Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.
Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991, S 28.960,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.
Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 16.9.1991, Zl 3- -91, wurde über Herrn P B als gemäß §9 VStG, BGBl Nr 52/1991, zur Vertretung nach außen Berufener der Firma G D GesmbH & Co KG wegen verschiedener Übertretungen nach den Bestimmungen des §9 iVm §7 Abs1 AZG, BGBl Nr 461/1969 in der geltenden Fassung und des §12 AZG eine Geldstrafe gemäß §28 AZG in der Gesamthöhe von 144.800,--, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 189 Tagen und 3 Stunden verhängt. Dem Beschuldigten wurde angelastet, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa G D GesmbH & Co KG in yy dafür verantwortlich gewesen zu sein, daß die Tagesarbeitszeit, die selbst bei Verlängerung der Arbeitszeit bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes 10 Stunden nicht überschreiten darf, überschritten wurde, daß die sich aus §3 des AZG ergebende Wochenarbeitszeit um mehr als 10 Stunden wöchentlich überschritten wurde und daß nach Beendigung der Tagesarbeitszeit keine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährleistet war.
Über seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhebt der Beschuldigte fristgerecht Berufung und führt ua dazu aus, daß die angelasteten Überschreitungen der Arbeitszeitbestimmungen sowie der Arbeitsruhebestimmungen nicht in Abrede gestellt werden. Verwiesen wird auf die betriebliche Notsituation, bis hin zur Existenzbedrohung, beides verursacht durch den Lieferverzug der Fremdfirma. Erst durch dieses Ereignis sei es zur Verletzung der einschlägigen arbeitsrechtlichen Normen gekommen.
Im vorliegenden Rechtsmittel wird der Antrag auf Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gestellt, in eventu die Aufhebung der Strafverfügung und Zurückverweisung der Verwaltungsstrafsache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz. Zusätzlich wird der Antrag auf Herabsetzung der verhängten Strafe gestellt.
Das zuständige Arbeitsinspektorat hat im Rahmen des Parteiengehörs den Strafantrag vollinhaltlich aufrechterhalten.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat dazu folgendes erwogen:
Vom Berufungswerber wurde nie in Abrede gestellt, daß es zu den im Straferkenntnis angeführten Überschreitungen der Arbeitszeitbestimmungen sowie der gesetzlich normierten Ruhezeiten des §12 AZG gekommen ist. Er beruft sich auf die im §20 Abs1 AZG angeführten Ausnahmen, wonach in bestimmten, außergewöhnlichen Fällen eine Überschreitung der gesetzlich festgelegten Höchstgrenze der Arbeitszeit erlaubt ist.
Die taxativ aufgezählten Ausnahmen in außergewöhnlichen Fällen des §20 Arbeitszeitgesetzes, BGBl Nr 461/1969 kommen dann zum Tragen, wenn vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten notwendig sind, die
a)
zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen, oder
b)
zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, wenn unvorgesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zum Erreichen dieses Zweckes nicht getroffen werden können.
Aus dieser Gesetzesbestimmung ist ersichtlich, daß §20 AZG den Zweck hat, eine Überschreitung der gesetzlich normierten Höchstgrenze der Arbeitszeit zu erlauben, wenn in außergewöhnlichen Fällen Mehrarbeit erforderlich ist und die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen schwerwiegende Nachteile für den Arbeitgeber oder Dritte zur Folge hätte. In außergewöhnlichen Fällen muß also der Arbeitnehmerschutz zur Wahrung höherwertiger Interessen zurückstehen.
Voraussetzung ist zunächst, daß es sich um einen außergewöhnlichen Fall handeln muß. Aus dem Sinn des §20 AZG, für Notfälle eine Überschreitung der Arbeitszeitgrenzen zu erlauben, wird zu schließen sein, daß es sich um Ereignisse handeln muß, auf die der Arbeitgeber nicht anders als mit einer Verlängerung der Arbeitszeit reagieren kann. Vorhersehbare oder regelmäßig wiederkehrende Ereignisse (beispielsweise Inventur, Weihnachtsgeschäft, Aufstellung neuer Maschinen) können deshalb nicht als außergewöhnliche Ereignisse bewertet werden (vgl dazu §14 AZO OGH ZAS 1967/1).
Die Erlaubnis der Überschreitung der Höchstgrenzen der Arbeitszeit bezieht sich weiters nur auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten. Damit wird deutlich gemacht, daß die Überschreitung der Arbeitszeit soweit erlaubt ist, als die Arbeit zur Abwendung der in lit a und b umschriebenen Gefahren unbedingt notwendig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.9.1990 Zl 90/19/0245 zum §20 Abs1 AZG folgendes festgestellt:
Außergewöhnliche Fälle im Sinne des §20 Abs1 AZG sind Ereignisse, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und nur nach strengsten Maßstäben zu einer vorübergehenden Durchbrechung der gesetzlichen Schutzvorschriften berechtigen können. Die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände dürfen weder regelmäßig noch vorhersehbar sein. Handelt es sich um Arbeiten, die zur Verhütung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, so müssen gemäß §20 Abs1 litb AZG unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können. Nach den zitierten Ausnahmebestimmungen sind die dort genannten Arbeiten nur dann zulässig, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen, die solche Arbeiten zur Behebung von Sachschäden erforderlich machen und andere zumutbare Maßnahmen zu diesem Zweck nicht möglich sind. Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Berufungsschrift sei es zu der "Notsituation" im streitgegenständlichen Betrieb gekommen, weil ein Lieferverzug der Fremdfirma vorlag, die den Liefertermin Oktober bis November 1990 aufgrund offensichtlicher Mängel der Druckmaschine nicht einhalten konnte. Man habe wegen des guten Rufs und des Weltstandards der Zulieferfirma auf den zugesagten Termin vertraut, die Vereinbarung eines Pönales, aus der wirtschaftlichen Betrachtungsweise heraus, vermieden.
