TE UVS Niederösterreich 1992/06/29 Senat-WB-92-035

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Veröffentlicht am 29.06.1992
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VwGH vom 12.11.1992 92/18/0372 (Behandlung abgelehnt) Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991, S 7.200,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis des Magistrats der Stadt xx, M Bezirksamt xy vom 16. Jänner 1992, Zl xx, wurde über Herrn S S     als gemäß §9 VStG, BGBl Nr 52/1991, handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D     P       S      S     GesmbH wegen Übertretungen nach den Bestimmungen des §9 Arbeitszeitgesetzes BGBl Nr 461/1969 idgF eine Geldstrafe für 21 Verwaltungsübertretungen in der Gesamthöhe von S 36.000,--, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt 15 Tagen verhängt. Dem Beschuldigten wurde angelastet, als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ es zu verantworten zu haben, daß in insgesamt 21 Fällen die Höchstgrenzen der Arbeitszeit nach den zwingenden Bestimmungen des §9 Arbeitszeitgesetzes überschritten wurden.

 

Durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhebt der Beschuldigte fristgerecht Berufung, in der die angelasteten Überschreitungen der Arbeitszeitbestimmungen nicht in Abrede gestellt werden. Verwiesen wird im wesentlichen darauf, daß im gegenständlichen Fall ein einziges - fortgesetztes - Delikt vorliege. Die zur Last gelegten Verstöße gingen aber auf dem Umstand zurück, daß in der Zeit zwischen 1.7. und 14.7.1991 der Betriebsurlaub des Werkes der D P       unmittelbar bevorstand und ein - kurz vorher erteilter - umfangreicher Auftrag bis zum 14.7.1991 ausgeführt werden sollte. Allfällige Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, die in diesem Werk in der Folge begangen wurden, gingen demgemäß auf den einheitlichen Entschluß zurück, diesen Auftrag auszuführen und wurden im übrigen in unmittelbarer zeitlicher Kontinuität und in gleichartiger Weise verwirklicht. Daher habe nach Rechtsmeinung des Beschwerdeführers davon ausgegangen zu werden, daß nur ein einziges fortgesetztes Delikt vorliege. Somit hätte angesichts dieses Umstandes über den Einschreiter nur eine einzige Strafe verhängt werden dürfen. Im Rechtsmittel wird daher der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß §45 VStG einzustellen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat dazu folgendes erwogen:

 

Vom Berufungswerber wurde nicht in Abrede gestellt, daß die inkriminierten Tatbestände vorliegen und es zu den angeführten Überschreitungen der einschlägigen Bestimmungen des §9 Arbeitszeitgesetzes gekommen ist.

§9 Arbeitszeitgesetzes normiert, daß die Arbeitszeit 10 Stunden täglich nicht überschreiten darf und die sich aus §3 AZG ergebende Wochenarbeitszeit um nicht mehr als 10 Stunden wöchentlich überschritten werden darf. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch beim Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit einer Arbeitszeitverlängerung oder beim Zusammentreffen mehrerer Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.

Die Vorschrift setzt absolute Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit fest. Die tägliche Arbeitszeit darf 10 Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten.

Die in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Ausnahmen werden taxativ aufgezählt. Wenn sich nun der Berufungswerber darauf stützt, daß die zur Last gelegten Verstöße darauf zurückzuführen sind, daß während des Zeitraumes vom 1.7. bis zum 14.7.1991 der Betriebsurlaub des Werkes unmittelbar bevorstand und ein kurz vorher erteilter umfangreicher Auftrag ausgeführt werden sollte, so ist dem entgegenzuhalten, daß nach der Bestimmung des §20 Arbeitszeitgesetzes die außergewöhnlichen Fälle, in denen die Bestimmung des §9 Arbeitszeitgesetz keine Anwendung findet, taxativ aufgezählt sind. §20 Arbeitszeitgesetz bezieht sich ausschließlich auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten, die

a)

zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen, oder

b)

zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können.

 

Aus dieser Gesetzesbestimmung ist ersichtlich, daß §20 AZG den Zweck hat, eine Überschreitung der gesetzlich normierten Höchstgrenze der Arbeitszeit zu erlauben, wenn in außergewöhnlichen Fällen Mehrarbeit erforderlich wird und die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen schwerwiegende Nachteile für den Arbeitgeber oder Dritte zur Folge hätte. In außergewöhnlichen Fällen muß also der Arbeitnehmerschutz zur Wahrung höherwertiger Interessen zurückstehen.

