TE UVS Wien 1992/09/08 02/32/57/92

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Veröffentlicht am 08.09.1992
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Betreff

Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Zurückweisung

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat über die Beschwerde der Beatrix B, vertreten durch ihren Vater, Dr Helmut B, wohnhaft in G, als gesetzlichen Vertreter, mit der sie behauptet, "durch Schulausschluß ohne Durchführung der gesetzlichen Ausschlußverfahren und ohne Vorliegen eines gesetzlichen Ausschließungsgrundes" in ihren Rechten, insbesondere "in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter", verletzt zu sein, durch sein Mitglied DDr Schönberger wie folgt entschieden:

Die Beschwerde vom 5.9.1992, eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am 7.9.1992, ergänzt durch die Eingaben vom

7. und 8.9.1992 (eingelangt am 8. und 10.9.1992), wird gemäß §67c Abs3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde "wegen Gefahr in Verzug" wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

I. Beschwerdevorbringen

Abgesehen von der mit 5.9.1992 datierten Beschwerde langten auch Ergänzungsschreiben vom 7.9.1992 und 8.9.1992 beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ein.

Der gesetzliche Vertreter der Beschwerdeführerin bringt hierbei im wesentlichen vor, durch das in Ablichtung beigeschlossene Schreiben des Direktors der Höheren Internatsschule des Bundes (Bundeserziehungsanstalt) G vom 7.8.1992, Zl 1066/92/U/ME, am 10.8.1992 erfahren zu haben, daß seitens des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst der Direktion der oben angeführten Schule mitgeteilt worden sei, daß der Platzgebührenrückstand für die Beschwerdeführerin und zwei ihrer Geschwister (alle drei als Schüler der oben angeführten Schule) umgehend zu bezahlen sei und daß bei Nichtbezahlung der ausstehenden Platzgebühren die Beschwerdeführerin und ihre beiden Geschwister für das Schuljahr 1992/93 nicht aufgenommen werden würden.

Die Höhere Internatsschule des Bundes (Bundeserziehungsanstalt) in G sei eine allgemein zugängliche, öffentliche Schule, die als "Zentralschule" des Bundes dem Bundesminister für Unterricht und Kunst unterstellt wäre.

In den Höheren Internatsschulen des Bundes seien Schule und Internat gesetzlich zu einer untrennbaren Einheit organisch verbunden. Dieser eigenständige Schultyp werde nach einem einheitlichen Erziehungsplan geführt, nach dem die

 

Internatsschüler (Zöglinge) nicht nur Unterricht, sondern von Gesetzes wegen auch Erziehung, Betreuung, Unterkunft und Verpflegung erhalten.

Die Beschwerdeführerin (die Schülerin B B) sei von ihrem Vater rechtzeitig für das Schuljahr 1991/92 in die 2. Klasse der Höheren Internatsschule des Bundes (Bundeserziehungsanstalt) G vollintern als Internatsschülerin angemeldet worden.

Nach Durchführung des Aufnahmeverfahrens sei die Aufnahme als Internatsschülerin durch Anschlag an der Amtstafel der Internatsschule zum Ende des Schuljahres 1990/91 erfolgt. Zusätzlich habe die Internatsschule den gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin von der erfolgten Aufnahme schriftlich verständigt.

Als Internatsschülerin habe sie die 2. Klasse des Schuljahres 1991/92 in der Höheren Internatsschule des Bundes (Bundeserziehungsanstalt) in G mit weit überdurchschnittlichem Erfolg bei einem Notendurchschnitt von 1,8 und mit der bestmöglichen Verhaltensbeurteilung "sehr zufriedenstellend" abgeschlossen.

Die Abteilung I/III des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst habe nun die in Beschwerde gezogene Maßnahme gesetzt, wonach die in die Höhere Internatsschule des Bundes (Bundeserziehungsanstalt) G rechtskräftig aufgenommene Beschwerdeführerin - ohne Durchführung eines Ausschlußverfahrens - "für das Schuljahr 1992/93 nicht aufgenommen werden" dürfe, wenn die öffentlich-rechtlichen Gebühren für die Internatsschule, die mit öffentlich-rechtlichem Bescheid weder festgesetzt noch fällig gestellt seien, nicht bezahlt würden.

