Der BW war gemäß §82 Abs1 StVO bestraft worden, weil er einen Informationsstand auf einer öffentlichen Verkehrsfläche ohne Bewilligung aufgestellt hätte. Er wandte ein, daß dies im Rahmen einer Versammlung erfolgt wäre und deshalb nur der Anzeigepflicht nach §86 StVO und nach dem Versammlungsgesetz unterliege. Der UVS gab der Berufung keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Bestrafung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die Berufung des Herrn Fritz K gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1/8 Bezirk vom 17.4.1992, AZ MBA 1/8 - S/977/92, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach §82 Abs1 StVO 1960 entschieden:
Aufgrund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis gemäß §66 Abs4 AVG bestätigt. Dem Berufungswerber wird gemäß §64 Abs1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 200,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, auferlegt.
Begründung:
In seiner Berufung führte der Berufungswerber im wesentlichen aus, daß die Zusammenkunft mehrerer Personen dann als Versammlung nach dem Versammlungsgesetz 1953 zu werten wäre, wenn diese in der Absicht veranstaltet werde, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw) zu bringen, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entstehe. Sie unterliege keiner Bewilligungspflicht nach §82 Abs1 StVO, sondern nur der Anzeigepflicht nach §86 StVO und nach dem Versammlungsgesetz.
Zu diesem Vorbringen wird lediglich in rechtlicher Hinsicht
bemerkt:
§82 Abs1 StVO 1960 bestimmt:
"Für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, zB zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, ist unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen."
Hiezu wird weiters bemerkt, daß, wenn im Zuge von Versammlungen (auch Wahlwerbung) auf öffentlichen Verkehrsflächen diese durch Aufstellung von Tischen, Plakatständern udgl in Anspruch genommen werden, eine Bewilligung nach §82 StVO erforderlich ist, wenn diese Menschenansammlungen herbeiführen oder die Aufmerksamkeit von Fahrzeuglenkern beeinträchtigen könnten.
In seinem Erkenntnis vom 12.3.1988, P 926/87, hat der Verfassungsgerichtshof ua folgendes ausgeführt:
Der Umstand allein, daß ein Informationsstand verwendet wurde, spricht weder für noch gegen die Annahme einer Versammlung:
Einerseits kann im Rahmen einer Versammlung auch ein (Informations-) Tisch als "Versammlungsmobiliar" benützt werden; dies bedarf dann keiner behördlichen Bewilligung. Da der eigentliche Zweck aber nicht darin lag, die zufällig am Informationstisch vorüberkommenden Passanten zu einem gemeinsamen Wirken zu bewegen, sondern diese über ein bestimmtes Anliegen zu informieren und Druckwerke (wie auch im verfahrensgegenständlichen Fall) zu verteilen, lag jedoch im vorliegenden Fall keine "Versammlung" vor, weshalb die Veranstaltung auch nicht von der Bewilligungspflicht nach §82 Abs1 StVO 1960 ausgenommen war. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.3.1988, P 970/87-12, ausgeführt, daß die Regelung des §82 Abs1 und 5 (wonach das Verteilen von Druckwerken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr an eine behördliche Bewilligung gebunden ist) ebenso wie jene des §99 Abs3 litd (die für das Unterlassen eines entsprechenden Antrages eine Strafsanktion vorsieht) im Interesse der bestimmungsmäßigen Verwendung der Straße mit öffentlichen Verkehr, also im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der Aufrechterhaltung der Ordnung liegt, und entspricht damit dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 MRK. Die Beschränkung der Verwendung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken kann in jenen Fällen, in denen dies zu einer Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit führt, durchaus in einem angemessen Verhältnis zu dem vom Gesetz verfolgten Ziel der Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs stehen. Der Verfassungsgerichtshof hat daher keine Bedenken dagegen, daß es der Gesetzgeber weitgehend den Organen der Vollziehung überläßt, im Einzelfall das Interesse an der Meinungsäußerungsfreiheit gegen jene des Straßenverkehrs abzuwägen.
Zusammenfassend führte der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis noch aus, daß das Aufstellen eines Informationsstandes ebenso wie das Verteilen von Flugzetteln einer Bewilligung nach §82 StVO bedarf. Die Regelung des §82 Abs1 und Abs5 liegt ebenso wie die Strafsanktion des §99 Abs3 litd StVO im Interesse der bestimmungsmäßigen Verwendung der Straße mit öffentlichem Verkehr, also im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der Aufrechterhaltung der Ordnung und entspricht damit dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs2 MRK und stellt auch nicht auf eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung ab (Art13 StGG).
Laut Anzeige vom 20.12.1991 wurde auf Grund einer Kontrolle am Tatort zur Tatzeit ein Tapeziertisch im Ausmaß von ca 4 m x 1 m wahrgenommen, auf welchem zahlreiche Druckwerke abgelegt waren. Laut Anzeige kam es im Bereich des Infotisches zu keinem gemeinsamen Wirken der Passanten und der Infozettelverteiler. Laut Anzeige beabsichtigte der Berufungswerber durch seine Infoversammlung die Passanten auf die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Bevölkerung Nicaraguas aufmerksam zu machen (Blatt 1 und 1 verso).
Im Sinne der erwähnten Judikatur lag der eigentliche Zweck des Informationsstandes darin, vorüberkommende Passanten über die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Bevölkerung Nicaraguas zu informieren und diesbezügliche Druckwerke zu verteilen, weshalb davon auszugehen war, daß im vorliegenden Fall keine "Versammlung" vorlag und für das Aufstellen eines Informationsstandes daher auch eine Bewilligung nach §82 Abs1 StVO erforderlich gewesen wäre.
Die dem Berufungswerber angelastete Tat war daher als erwiesen anzusehen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war.
Eine Herabsetzung der Geldstrafe kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Die Tat schädigte in nicht völlig unerheblichem Maße das Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung und der öffentlichen Sicherheit sowie der bestimmungsmäßigen Verwendung einer Fußgängerpassage.
Daher war der Unrechtsgehalt der Tat auch nicht ganz gering. Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als völlig geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Bei der Strafbemessung wurde auch die zur Tatzeit angenommene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbes als mildernd berücksichtigt.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe selbst bei ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie bei Bestehen etwaiger gesetzlicher Sorgepflichten des Berufungswerbers durchaus angemessen und keinesfalls zu hoch, zumal im Verfahren weitere Milderungsgründe nicht hervorgetreten waren.
Eine Herabsetzung der Geldstrafe kam daher nicht in Betracht. Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 des VStG.
Gemäß §51e Abs2 VStG war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.