TE UVS Steiermark 1992/06/23 25.3-6/92

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Veröffentlicht am 23.06.1992
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat über die am 17.6.1992 eingelangte Beschwerde des Herrn N. St., dzt. in Schubhaft im polizeilichen Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Graz, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. W. T. und Dr. P. Sch., G., wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 23.6.1992, wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 5 Abs 6 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden: FrPolG) iVm § 67 c Abs 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (im folgenden: AVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 17.6.1992 bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er am 28.10.1989 in das Bundesgebiet eingereist sei und am 2.11.1989 einen Asylantrag gestellt habe. Da er ungarischer Nationalität und orthodoxen Glaubens sei, habe er keine Zulassung zum Studium in Rumänien bekommen. Am 24.4.1992 sei er wegen des Vergehens nach § 107 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 29.5.1992 wurde die Schubhaft verhängt, wobei der Beschwerdeführer bereits das Rechtsmittel der Vorstellung dagegen erhoben hat.

 

Bei der Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer wurde deshalb gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, da das Strafgericht rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von nur 3 Monaten verhängt habe und dabei offensichtlich ausging, daß es der Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe (Strafrahmen bis zu 3 Jahren) nicht bedürfe, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Auch sei zu berücksichtigen, daß sich der Beschwerdeführer seit 28.10.1989 auf österreichischem Bundesgebiet befinde und seitdem, bis zur jetzigen Verurteilung, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Das Auftreten eines einzigen Vorfalles, bei dem der Beschwerdeführer nachweislich alkoholisiert war, soll keinesfalls den konkreten Schluß auf ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zulassen. Eine bloße Behauptung, daß eine solche Gefahr vorliege, kann eine konkrete Glaubhaftmachung dieses Umstandes nicht ersetzen.

 

Der Beschwerdeführer verweist weiters darauf, daß er hinsichtlich des beim Bundesministerium für Inneres rechtskräftig beendeten Asylverfahrens Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe, welche mit dem Antrag gemäß § 30 VwGG auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurde. Die Beschwerde sei derzeit noch anhängig.

 

Die Beschwerde stützt sich sodann auf den Motivenbericht des Ausschusses für Verfassungs- und Verwaltungsreform 238 der Beilagen, VII.GP. Auch wird auf den Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit 1988 Artikel 1 Abs 3 verwiesen, wonach der Entzug der persönlichen Freiheit nur gesetzlich vorgesehen werden könne, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig sei.

 

2. Die Bundespolizeidirektion Graz als belangte Behörde legte den Fremdenpolizeiakt vor und gab hiezu im wesentlichen nachfolgende Stellungnahme ab:

Aufgrund des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Graz läge gemäß § 3 Abs 2 Zif 1 FrPolG eine im Sinne des § 3 Abs 1 leg cit bestimmte Tatsache vor, bei der der Gesetzgeber exlege ausgesprochen habe, daß unter diesen Umständen jedenfalls eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliege. Es stehe daher außer Zweifel, daß der Beschwerdeführer eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Auch sei die ausgesprochene Freiheitsstrafe von 9 Monaten, die im Gegensatz zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Freiheitsstrafe von 3 Monaten steht, nicht gerade als gering zu bewerten.

 

Vom vorliegenden Sachverhalt ausgehend, sei die Verhängung der vorläufigen Verwahrung als verhältnismäßig anzusehen, da der Beschwerdeführer am 17.1.1992 einen Geistlichen, der im Dienste der Nächstenliebe unentgeltliche Tätigkeiten für ihn verrichtete, mit dem Umbringen bedroht habe, und er denselben Tatbestand auch noch am 4.3.1992 setzte. In diesem Fall mit einer Häufung (gegenüber einer Prostituierten und zwei Polizeibeamten), sodaß mit Recht davon auszugehen sei, daß der Fremde über ein derart großes Aggressionspotential verfüge, von dem nicht abzusehen ist, zu welchen Folgen es beim nächsten Ausbruch kommen werde.

 

Die Verhängung der Schubhaft war deshalb verhältnismäßig, da kein gelinderes Mittel zur Verfügung gestanden sei, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu gewährleisten. Auch habe der Fremde (Niederschrift vom 15.6.1992) zu erkennen gegeben, daß er sich mit allen Mitteln einer Abschiebung zu widersetzen versuchen werde. Zu diesem Zweck habe er bereits während der Schubhaft ein Metallteil verschluckt, um den beabsichtigten, fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entgehen.