Das Gesetz zähle auch diesfalls die Frage der Gebühren für eine Internatsschule nicht zu den erlaubten Ausschließungsgründen. Der gesetzliche Vertreter der Beschwerdeführerin führt weiters aus, daß er im Hinblick auf die umfangreichen Sorgepflichten für sechs minderjährige Schulkinder, die Ehegattin und seine im 90. Lebensjahr stehende Mutter, also für 8 Personen, für seine drei die oben angeführte Schule besuchenden Kinder erfolglos teils um eine Beihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz, teils um einen Direktzuschuß zu den öffentlich-rechtlichen Gebühren für die Internatsschule und (ebenso erfolglos) um Stundung ersucht habe. Die bekämpfte Maßnahme des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, daß alle drei Internatsschüler (die Beschwerdeführerin und ihre beiden Geschwister) "für das Schuljahr 1992/93 nicht aufgenommen werden dürfen", erweise sich aus folgendem Grund grob rechtswidrig:

Gemäß §4 Abs2 SchulOG dürfe die Aufnahme eines Schülers in eine öffentliche Schule nur aus den nachstehend taxativ angeführten, gesetzlichen Gründen abgelehnt werden.

a) wenn der Schüler die schulrechtlichen Aufnahmebedingungen nicht erfüllt; b) wenn der Schüler dem für die Schule vorgesehenen Schulsprengel nicht angehört; c) wenn für die Schule kein Schulsprengel vorgesehen ist, wegen Überfüllung der Schule. Gemäß §3 Abs1 lita SchUG sei als Schüler nach Maßgabe des §5 SchUG aufzunehmen, wer die gesetzlichen Aufnahmsvoraussetzungen für die betreffende Schulart und Schulstufe erfüllt. Die Aufnahme dürfe nur aus den im §4 Abs2 SchulOG genannten Gründen abgelehnt werden.

Bei Vorliegen der gesetzlichen Aufnahmevoraussetzungen habe daher der Schüler einen Rechtsanspruch auf Aufnahme nach Maßgabe des §5 SchUG.

 

Gemäß §5 Abs2 Satz2 SchUG sei die erfolgte Aufnahme durch Anschlag an der Amtstafel der Schule bekanntzugeben. Gemäß §3 Abs8 SchUG gelte die Aufnahme ohne weitere Anmeldung für alle an der betreffenden Schule geführten Schulstufen derselben Schulart bis zur Beendigung des Schulbesuches im Sinne des §33 SchUG.

Für einen Schüler, der bereits rechtsgültig in eine Schule aufgenommen sei, biete das Gesetz keinen Raum für eine verfahrensfreie, verwaltungsbehördliche Maßnahme, daß er nicht aufgenommen werden dürfe.

Alle drei Internatsschüler seien daher aus den schon weiter oben angeführten Gründen rechtskräftig in die Internatsschule aufgenommen.

Eine Beendigung des Besuches der Internatsschule gemäß §33 SchUG sei nicht erfolgt.

Die im Jahre 1991 und 1992 rechtskräftig erfolgten Aufnahmen gelten sohin - jeweils ohne neuerliche Anmeldung und ohne neuerliches Aufnahmeverfahren und ohne neuerliche Aufnahmeentscheidung zu Beginn eines jeden Schuljahres - ex lege für alle an der Höheren Internatsschule des Bundes in G geführten Schulstufen bis zur Beendigung des Schulbesuches.

Die erkennbar beabsichtigte Rechtswirkung der Maßnahme des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst stelle daher ohne Zweifel auf einen Ausschluß aller drei Schüler (der Beschwerdeführerin und ihrer beiden Geschwister) aus der Höheren Internatsschule des Bundes in G ab.

Das Verfahren zum Ausschluß eines Schülers aus der Schule regle §49 SchUG Ein Schulausschluß dürfe nur mit Bescheid erfolgen. Die Gründe für einen Ausschluß seien im §49 Abs1 SchUG taxativ genannt:

*) Schwerwiegende Pflichtverletzung durch den Schüler, *) erfolglose Anwendung von Erziehungsmitteln,

*) ein Verhalten mit dauernder Gefährdung anderer Schüler. Andere Ausschließungsgründe lasse das Gesetz nicht zu. Insbesondere lasse das Gesetz öffentlich-rechtliche Gebührenansprüche des Schulerhalters, hier des Bundes, - deren Höhe und Fälligkeit zudem bisher mit öffentlich-rechtlichem Bescheid noch gar nicht festgesetzt seien - als Ausschließungsgrund nicht zu.

