Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.
Die Berufungswerberin hat gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991, S 600,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.
Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom
2.7.1991, Zl. , wurde über Frau M S als
Lehrberechtigte des Lehrlings M W wegen Übertretungen
nach dem BAG eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.
Der Beschuldigten wurde angelastet, den Lehrling M W im
Rahmen des Ausbildungsverhältnisses zu berufsfremden Arbeiten herangezogen zu haben, die mit dem Wesen der Ausbildung nicht vereinbar sind.
Die Beschuldigte erhebt dagegen fristgerecht Berufung und führt aus, daß ihr kein schuldhaftes Verhalten angelastet werden könne, da sie im fraglichen Zeitraum Mitte bis Ende November 1990 im Betrieb wegen Krankheit nicht anwesend sein konnte und für diese Zeit ihren Gatten mit der Geschäftsführung betraut habe. Sollte im gegenständlichen Zeitraum des Novembers 1990 ihr Gemahl tatsächlich den Lehrling W eigenmächtig zu ausbildungsfremden Arbeiten herangezogen haben, könne ihr kein Fehlverhalten angelastet werden. Die verhängte Strafe stelle aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage des Betriebes und der niederen Pension ihres Gatten eine unangemessene Härte dar. Es wird der Berufungsantrag gestellt, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben, in eventu die verhängte Geldstrafe auf ein schuldangemessenes Maß herabzusetzen.
Aufgrund der am 16.7.1992 bei der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten Verhandlung wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Die Berufungswerberin ist ihrer gesetzlichen Verpflichtung, als
Lehrberechtigte den Lehrling M W nur zu solchen
Tätigkeiten heranzuziehen, die mit dem Wesen der Ausbildung
vereinbar sind, nicht nachgekommen.
Dieser Feststellung wird die durchaus glaubhafte, schlüssige und
logisch nachvollziehbare Aussage der Zeugen H und W
zugrunde gelegt. Nicht nur die Aussagen dieser Zeugen liefern
ausreichende und sichere Anhaltungspunkte für die Schlußfolgerung,
daß die Berufungswerberin gegen die einschlägigen gesetzlichen
Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes verstoßen hat, sondern
insbesondere auch die Tatsache, daß im Zuge der mündlichen
Verhandlung Schriftstücke vorgelegt wurden, die die Zeugenaussagen
vollinhaltlich bestätigen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die von der
Zeugin W vorgelegten internen Arbeitsaufzeichnungen des
Betriebes S , die im vollen Einklang mit ihrer eigenen
Zeugenaussage stehen, von der Berufungswerberin auf Vorhalt im
großen und ganzen als echt und richtig anerkannt worden. Aus diesen
Auszeichnungen ist klar zu erkennen, daß die Lehrlinge berufsfremde
Arbeiten verrichten mußten. Auch die Benennung einer zusätzlichen
Zeugin für die Richtigkeit der getätigten Aussagen spricht für die
Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugen H und W .
Demgegenüber ist dem Zeugen E S vorzuhalten, daß seine
Aussage einzig und allein darauf abzielte, die seiner Gattin
angelasteten Verwaltungsübertretungen möglichst zu verharmlosen. Es
wurde weder von der Berufungswerberin noch vom Zeugen E S
substantiell bestritten, daß die Lehrlinge auch berufsfremde Tätigkeiten verrichten mußten. Es wurde vorwiegend der behauptete Umfang und das damit verbundene Zeitausmaß, das mit der Verrichtung dieser nicht spezifischen Berufstätigkeit verbunden war, als unrichtig dargestellt. Es wurde ferner eingestanden, daß Geschirreinigung, Holz schlichten, WC-Putzen, Keller aufwischen, Auto säubern und Hofreinigung von den Lehrlingen verrichtet wurde. Der Zeuge S führte aus, daß seitens der Lehrlinge diese berufungsfremden Tätigkeiten meist aus reiner Gefälligkeit und aus freien Stücken, auch während der Mittagszeit, verrichtet wurden. Diesen Angaben schenkt der erkennende Senat keinen Glauben, da sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht entsprechen.
Der Aussage der Berufungswerberin und des Zeugen E S konnte somit bei Verwertung der allgemeinen Lebenserfahrungen nur eine geringe Glaubwürdigkeit zugebilligt werden.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ folgendes erwogen:
Die Rechtsansicht in der Berufung, wegen der Erkrankung im Zeitraum November 1990, könne wegen eigenmächtiger Heranziehung des Lehrlings W zu ausbildungsfremden Tätigkeiten durch den Gatten der Berufungswerberin, dieser kein Fehlverhalten angelastet werden, ist verfehlt. Die Beschuldigte hat für die Zeit ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit ihren Gatten mit der Geschäftsführung betraut.