In den Fällen des §20 AZG kommt noch erschwerend hinzu, daß unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe zu diesem Umstand geführt haben und andere, anstelle der Arbeitszeitverlängerung zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fallen Lieferverzug einer Fremdfirma, sowie die Installation einer Maschine oder Anlage nicht unter die Fälle des §20 AZG. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß der Betrieb "läuft". Er muß damit rechnen, daß es Stoßzeiten geben kann. Alle derartigen, im gewöhnlichen Betriebsablauf liegenden Fälle muß er daher von vornherein in seiner betrieblichen Arbeitsplanung bzw Personalpolitik miteinkalkulieren und die Arbeitszeit entsprechend einteilen. Er hat alle betrieblichen Vorkehrungen zu treffen, insbesondere die Betriebsmittel wie Rohstoffe und Maschinen bereitzustellen um den reibungslosen Arbeitsablauf herbeizuführen. Nötigenfalls kann er über Engpässe mit Hilfe von vertragsgemäßen und zulässigen Überstunden hinwegkommen. Dazu dienen der §7 AZG über die Verlängerung der Arbeitszeit bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes und der §8 AZG, Verlängerung der Arbeitszeit zur Vornahme von Vor- und Abschlußarbeiten. Ein erhöhter Arbeitsbedarf bzw ein dringendes Bedürfnis, ja selbst das öffentliche Interesse reichen zur Heranziehung dieser Ausnahmemöglichkeiten nicht aus, da für diese Fälle eigene Überstundenmöglichkeiten vorgesehen sind. Die Ausnahme ist nur gestattet, wenn es sich um vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten handelt; ein Zeitdruck, der sich aus Lieferterminschwierigkeiten ergibt, berechtigt nicht zur Inanspruchnahme des §20 AZG.
Im gegenständlichen Fall wurde ein Vertrag über Lieferung und Installation einer komplexen Druckmaschine zwischen der Fremdfirma und der Firma G D GesmbH & Co KG geschlossen. Da es sich um eine seit langem geplante Investition handelt, muß es dem Beschwerdeführer schon aufgrund seiner Erfahrung bewußt sein, daß die Aufrechterhaltung des Betriebes von zeitgerechter Lieferung und ordnungsgemäßer Funktion des neuen Gerätes zum Gutteil abhängig ist. Bei Innovationen solcher Größenordnung im Betrieb ist der Eintritt von Verzögerungen oder allfälligen Komplikationen nicht ausgeschlossen, weshalb auch für solche Fälle durch Anordnung entsprechender Maßnahmen schon bei Organisation des Produktionsablaufes vorgebeugt hätte werden müssen (vgl dazu analog Erkenntnis VwGH vom 15.4.1991, Zl 90/19/0225).
Der Hinweis in der Berufung, daß die Arbeitnehmer für die Situation hinreichend Verständnis aufbrachten, bringt nichts für den Berufungswerber, da es sich beim Arbeitszeitgesetz um eine soziale Schutznorm handelt, die der freien Übereinkunft entzogen ist.
Der in der Berufung gestellte Eventualantrag auf Aufhebung der Strafverfügung und Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz ist nach §24 VStG nicht anwendbar, da die diesbezügliche Bestimmung des §66 Abs2 AVG in diesem Bundesgesetz - VStG -nicht zum Tragen kommt.
Gemäß §19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im Abs2 dieser Bestimmung sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Im angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft xx wurde bereits zutreffend darauf Bezug genommen, daß im gegenständlichen Verfahren keine Milderungsgründe vorliegen. Als erschwerend wurde von der Erstinstanz gewertet, daß die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zum Teil enorm übertreten wurden und das strafbare Verhalten im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit über einen längeren Zeitraum fortgesetzt wurde. Bei einem möglichen Strafrahmen von S 300,-- bis S 6.000,-- oder Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen je Delikt gemäß der Bestimmung des §28 AZG erscheint die Höhe der verhängten Strafe der Tat durchaus schuldangemessen und sowohl geeignet, eine generalpräventive Wirkung zu erzielen, als auch den Beschuldigten von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen abzuhalten.
Unter Berücksichtigung all dieser Gründe war daher der Berufung im vorliegenden Fall der Erfolg zu versagen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.
Gemäß §51e Abs2 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sämtliches Vorbringen in der Berufung unter den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung subsumierbar ist und die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten Gesetzesstellen, danach ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Berufungsverfahren mit 20 % der verhängten Strafe zu bemessen.
Der Berufungswerber hat daher insgesamt folgende Beträge zu entrichten:
1. Verhängte Geldstrafe S 144.800,--
2. Kostenbeitrag zum Verfahren I. Instanz S 14.480,--
3. Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 28.960,--
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Gesamt S 188.240,--