er Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, iVm §24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich des Deliktes 1 (Verweigerung der Annahme der Grünen Tonne) behoben.
Gemäß §45 Abs1 Z1 VStG wird hinsichtlich dieses Deliktes 1 die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft
xx Herrn A Z zweier Übertretungen nach dem NÖ
Abfallwirtschaftsgesetz schuldig erkannt, da er als Eigentümer der
Liegenschaft xx, gasse 8, im Zeitraum vom 1.1.1989
bis 9.7.1991 1. die Annahme der Grünen Tonne verweigert und 2. keine Müllbehandlungsgebühr bezahlt hat. Gestützt wurde die Bestrafung auf die Bestimmungen der §§17 und 38 Abs1 Z11 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz und §2 Abs3 und §8 der Verordnung der Gemeinde xx vom 16.12.1988. Verhängt wurde wegen der angelasteten Verwaltungsübertretungen eine Gesamtstrafe in Höhe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Stunden). Darüberhinaus wurde die Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten in Höhe von S 30,-- ausgesprochen.
Dagegen richtet sich ein mit 29.9.1991 datiertes Schreiben des Beschuldigten mit dem Inhalt, daß er sich keiner Schuld bewußt wäre, da er keinen Müll habe. Er weise daher das Straferkenntnis im vollen Umfange zurück. Die weiteren Ausführungen des Beschuldigten im genannten Schriftsatz beschränken sich auf persönliche Vorwürfe gegen Gemeindevertreter bzw Gemeindebedienstete. In Anbetracht des Umstandes, daß der Beschuldigte im Schreiben vom 29.9.1991 die Verweigerung der Annahme der Grünen Tonne nicht bestreitet aber anführt, daß er keinen Müll habe, wertet die Berufungsbehörde das genannte Schreiben als Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Daraus kann nach Ansicht der Berufungsbehörde auf interpretativem Wege auch abgeleitet werden, daß der Beschuldigte in diesem Umfange auch die Behebung des angefochtenen Bescheides anstrebt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat als Berufungsbehörde über das Berufungsvorbringen wie folgt erwogen:
Die Behörde I. Instanz hat als Übertretungsnormen für die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen die §§ 17 und 38 Abs1 Z11 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz iVm §§ 2 Abs3 und 8 der Verordnung der Gemeinde xx vom 16.12.1988 betreffend Einhebung von Müllbehandlungsgebühren und Abfallbehandlungsabgaben herangezogen. Da §38 Abs1 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz Strafbestimmungen enthält und §8 der genannten Verordnung die Fälligkeit der Müllbehandlungsgebühr regelt, kann offensichtlich die Behörde I. Instanz nur §2 Abs3 der genannten Verordnung als Übertretungsnorm hinsichtlich des zur Last gelegten Deliktes 1 (Nichtannahme der Grünen Tonne) gewertet haben.
Dieser §2 Abs3 der Verordnung der Gemeinde xx vom 16.12.1988 gibt überwiegend den Inhalt des §9 Abs1 leg cit wieder, wonach im Pflichtbereich die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet sind, Abfälle nur durch Einrichtungen behandeln zu lassen, deren sich die Gemeinde bedient, sofern nicht für bestimmte Abfallarten (Sonderabfall, Sperrmüll gemäß §13 Abs3 und Problemstoffe aus Haushalten gemäß §15 Abs4) eine gesonderte Behandlung nach diesem Gesetz vorgesehen ist.