 

II.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat am 23.6.1992 im Beisein des Beschwerdeführers, seines Vertreters, des Vertreters der Bundespolizeidirektion Graz eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Aufgrund dieser Verhandlung und nach dem Inhalt der Verwaltungsakten wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache, sodaß auf die Beiziehung eines Dolmetschers verzichtet werden konnte.

 

Am 2.11.1989 reiste der Beschwerdeführer über Ungarn in das Bundesgebiet ein, wobei er in der Folge einen Asylantrag stellte.

Dem Asylantrag wurde in 2. Instanz mit Bescheid vom 6.4.1992, Zl.:

4.285.246/3-III/13/90 negativ entschieden. Zum Zeitpunkt der Festnahme war der Beschwerdeführer als Lagerarbeiter ca. 5 Monate beschäftigt, wobei er zuvor einen vom Arbeitsamt vermittelten Deutschkurs besuchte.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 24.4.1992, GZ.: 7 EVr 596/92 wurde über den Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten verhängt, wonach gemäß § 43 a Abs 3 Strafgesetzbuch (im folgenden: StGB) ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 6 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Verurteilung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (Vergehen der gefährlichen Drohung) erfolgte deshalb, da der Beschwerdeführer am 17.1.1992 in Graz den Herrn W. P. gefährlich mit dem Tod bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit Gesten ihm das Durchschneiden der Kehle und einen Kopfschuß ankündigte. Des weiteren bedrohte der Beschwerdeführer am 4.3.1992 Frau J. M.-P. gefährlich mit dem Tod, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, durch die Ankündigung: "Du bist morgen kaputt!", wobei der Beschwerdeführer der Frau den Mund fest verschlossen hielt und am gleichen Tag den Beamten der Bundespolizeidirektion Graz, Insp.

W., wiederholt durch die Äußerung: "... warte, ich werde dich todmachen!", "morgen bin ich wieder frei, dann komme ich mit dem Messer und mache dich tod!" und durch die neuerliche Ankündigung, daß er ihn umbringen werde sowie am gleichen Tag dem Polizeibeamten RevInsp. Göstel durch die Ankündigung, daß er ihn umbringen werde.

 

Lt. Meldung der Bundespolizeidirektion Graz, Gefangenenhausgruppe C/1 vom 6.6.1992 hat der Beschwerdeführer am 6.6.1992 einen Metallgegenstand verschluckt und sich am Kopf leicht verletzt, sodaß er in das Landeskrankenhaus Graz geführt wurde. Nach der Rückkehr vom Krankenhaus nahm er vorerst seinen Verband (Stoffpflaster) von der linken Stirnseite und begann mit seinen Fäusten gegen die Zellentüre zu schlagen. Er verlangte nach seiner Freiheit und beschimpfte die Polizei. In weiterer Folge begann er die leichten Verletzungen an seiner linken Stirnseite mit den Fingernägeln aufzukratzen, sodaß ihm Handfesseln angelegt werden mußten.

 

Lt. Meldung der Bundespolizeidirektion Graz, Gefangenenhausgruppe/B1 vom 7.6.1992 wurde der Beschwerdeführer am 6.6.1992 in die Tobzelle Nr. 32 verlegt, da er trotz mehrmaliger Aufforderung nicht aufhörte, mit den Händen und seinem Kopf gegen die Zellentüre zu schlagen.

 

Ein derartiger Vorfall ereignete sich auch lt. Meldung der Bundespolizeidirektion Graz, Gefangenenhausgruppe am 4.6.1992.

 

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 29.5.1992, GZ.: FR 4942/92 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs 1 FrPolG iVm § 57 Abs 1 AVG nach Beendigung der gerichtlichen Haft die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zu Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 1.6.1992 nachweislich zugestellt.

 

Am 3.6.1992 um 7.30 Uhr wurde der Beschwerdeführer von der Gerichtshaft in die Schubhaft überstellt.

 

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers in der Verhandlung sowie des Vertreters der belangten Behörde, Herrn Rat Dr. L.. Die vorgebrachten unterschiedlichen Sachverhaltsdarstellungen soweit dies die verhängte Gerichtsstrafe betrifft, konnten in der mündlichen Verhandlung geklärt werden. Ebenso wurde der Beginn der Schubhaft eruiert.