§9 Abs1 des Berufsausbildungsgesetzes sieht vor, daß der Lehrberechtigte für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen hat und ihn unter Bedachtnahme auf die Ausbildungsvorschriften des Lehrberufes selbst unterweisen muß oder durch geeignete Personen unterweisen läßt.
Zieht der Lehrberechtigte zur Unterweisung des Lehrlings eine oder mehrere andere "geeignete Personen" heran, so verbleibt die volle Verantwortung für die Ausbildung beim Lehrberechtigten (vgl OGH vom 27. Jänner 1988, ARD 3987/16). Nimmt der Lehrberechtigte die Ausbildung und Unterweisung des Lehrlings nicht persönlich vor, so haftet er dem Lehrling gegenüber für die "geeignete Person" gemäß der Bestimmung des §1313a ABGB (Haftung für Erfüllungsgehilfen). Kommt der Lehrberechtigte seiner Unterweisungspflicht weder persönlich noch durch eine beauftragte geeignete Person nach, so liegt eine Pflichtvernachlässigung des Lehrberechtigten vor. Den Unternehmer trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Falle der Nichtbestellung einer tauglichen Person als Vertreter.
§9 Abs2 des Berufsausbildungsgesetzes bestimmt, daß der Lehrberechtigte den Lehrling nur zu solchen Tätigkeiten heranzuziehen hat, die mit dem Wesen der Ausbildung vereinbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist somit in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die dem Lehrling zugewiesene Arbeit oder Tätigkeit noch der beruflichen Ausbildung dient. (vlg OGH vom 10. Juli 1984, Arb 10360). Bei dieser Prüfung ist als entscheidender Maßstab der Inhalt des in den Ausbildungsvorschriften enthaltenen Berufsbildes anzusehen, in welchem jene wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse beschrieben sind, die der Lehrberechtigte während der Lehrzeit zu vermitteln hat (vgl OHG vom 14. September 1982 Arb 10181; OGH vom 10. Juli 1984 Arb 10360).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Lehrlinge seitens der Berufungswerberin zu ausbildungsfremden Tätigkeiten in nicht unerheblichem zeitlichen Ausmaß herangezogen wurden. Das Reinigen von Geschirr, Holz schlichten, Keller putzen, teilweise Autoreinigung, Gehsteigreinigung, Hofreinigung, WC-Reinigung sind nicht Tätigkeiten, die auch noch im entferntesten der beruflichen Ausbildung dienen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß rund ein Viertel der wöchentlichen Arbeitszeit mit ausbildungsfremden Tätigkeiten verbracht wurde, ist davon auszugehen, daß der Lehrberechtigte seine in der Bestimmung des §9 BAG festgesetzten Pflichten gröblich verletzt hat.
Zur Frage der Höhe der verhängten Strafe wird ausgeführt:
Gemäß der Bestimmung des §19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Desweiteren sind bei der Bemessung der Strafe die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen und sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Behörde erster Instanz hat bei der Strafbemessung als mildernd ihre bisherige Verwaltungsstraflosigkeit nach dem Berufsausbildungsgesetz berücksichtigt. Die Strafbestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes sehen bei Heranziehung des Lehrlings zu berufsfremden Tätigkeiten die Verhängung einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- oder Arrest bis zu drei Wochen vor.
Im Hinblick auf die nicht unbedeutende Gefährdung der vom Gesetz geschützten Interessen und dem Fehlen einer Schuldeinsicht ist die von der Bezirkshauptmannschaft xx verhängte Geldstrafe von S 3.000,-- als durchaus angemessen zu betrachten. Die so festgesetzte Geldstrafe erscheint auch unter Bedachtnahme auf ein unterdurchschnittliches Einkommen und die allseitigen Verhältnisse der Berufungswerberin als angemessen und geeignet, die Beschuldigte in Hinkunft von gleichgelagerten Verhaltensweisen abzuhalten. Durch die Höhe der Bestrafung wird gleichfalls eine generalpräventive Wirkung erzielt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten Gesetzesstelle, danach ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Berufungsverfahren mit 20 % der verhängten Strafe zu bemessen. Die Berufungswerberin hat daher insgesamt folgende Beträge zu entrichten:
1) verhängte Geldstrafe S 3.000,--
2) Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz S 300,--
3) Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 600,--
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Gesamt S 3.900,--