Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat über die Beschwerde des Herrn Dr A G, pA Wien 5, K-gasse, vertreten durch Rechtsanwalt Dr ..., etabliert in Wien 7, gegen die Vollstreckbarkeitsbestätigung auf dem Rückstandsausweis sowie gegen das an das Exekutionsgericht Wien um Exekution des Gehalts des Beschwerdeführers gerichtete Gesuch der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter durch sein Mitglied DDr Schönberger wie folgt entschieden:
Die Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
I. Beschwerdevorbringen
Der Beschwerdeführer brachte (wörtlich) folgendes vor:
"Die belangte Behörde beantragte mit undatiertem Schriftsatz, beim Exekutionsgericht Wien eingelangt am 17.6.1992 auf Grund des Rückstandsausweises 04/91 vom 24.11.1991, die Bewilligung der Pfändung der Bezüge des Beschwerdeführers zur Hereinbringung einer Forderung in Höhe von S 385,60.
Der dieser Exekution zugrundeliegende Rückstandsausweis wurde am 22.11.1991 durch Hinterlegung in Wien, T-gasse zugestellt, und langte mangels Behebung am 9.12.1991 wiederum bei der belangten Behörde ein.
Die Zustellung des Rückstandsausweises war in zweifacher Hinsicht rechtswidrig. Der Beschwerdeführer ist nämlich bereits am 19.11.1991 von der Anschrift 1040 Wien, T-gasse, nach 1050 Wien, K-gasse übersiedelt, sodaß die Anschrift 1040 Wien, keine Zustelladresse im Sinne des Zustellgesetzes mehr war. Überdies hat sich der Beschwerdeführer zwischen 21.11. und 5.12.1991 nicht in Wien, sondern vorerst in Kuba und sodann in Graz aufgehalten, sodaß auch Ortsabwesenheit vorgelegen ist. Der belangten Behörde war die Adressenänderung bekannt, zumal Krankenscheine an die neue Adresse des Beschwerdeführers abgesendet wurden und auch bei der nunmehrigen Exekution die tatsächliche Adresse angegeben worden ist.
Die belangte Behörde hat somit rechtswidrig und wider besseres Wissen den Vollstreckbarkeitsvermerk auf den Rückstandsausweis angebracht und diesen in Exekution gezogen.
Durch dieses Vorgehen wurde der Einschreiter in seinem Eigentumsrecht verletzt; nunmehr erliegt im Personalakt eine Exekutionsbewilligung - diese Tatsache berührt das Grundrecht auf freie Erwerbsausübung, da der Umstand geeignet ist, das berufliche Fortkommen zu behindern.
Der Beschwerdeführer hat erst durch die Zustellung der Exekutionsbewilligung am 25.6.1992 von der Vorgangsweise der belangten Behörde erfahren, sodaß die Beschwerde als rechtzeitig anzusehen ist.
Die belangte Behörde ist ein Selbstverwaltungskörper, unterliegt jedoch der Aufsicht des Bundesministers für soziale Verwaltung, sodaß der angefochtene Verwaltungsakt diesem ebenfalls zuzurechnen ist.
Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Erwägungen als zulässig:
Der OGH hat mit Erkenntnis vom 12.4.1989, 3 Ob 17/89, ausgesprochen, daß für Einwendungen gegen Exekutionsbewilligungen auf Grund eines Rückstandsausweises eines Selbstverwaltungskörpers nicht immer offen steht. Unzulässig ist der Rechtsweg insbesondere, wenn es um die sachliche Überprüfung eines solchen Exekutionstitels oder um die Richtigkeit der Bestätigung der Vollstreckbarkeit geht. Letzteres ist seit der 6. Gerichtsentlastungsnovelle durch die Bestimmung des §7 Abs4 EO klargestellt. Der Rechtsweg wäre für eine Impugnationsklage nur zulässig, wenn die Vollstreckbarkeit von einer nach §7 Abs2 EO zu beweisenden Tatsache abhinge.
Mit Erkenntnis vom 16.12.1987, 3 Ab 126/87, führte der OGH aus, daß das Gericht lediglich die formelle Rechtskraft oder die Vollstreckbarkeit eines verwaltungsbehördlichen Titels unter dem Gesichtspunkt prüfen kann, ob der als Exekutionstitel vorgelegte Rückstandsausweis den vom Gesetz vorgeschriebenen Inhalt hat. Nie kann es aber darum gehen, daß das Gericht überprüft, ob ein Rückstandsausweis zugestellt wurde oder ob er eine vorangehende Mahnung erfordert hätte.
