erwiesen angenommen wurde, er habe die bereits beschriebenen unbefugten Müllablagerungen im Schachenwald duchgeführt. Dieser Bescheid wird im wesentlichen damit begründet, der im Schachenwald widerrechtlich abgelagerte Müll müsse vom Beschuldigten dorthin gebracht worden sein, da dieser von der auftraggebenden Firma die abgelagerten Gegenstände übernommen hätte. Gegen diesen Bescheid hat R. D. fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht, den ihm im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Tatbestand bestritten und dies im wesentlichen damit begründet, er hätte keinerlei Interesse haben können, eingesammeltes Material nicht zu verkaufen, sondern im Wald unbefugt abzulagern.

 

Anläßlich der von der Berufungsbehörde am 1.6.1992 durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung unter Teilnahme des Berufungswerbers und dessen Bruder A. als Zeuge - ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung hat trotz ausgewiesener Ladung an dieser Verhandlung nicht teilgenommen - erklärten sowohl der Berufungswerber R. D. als auch dessen Bruder A. D. als Zeuge, A. D. hätte im November 1990 zwei Palettenaufsätze mit verschiedenem Müll (Papier, Verpackungsmaterial, Computerteile, Kopierteile, Schreibmaschinen und diverse, nicht mehr benötigte Bürogeräte) abgeholt und in den Gewerbetrieb ihres Vaters nach Werndorf gebracht. Dort wurde die Ladung sortiert und in zwei entsprechenden Behältern zu einem Lagerplatz in die Nähe des Bahnhofes Kalsdorf gebracht, um von dort zu den entsprechenden Abnehmern gebracht zu werden. Zum Zeitpunkt dieses Vorganges (November 1990) hätte für diesen Abfall ein Erlös von S 0,80 bis 1,20 bzw. für das Altpapier ein solcher von S 0,30 erzielt werden können. Diese beiden Behälter befanden sich einige Tage am Kalsdorfer Bahnhof, bis der Beschuldigte feststellen mußte, daß diese Container, die in einem nicht gegen unbefugten Zutritt geschützten Areal abgestellt waren, offensichtlich durchwühlt worden sind, sowie daß einige Gegenstände daraus entnommen worden sein mußten. In weiterer Folge wurden sowohl der Berufungswerber als auch dessen Bruder vom GPK Wundschuh in Zusammenhang mit der im Schachenwald vorgefundenen unbefugten Ablagerung von Müll gebracht; ihren Angaben zufolge hätten sie die erhebenden Gendarmeriebeamten darauf aufmerksam gemacht, es sei undenkbar, sie hätten den am Fundort vorgefundenen Müll gesammelt und ihn sodann teilweise, anstatt ihn weiterzuverkaufen und einen betrieblichen Erlös zu erzielen, in einen Wald gekippt. Beide stellten übereinstimmend fest, diese Vorgangsweise sei völlig absurd, da sie doch nicht als Angestellte des väterlichen Unternehmens zum Weiterverkauf bestimmten Müll abholen, aussortieren, zwischenlagern und zum Weitertransport vorbereiten würden, um ihn sodann teilweise in einen Wald zu kippen. Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (Untersuchungsgrundsatz).

 

Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (Grundsatz der freien Beweiswürdigung). Auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen kann ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch somit nur erfolgen, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat eindeutig ergeben, daß die dem Schuldspruch des angefochtenen Bescheides offensichtlich zugrundeliegenden Überlegungen, der Beschuldigte R. D. hätte gemeinsam mit seinem Bruder A. Müll abgeholt, aussortiert und zwischengelagert, um ihn anschließend nicht zu verkaufen, sondern teilweise in einen Wald zu kippen, den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht entsprechen kann. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16.3.1978, 2715/77, 747/78, festgestellt hat, ist es der Behörde nicht verwehrt, bei der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs 2 AVG auch die allgemeinen Lebenserfahrungen zu verwerten. Sowohl der Berufungswerber als auch dessen im Verfahren als Zeuge beigezogener Bruder, A. D., haben glaubhaft versichern können, diese Verwaltungsübertretung gar nicht begangen haben zu können, da sie durch eine solche Vorgangsweise eine konkrete Umsatzeinbuße des väterlichen Unternehmens mit relativ viel Mühe bewirkt hätten. Da somit keinerlei Grundlage besteht, den Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses als erweisbar annehmen zu können, war im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Beweiswürdigung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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