TE UVS Stmk 1992/06/23 30.9-52/92

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Veröffentlicht am 23.06.1992
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat über die Berufung des Herrn A. G., geb am, wohnhaft in Kollerweg, W., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 4.3.1992, GZ.: 15.1 Grat 9/5-1991, wie folgt entschieden:

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) Folge gegeben und die Strafe wegen Übertretung des § 4 Abs 1 lit a StVO mit S 2.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), wegen Übertretung des § 4 Abs 5 StVO mit S 1.500,-- (2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bemessen.

Text

Aufgrund des von der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Basis der in Anwesenheit des Berufungswerbers bzw. eines Zeugen vorgenommenen öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 23.6.1992 ergibt sich folgender; für die Entscheidungsfindung wesentlicher Sachverhalt:

Mit im Spruch dieses Bescheides angeführtem, angefochtenem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 4.3.1992, GZ.: 15.1 Grat 9/5-1991, wurde über den Berufungswerber, wegen Übertretungen der §§ 4 Abs 1 lit a bzw § 4 Abs 5 StVO, Geldstrafen in der Höhe von S 3.000,-- bzw S 2.500,-- bzw Ersatzarreststrafen in der Dauer von 5 bzw 4 Tagen verhängt, da er am 4.2.1991 um 15.30 Uhr in G, in der U-Gasse, auf Höhe des Hauses Nr 15 als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammengang gestanden ist und dabei sein Fahrzeug nicht sofort angehalten bzw hievon nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt hat.

Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und diese im wesentlichen damit begründet, daß er den betreffenden Unfall akustisch nicht habe wahrnehmen könne, da das Autoradio an dem von ihm gelenkten LKW eingeschaltet war und dieser LKW mit einem Dieselmotor ausgestattet sei, bei dem das Motorengeräusch im Wageninneren sehr laut zu hören sei.

Aus diesen angeführten Gründen ersuche er seiner Berufung stattzugeben.

In der am 23.6.1991 durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung konnte ermittelt werden, daß der Berufungswerber mit dem LKW vor dem Haus U-Gasse 15 einen Reversiervorgang vorgenommen hat und dabei an der Kreuzung mit der Kindermanngasse mit dem linken hinteren Eck seines LKW die linke vordere Tür des unfallgegnerischen Fahrzeuges leicht touchierte und dabei beschädigte. Da zum damaligen Zeitpunkt sehr viel Schnee auf der Straße lag und das beschädigte Kraftfahrzeug ziemlich eingeschneit gewesen ist, sei es - gemäß den Angaben des einvernommenen Zeugen - durchaus denkbar, daß der Berufungswerber diesen Vorfall nicht bemerkt hat. Dafür sprechen auch die Angaben des Berufungswerbers selbst, der im Zuge seiner Vernehmung angegeben hat, den gegenständlichen Vorfall nicht bemerkt zu haben. Nach der Kollision mit dem gegnerischen PKW fuhr der Berufungswerber ohne aus seinem LKW zu steigen in Richtung B-Gürtel davon. Die Berufungsbehörde ist bei dieser Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet eingebracht zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung, ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 4 Abs 1 lit a haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs 5 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigem Aufschub zu verständigen.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient oder der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Demnach ist Zweck des § 4 nicht an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herührt, ob die Angaben des am Unfall Beteiligten stimmen und überhaupt das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat sich ergeben, daß der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Übertretungen zu verantworten hat.

Dies hat sich insbesondere durch die letztendlich geständige Verantwortung des Berufungswerbers als auch durch die Aussage des Zeugen, Herrn P. Sch., der bei seiner Aussage unter Wahrheitspflicht bei sonstiger strafgerichtlicher Sanktion stand, herausgestellt. Dieser konnte im übrigen auch seine Argumente glaubwürdig und widerspruchsfrei darlegen. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß die Tatbestände des § 4 Abs 1 lit a und 4 Abs 5 StVO schon dann als gegeben anzunehmen sind, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind, oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Der Lenker muß den Geschehnissen um sein Fahrzeug volle Aufmerksamkeit zuweden. (VwGH 4.12.1988, 88/03/0084).

Nach der mündlichen Verhandlung vom 23.6.1992 ist bewiesen, daß der Berufungswerber den angezeigten Sachschaden beim Rückwärtsfahren im Kreuzungsbereich verursacht hat. Der Lenker ist bei jedem Rückwärtsfahren verpflichtet, sich entweder durch eigenen Augenschein oder durch entsprechende Verständigung mit einer als Einweiser fungierenden Person davon zu überzeugen, daß durch das Weiterfahren eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen und Sachen nicht eintreten kann (OGH 25.2.1971, 2 Ob 417170). Daraus folgt, daß beim Rückwärtsfahren ein besonders strenger Aufmerksamkeitsmaßstab gilt, bei dem ein danach verursachter Verkehrsunfall unter allen Umständen akustisch oder optisch wahrgenommen werden muß. Dies gerade im Bereich von Kreuzungen.

Des weiteren darf die Benutzung eines Autoradios nicht dazu führen, daß durch zu lauten Betrieb dadurch die Aufmerksamkeit des Lenkers gegenüber dem Verkehrsgeschehen beeinträchtigt wird. (VwGH 6.7.1984, 8202 0072).

Da der Berufungswerber dieser sehr streng normierten Aufmerksamkeitspflicht nicht nachgekommen ist, war ihm dies zum Vorwurf zu machen. Er hätte vielmehr auch angesichts der schwierigen Straßen- und Witterungsbedingungen (schneebedeckte Fahrbahn, Reversiervorgang in einem Kreuzungsbereich) sich eines Einweisers bedienen müssen oder durch Aussteigen, wenn notwendig auch öfter, sich über die Verkehrsverhältnisse hinter seinem Fahrzeug informieren müssen. Die vom Berufungswerber dargelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Besitz eines Grundstückes im Ausmaß von ca 1000 m2, Einkommen in der Höhe von ca S 15000,-- netto als Bauhilfsarbeiter, Sorgepflichten für 1 minderjähriges Kind) waren allein nicht geeignet eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen, da die von der Behörde I. Instanz verhängte Strafe hinsichtlich dieser Zumessungskriterien angepaßt erscheint.

Eine Herabsetzung der Strafe konnte jedoch deshalb vorgenommen werden, da sich der Berufungswerber während der öffentlichen, mündlichen Verhandlung schuldeinsichtig zeigte und überdies verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit vorliegt. Die nunmehr verhängte Strafe in dem ausgesprochenen Ausmaß für ein derartiges Delikt erscheint der Behörde ausreichend, um den Berufungswerber dadurch vor weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Es konnte somit unter Bedachtnahme auf die spezielpräventive Wirkung der Strafe, den Unrechtsgehalt der Tat, das Verschulden des Berufungswerbers und den dargelegten persönlichen Verhältnissen die verhängte Strafe herabgesetzt werden.

Schlagworte
Verkehrsunfall Wahrnehmbarkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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