 

III.1. Gemäß § 5 Abs 1 FrPolG hat, wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen. Nach Abs 3 leg cit ist zur Entscheidung der Beschwerde der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde oder angehalten wird; im Falle der Anfechtung von Festnahme oder Anhaltung oder Anfechtung einer Anhaltung an mehreren Orten obliegt die Entscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer bei Einbringung der Beschwerde angehalten wird.

 

Im vorliegenden Fall wurde die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft im Sprengel der Bundespolizeidirektion Graz durchgeführt. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Steiermark war daher gegeben.

 

Die Beschwerde langte am 17.6.1992 beim Unabhängigen Verwaltungssenat ein, womit gemäß § 5 Abs 6 Zif 2 FrPolG vorgesehene Entscheidungsfrist gewahrt war.

2. Gemäß § 5 Abs 1 des FrPolG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes, strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 3.6.1992 um 7.30 Uhr in Schubhaft genommen, wobei ihm der Schubhaftbescheid am 1.6.1992 nachweislich zugestellt wurde.

 

Die Verhängung der Schubhaft dient als Sicherungsmaßnahme, die verfügt werden muß, wenn dies zur Durchführung eines auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung gerichteten Verfahrens erforderlich ist. Eine Gefahr, daß sich der Beschwerdeführer im Verborgenen aufhalten wird, sieht der Unabhängige Verwaltungssenat darin, daß der Beschwerdeführer - wie die rechtskräftige, gerichtliche Verurteilung zeigt - zu gewalttätigen Handlungen neigt. Durch die Verhaltensweise des Beschwerdeführers - mehrmals gefährliche Drohung zu verschiedenen Zeitpunkten und Orten - manifestiert dieser offensichtlich ein derartiges Aggressionspotential, daß ein Verbleiben in Freiheit eine Gefahr für die Sicherheit darstellen würde. Keinesfalls kann dieses Verhalten als "einmaliger Ausnahmezustand" gedeutet werden. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer seit 28.10.1989 sich im Bundesgebiet aufhält ohne weitere Straftaten begangen zu haben, kann die angestellte Prognose entkräften, wobei noch bemerkt wird, daß dies einen relativ kurzen Zeitraum darstellt. Auch die Vorfälle während der Schubhaft am 4.6.1992, 6.6.1992 und 7.6.1992 zeigen, daß der Beschwerdeführer auch gegen seine eigene Person in aggressiver Weise vorgeht (Verschlucken eines Metallöffelstieles, stieß mit dem Kopf gegen ein Gittertor). Jedenfalls kann der Tatbestand, "ein unmittelbar zu befürchtendes, strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern", aus der bisherigen Verhaltensweise des Beschwerdeführers geschlossen werden, die zumindest in eine gerichtliche Verurteilung mündete.

 

Soweit der Beschwerdeführer einwendet, daß das Asylverfahren derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei, ist dem entgegenzuhalten, daß dies auf die Verhängung der Schubhaft ohne Einfluß bleibt, da ein Konex hiezu nicht herstellbar ist.

 

Ebenso war der Behauptung des Beschwerdeführers kein Erfolg beschieden, es sei deshalb zu einem derartigen Strafausmaß im gerichtlichen Verfahren gekommen, da er dort nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, da es keinen Erfahrungssatz gibt, der davon ausgeht, daß ein höheres Strafausmaß verhängt wird, wenn man im strafgerichtlichen Verfahren nicht anwaltlich vertreten wird. Zutreffend sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß der Unabhängige Verwaltungssenat nicht an das Urteil des Gerichtes bei seiner Entscheidung gebunden ist und der Behörde bei der Entscheidung bezüglich der Schubhaft umfassende Prüfungskompetenz zukommt, jedoch schließt dies nicht aus, daß der Unabhängige Verwaltungssenat die Entscheidung des Gerichtes als eine Grundlage der Beurteilung heranzieht.

 

Ebenso kann dem Verweis auf Artikel 1 Abs 3 Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit nichts gewonnen werden, da in concreto die Schubhaft im Verhältnis zum Zweck der Maßnahme steht, da ein weiterer Verbleib in Freiheit ein zu befürchtendes, strafbares Verhalten des Beschwerdeführers zur Folge hätte. Die Voraussetzung für ein Aufenthaltsverbot im Sinne des § 3 Abs 2 Zif 1 FrPolG lagen für die belangte Behörde vor.

 

Die Verhängung der Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung erfolgte somit völlig zu Recht, weswegen die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und dem Kostenbegehren nicht stattzugeben war.

Schlagworte
Schubhaft
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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