Voraussetzung für die Anwendung des §20 AZG ist zunächst, daß es sich um einen außergewöhnlichen Fall handeln muß. Aus dem Sinn des §20, für Notfälle eine Überschreitung der Arbeitszeitgrenzen zu erlauben, wird zu schließen sein, daß es sich um Ereignisse handeln muß, auf die der Arbeitgeber nicht anders als mit einer Verlängerung der Arbeitszeit reagieren kann. Vorhersehbare oder regelmäßig wiederkehrende Ereignisse (beispielsweise Inventur, Weihnachtsgeschäft, Aufstellung neuer Maschinen) können deshalb nicht als außergewöhnliche Ereignisse bewertet werden (vgl dazu §14 AZO OGH ZAS 1967/1; OGH ÖVA 1962, 111).

Die Erlaubnis zur Überschreitung der Höchstgrenzen der Arbeitszeit bezieht sich weiters nur auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten. Damit wird deutlich gemacht, daß die Überschreitung der Arbeitszeit nur soweit erlaubt ist, als die Arbeit zur Abwendung der lita und b umschriebenen Gefahren unbedingt notwendig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.9.1990, Zl 90/19/0245, zum §20 Abs1 AZG folgendes festgestellt:

 

Außergewöhnliche Fälle im Sinne des §20 Abs1 AZG sind Ereignisse, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und nur nach strengsten Maßstäben zu einer vorübergehenden Durchbrechung der gesetzlichen Schutzvorschriften berechtigen können. Die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände dürfen weder regelmäßig noch vorhersehbar sein. Handelt es sich um Arbeiten, die zur Verhütung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, so müssen gemäß §20 Abs1 litb AZG unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können.

Das Gesetz umschreibt somit in taxativer Form, daß unter anderem die Bestimmung des §9 AZG keine Anwendung auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten findet, die zur Verhütung eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens abzielen. Die Ausnahmebestimmung des §20 AZG gilt nicht bei einem drohenden bloßen Geldschaden. Ein Zeitdruck, der sich aus Lieferterminschwierigkeiten ergibt, berechtigt nicht zur Inanspruchnahme des §20 AZG. Im gegenständlichen Fall muß es dem Beschwerdeführer bewußt sein, daß es bei Annahme eines umfangreichen Auftrages mit fixem Liefertermin, welcher in den geplanten Betriebsurlaub des Werkes fällt, zu Schwierigkeiten kommen kann. Unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe gemäß der Bestimmung des §20 Abs1 litb AZG lagen somit nicht vor, zumal andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes, beispielsweise kurzfristige Erhöhung des Mitarbeiterstandes, getroffen hätten werden können. Der Hinweis in der Berufung, daß ein einheitlicher Willensentschluß vorlag, bringt nichts für den Berufungswerber, da es sich bei dem Arbeitszeitgesetz um eine soziale Schutznorm handelt, die der freien Übereinkunft entzogen ist.

 

Der Rechtsauffassung in der Berufung, daß im gegenständlichen Fall nur ein einziges fortgesetztes Delikt zur Last gelegt werden kann, ist nicht zu folgen: Bei der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts wird zwar grundsätzlich die Identität des Angriffsobjekts nicht gefordert. Handelt es sich aber um höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben, Ehre oder Gesundheit, so ist ein Fortsetzungszusammenhang dann zu verneinen, wenn die einzelnen Angriffe gegen verschiedene Personen gerichtet sind. Da die Norm des §9 Abs1 AZG dem gesundheitlichen Schutz der Dienstnehmer dient, liegen insoweit mehrere Straftaten vor, als sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richtet (VwGH 30.3.1982, 81/11/0087).

Verstöße gegen die Verbote der Beschäftigung eines Arbeitnehmers an mehreren Tage einer Woche über die gesetzlich festgelegte Tagesarbeitszeit und in dieser Woche über die ebenso bestimmte Wochenarbeitszeit sind nicht als eine einzige Übertretung zu bestrafen (VwGH 30.5.1989, 88/08/0168).

 

Gemäß §19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im Abs2 dieser Bestimmung sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Bei einem möglichen Strafrahmen von S 300,-- bis S 6.000,-- oder Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen je Delikt gemäß der Bestimmung des §28 AZG erscheint die Höhe der verhängten Strafe der Tat durchaus schuldangemessen und sowohl geeignet, eine generalpräventive Wirkung zu erzielen, als auch den Beschuldigten von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Gründe war daher der Berufung im vorliegenden Fall der Erfolg zu versagen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

Gemäß §51e Abs2 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sämtliches Vorbringen in der Berufung unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung subsumierbar ist und die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in der Berufung nicht ausdrücklich verlangt wurde.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten Gesetzesstellen, danach ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Berufungsverfahren mit 20 % der verhängten Strafe zu bemessen. Der Berufungswerber hat daher insgesamt folgende Beträge zu entrichten:

1) verhängte Geldstrafe                           S 36.000,--

2) Kostenbeitrag zum Verfahren I.Instanz          S  3.600,--

3) Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens  S  7.200,--

                                                  -----------

                               Gesamt             S 46.800,--

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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