Zudem verlange das Gesetz für die Einleitung eines Ausschlußverfahrens einen Antrag auf Ausschluß aus der Schule. Über einen solchen Antrag habe das (hier aus fast 100 Professoren bestehende) Kollegialorgan Schulkonferenz nach Anhörung der Schüler Beschluß zu fassen (§49 Abs2 und §57 Abs2 SchUG). II. Rechtliche Beurteilung

Gemäß §67a Abs1 Zif2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein. Eine Beschwerde gemäß §67a Abs1 Zif2 iVm §67c AVG kann aber von den unabhängigen Verwaltungssenaten nur in Behandlung genommen werden, wenn es sich tatsächlich um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein behördliches Handeln, das sich bereits als solches im Bereich des Faktischen auswirkt, ohne daß es hiezu weiterer Tathandlungen bedürfte. Diese Voraussetzung erfüllt ein Sachverhalt aber nur dann, wenn es keines dazwischengeschaltenen weiteren Handelns mehr bedarf, um den

 

behördlich gewollten Zustand herzustellen (vgl zB Erkenntnis des VwGH vom 19.3.1990, Zahl 89/12/0036).

Im vorliegenden Fall wird weder durch das Schreiben des Direktors der Höheren Internatsschule des Bundes G vom 7.8.1992, Zahl 1066/92/U/ME, noch durch die in diesem Schreiben enthaltene telefonische Mitteilung des Leiters der Abteilung I/III des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für sich allein betrachtet die von der Beschwerdeführerin bzw von ihrem gesetzlichen Vertreter behauptete faktische Auswirkung, nämlich der Schulausschluß der Beschwerdeführerin, erzielt.

1. Eine unmittelbare Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt liegt schon deswegen nicht vor, weil diese Mitteilung der Beschwerdeführerin gar nicht unmittelbar zugekommen ist; vielmehr wurde diese telefonische Mitteilung dem Direktor der betreffenden Schule gegenüber gemacht. Doch selbst wenn die Mitteilung der Beschwerdeführerin gegenüber gemacht worden wäre, wäre sie (da telefonisch erfolgt) nicht unmittelbar.

2. Einer bloßen Mitteilung (mag sie nun auf telefonischem Wege - wie im gegenständlichen Fall - oder schriftlich oder auf andere Weise erfolgen) fehlt es aber auch an Zwangscharakter:

Denn durch die Mitteilung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst wird nur eine allfällige Absichtserklärung dargetan, aber nicht in subjektive Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen, da durch die Mitteilung weder ein physischer Zwang ausgeübt noch die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei "Nichtbefolgung eines Befehls" drohe; die Mitteilung ist überhaupt kein solcher Befehl. Unmittelbarer Zwang läge vielmehr nur vor, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren behördlichen Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen.

Dies trifft im in der Beschwerde vorgebrachten Fall nicht zu.

3. Die Beschwerdeführerin (bzw ihr gesetzlicher Vertreter) hat die Möglichkeit, die in der Mitteilung dargelegten Folgen durch Bezahlung der Gebühren gar nicht eintreten zu lassen. Erst im Falle der Nichtbezahlung der ausständigen Platzgebühren der Beschwerdeführerin (und ihrer beiden Geschwister) soll sie (ebenso wie ihre Geschwister) die Schule nicht mehr weiter besuchen dürfen.

Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt aber nicht vor, wenn die befürchtete Zwangsmaßnahme durch eigenes Handeln der Beschwerdeführerin bzw ihres gesetzlichen Vertreter (im gegenständlichen Fall durch Bezahlung der ausstehenden Platzgebühren) abgewendet werden kann.

4. Schließlich mangelt es der Mitteilung schon deswegen an behauptetem unmittelbaren Zwangscharakter, da der behauptete "negative Erfolg" (nämlich der Ausschluß der Beschwerdeführerin vom Unterricht) noch gar nicht eingetreten ist. Die Befürchtung des Eintrittes eines zukünftigen, in Wahrheit noch ungewissen, Ereignisses ist jedenfalls nicht mit seinem Vollzug gleichzusetzen.

Ergebnis:

Es mangelt daher an wesentlichen, nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte für die Qualifikation als Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erforderlichen Kriterien, insbesondere der Unmittelbarkeit und dem Zwangscharakter.

Da demnach eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gar nicht vorlag, fehlt es im vorliegenden Fall an einem tauglichen Beschwerdegegenstand.

 

Die Beschwerde und damit auch der Antrag auf Zuerkennung ihrer aufschiebenden Wirkung waren daher gemäß §67c Abs3 und §67d Abs1 AVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.

Schlagworte
Platzgebühren; Internat; Nichtbezahlung; Schule; Schulausschluß; Schulunterricht
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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