Mangels Zustellung des Rückstandsausweises ist im gegenständlichen Fall die Fälligkeit der Forderung nicht eingetreten, womit sich eine Exekutionsführung als rechtswidrig erweist. Aus der obigen Judikatur ergibt sich aber, daß es dem Beschwerdeführer nicht möglich ist, die Exekutionsbewilligung bzw den Rückstandsausweis mittels Impugnations- oder Oppositionsklage zu beseitigen. Auf Grund der gesetzlichen Lage bzw der dazu ergangenen Judikatur können Einwendungen gegen Rückstandsausweis nur nach erfolgter Bewilligung der Exekution bei der belangten Behörde geltend gemacht werden, es versteht sich von selbst, daß dadurch die faktische Amtshandlung, nämlich die Bestätigung der Vollstreckbarkeit und die anschließende Exekutionsführung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich sowohl die Bestätigung der Vollstreckbarkeit, als auch das Gesuch um Gehaltsexekution, insbesondere unter Bedachtnahme auf den Zustellanstand, als faktische Amtshandlung - in diesem Zusammenhang ist insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg 8867 zu verweisen. Ist nämlich die Vollstreckbarkeit bestätigt, so hat das Gericht keine andere Möglichkeit, als auf Grund der Behauptungen der belangten Behörde die Exekution zu bewilligen.
Die Bestätigung der Vollstreckbarkeit und das Gesuch um Gehaltsexekution haben irreversible Schäden auf Seiten des Beschwerdeführers hervorgerufen, welche durch Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges nicht mehr beseitigt werden können. Wie zuvor aufgezeigt, sind nämlich klagsweise Einwendungen im Exekutionsverfahren unzulässig, der einzige dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Rechtsbehelf sind Einwendungen gegen den Rückstandsausweis bei der belangten Behörde selbst. Dieses Vorgehen führt möglicherweise zu einer Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Rückstandsausweises, ändert jedoch nichts daran, daß dieser bereits in Exekution gezogen worden ist und der Beschwerdeführer im Namensregister des Exekutionsgerichtes Wien als verpflichtete Partei aufscheint bzw die Exekutionsbewilligung in den Personalakten erliegt."
II. Rechtliche Beurteilung
Gemäß §67a Abs1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein. Zunächst ist also festzuhalten, daß die Beschwerdeberechtigung nach §67a 1Z 2 AVG an die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person geknüpft ist.
Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein behördliches Handeln, das sich bereits als solches im Bereich des Faktischen auswirkt, ohne daß es hiezu weiterer Tathandlungen bedürfte. Diese Voraussetzung erfüllt ein Sachverhalt aber nur dann, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen (vgl zB Erk d VwGH vom 19.3.1990, 89/12/0036).
Im vorliegenden Fall hat jedoch die bloße Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Rückstandsausweises bzw das an das Exekutionsgericht Wien gerichtete Gesuch der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter um Exekution des Gehalts des Beschwerdeführers für sich allein betrachtet keine faktischen Auswirkungen.
Dazu bedarf bzw bedurfte es erstens noch eines weiteren behördlichen Handelns, nämlich einer Exekutionsbewilligung (bzw einer Vollstreckungsverfügung), und zweitens deren tatsächlichen Durchführung; erst die letztere Handlung greift tatsächlich unmittelbar in Rechte des Beschwerdeführers ein. Gegen die tatsächliche Exekutionsführung hat der Beschwerdeführer jedoch keine Beschwerde erhoben.
Daß die Vollstreckbarkeitsbestätigung keine unmittelbaren Auswirkungen für den Beschwerdeführer zeitigt, geht schon daraus hervor, daß die Bestätigung der Vollstreckbarkeit- im Gegensatz zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt - aufgehoben werden kann (und zwar auch dann, wenn die Exekution schon bewilligt wurde, aber jedenfalls auch dann, wenn noch keine Zwangsmaßnahme gegen den Beschwerdeführer gesetzt, die Exekution also noch nicht vollzogen wurde), wobei die Behörde, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist, über die Rechtsmäßigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu entscheiden hat (§ 3 Abs 2 VVG). Auch eine Exekutionsbewilligung kann - im Gegensatz zu einer Handlung, die eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt - unter bestimmten Voraussetzungen noch vor Setzung der unmittelbaren Zwangsmaßnahme rückgängig gemacht werden.
Im vorliegenden Fall lag somit mit der Rechtskraftbestätigung bzw mit dem Ersuchen um Gehaltsexekution keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt vor. Untermauert wird dies noch durch die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß er erst durch die Zustellung der Exekutionsbewilligung am 25.6.1992 von der Vorgangsweise der belangten Behörde erfahren habe.
Denn der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist jedenfalls immanent, daß ein sofortiger Zwang gegen den Beschwerdeführer gerichtet wird, der daher sogleich mit der Setzung der Zwangsmaßnahme evident wird.
Da demnach nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien durch die vom Beschwerdeführer angeführten beiden Handlungen (Vollstreckbarkeitsbestätigung und Exekutionsersuchen) keine unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt wurde, war mangels eines entsprechenden Beschwerdegegenstandes die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Bemerkt wird noch, daß der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde - entgegen §67c Abs2 Z6 - nicht dargelegt hat, wann die Vollstreckbarkeitsbestätigung erteilt wurde.
Somit konnte hinsichtlich der Vollstreckbarkeitsbestätigung die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung nicht überprüft werden. Die Beschwerde wäre daher hinsichtlich der Vollstreckbarkeitsbestätigung auch deswegen zurückzuweisen gewesen, zumal ein Fehlen der Angaben über die Rechtzeitigkeit der Beschwerde nicht als Formgebrechen im Sinne des §13 Abs3 AVG angesehen werden kann.