Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, grundsätzlich Folge gegeben, und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, daß hinsichtlich des im angefochtenen Bescheid enthaltenen Tatvorwurfes nicht die Einstellung des Verfahrens verfügt, sondern gemäß §21 Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG, BGBl Nr 52/1991, von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.
Der angefochtene Bescheid enthält folgenden Spruch:
"Die Bezirkshauptmannschaft xx stellt das gegen J K eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des §3 Abs1 MSchG, begangen dadurch, daß er Fr R M, geb 10.5.1966 am 24.10.1990 in der Zeit von 12,30 Uhr bis 13,30 Uhr im oa Gasthaus beschäftigt hat, obwohl werdende Mütter in den letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung nicht beschäftigt werden dürfen (Beginn der achtwöchigen Schutzfrist ist der 5.Okt.1990 bei einem voraussichtlichen Entbindungstermin am 30.11.1990) gem §45 Abs1 Zif2 VStG ein."
Begründet wird der Bescheid im wesentlichen damit, daß der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Begehung der Tat nicht am Tatort gewesen sei und andererseits nicht von vornherein mit dieser Gesetzesverletzung rechnen hätte müssen. Es treffe ihn daher kein Verschulden an dem im Spruch beschriebenen Sachverhalt. Daher sei ihm dieser nicht anlastbar und es stehe fest, daß er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat für den x Aufsichtsbezirk Berufung und führte darin im wesentlichen aus, daß dem Beschuldigten bekannt hätte sein müssen, daß die schwangere Arbeitnehmerin bei Eintritt der Schutzfrist noch
3 Tage zu arbeiten gehabt hatte. Er hätte daher dafür Sorge tragen müssen, daß während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit eine Beschäftigung der Schwangeren ausgeschlossen bleibt. Dieser Arbeitgeberverpflichtung sei er jedoch nicht nachgekommen.
Am 27. Mai 1992 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Beschuldigten sowie der Zeuginnen I K (Gattin des Beschuldigten) und R M (beschäftigte Arbeitnehmerin) ergaben, daß es zwischen dem Beschuldigten und seiner Gattin vereinbart war, daß das Gasthaus während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit geöffnet bleibt. Hinsichtlich der Beschäftigung von Frau M gab es keinerlei Anweisungen durch den Beschuldigten, er hat die Regelung der Beschäftigung der Arbeitnehmerin vielmehr ausschließlich seiner Gattin überlassen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Gemäß §3 Abs1 Mutterschutzgesetz dürfen werdende Mütter in den letzten 8 Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung (8-Wochen Frist) nicht beschäftigt werden.
Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§5 VStG). Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Werden Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht eingehalten, dann trifft den Unternehmer nur dann kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift, wenn er alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um das Auftreten einer derartigen Rechtswidrigkeit zu verhindern. Wenn er - zB wegen der Größe des Betriebes oder wegen urlaubsbedingter Abwesenheit - nicht selbst in der Lage ist, den Betrieb laufend zu kontrollieren, so ist er nur dann schuldlos, wenn er entsprechende Kontrollmechanismen vorgesehen hat, um sicherzustellen, daß auch in seiner Abwesenheit keine Verwaltungsübertretungen stattfinden. Dazu gehört es insbesondere, schon vor Urlaubsantritt jener Person, die während seiner Abwesenheit den Betrieb leitet (das war im konkreten Fall die Gattin des Beschuldigten) alle jenen Anweisungen zu erteilen, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sicherzustellen.
Der Beschuldigte ist im konkreten Fall diesem Erfordernis nicht ausreichend nachgekommen. Der bloße Hinweis, er habe die Regelung dieser Angelegenheit seiner Frau überlassen, hat jedenfalls keine schuldbefreiende Wirkung, und enthebt den Beschuldigten somit nicht in seiner grundsätzlichen Verantwortung für die Verwaltungsübertretung. Insoferne erweisen sich die Ausführungen in der Berufung auch durchaus als gerechtfertigt, weshalb sich die Berufungsbehörde der Ansicht der Bezirkshauptmannschaft xx, der Beschuldigte sei zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort gewesen und habe daher die Verwaltungsübertretung nicht begangen, nicht anschließen kann. Der Beschuldigte hat die Verwaltungsübertretung nämlich bereits dadurch begangen, daß er es unterlassen hat, vor Urlaubsantritt für einen gesetzeskonformen Ablauf des Geschäftsbetriebes auch während seiner Urlaubszeit vorzusorgen.
Andererseits hat die mündliche Berufungsverhandlung ergeben, daß die Verwaltungsübertretung zu keiner schädlichen Auswirkung auf die beschäftigte Arbeitnehmerin geführt hat, sondern vielmehr sogar auf deren Initiative und Interesse zustandegekommen ist. Bisher sind auch keine Umstände bekannt geworden, daß die grundsätzlich im Betrieb gehandhabte Delegation der Arbeitnehmerschutzangelegenheiten an die Gattin des Betriebsinhabers zu Problemen oder Mißständen geführt hätte. Einschlägige Vorstrafen sind nicht bekannt. Aufgrund dieser Tatsachen ist das Verschulden des Beschuldigten jedenfalls als geringfügig anzusehen.
Gemäß §21 VStG kann die Behörde ohne weiters Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Aus den angeführten Gründen ist die Berufungsbehörde zur Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des §21 VStG vorliegen, sodaß - trotz grundsätzlicher Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des Verhaltens des Beschuldigten - von der Verhängung einer Strafe abzusehen war.