Eine Mißachtung dieser Norm stellt daher eine Übertretung des §9 Abs1 leg cit dar und nicht ein Zuwiderhandeln gegen die genannte Verordnung, weshalb auch §38 Abs1 Z11 leg cit hiefür nicht heranzuziehen ist. Dies ergibt sich ua auch daraus, daß gemäß Art18 Abs2 B-VG die Verwaltungsbehörden ermächtigt sind, aufgrund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen (Durchführungsverordnungen) zu erlassen. Derartige Verordnungen dürfen lediglich die gesetzlichen Bestimmungen präzisieren. Das bezughabende Gesetz muß inhaltlich bestimmt sein und darf die Verwaltung nicht lediglich zur Regelung einer Angelegenheit durch Verordnung ermächtigen. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes in einer Verordnung kann aber keine Präzisierung der gesetzlichen Bestimmung darstellen, weshalb im Falle des Zuwiderhandelns gegen diese Norm von einer Übertretung im Sinne des §9 Abs1 des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes auszugehen ist.
Aber auch aus einer weiteren Bestimmung des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes kann unmißverständlich der Schluß gezogen werden, daß die zur Last gelegte "Verweigerung der Annahme der Grünen Tonne" nicht als eigene Verwaltungsübertretung zu ahnden ist.
§38 Abs1 Z8 leg cit stellt nämlich die Unterlassung, Verhinderung oder Erschwerung der Aufstellung oder Anbringung von Müllbehältern unter Strafe, wenn die Sammlung nach dem Holsystem erfolgt. Eine Sanktionierung der "Verweigerung der Annahme der Grünen Tonne" im Verhältnis zur Unterlassung, Verhinderung oder Erschwerung der Aufstellung oder Anbringung von Müllbehältern kann jedoch keineswegs als Präzisierung im Sinne einer auf
Art18 Abs2 B-VG gestützten Durchführungsverordnung gesehen werden, sondern würde eine derartige Deliktsform eine erhebliche Erweiterung des durch §38 Abs1 Z8 leg cit vorgegebenen Rahmens bewirken, was im Widerspruch zum Charakter einer Durchführungsverordnung steht.
Im Lichte einer verfassungskonformen Interpretation der von der Gemeinde xx erlassenen Verordnung hätte daher der Beschuldigte nach Ansicht der Berufungsbehörde wegen einer Übertretung gemäß §38 Abs1 Z8 leg cit mit entsprechend geänderter Tatbeschreibung (zB Unterlassung der Aufstellung der Müllbehälter durch Nichtannahme der Grünen Tonne, obwohl die Sammlung nach dem Holsystem erfolgte) schuldig erkannt werden müssen. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird daher dem durch §44a VStG vorgegebenen Maßstab nicht gerecht. Eine Spruchkorrektur durch die Berufungsbehörde erscheint aber insofern unzulässig, als im konkreten Fall lediglich das tatsächlich gesetzte Verhalten zum Vorwurf gemacht wird, hinsichtlich des tatsächlich verwirklichten strafbaren Tatbestandes mangelt es jedoch nicht nur an dessen konkreter Anführung, sondern auch am verbalen Vorwurf des Sachverhaltes.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, daß die Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz für zwei zur Last gelegte Delikte lediglich eine Gesamtstrafe verhängt hat und ist dies als Verstoß gegen §22 VStG zu werten. Eine Aufteilung der Gesamtstrafe erscheint insofern problematisch, als keinerlei Hinweise dafür bestehen, welche Beträge die Behörde I.Instanz für die angelasteten Delikte vorgesehen hat. Im Falle einer Aufteilung der Gesamtstrafe bestünde daher durchaus die Gefahr, daß für ein Delikt eine höhere Strafe verhängt wird, als die Erstbehörde bei Ermittlung der Gesamtstrafe angesetzt hat (§51 Abs6 VStG). Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ verkennt keineswegs, daß in der zu dieser Thematik ergangenen Judikatur die Zulässigkeit der Aufteilung einer Gesamtstrafe auf die einzelnen angelasteten Übertretungen bejaht wird, doch erscheint diese Rechtsansicht aus dem genannten Grunde nicht überzeugend und kann daher dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt werden.
Die Einstellung des Strafverfahrens erfolgte, da das angelastete Verhalten ("Nichtannahme der Grünen Tonne") keine selbständige Verwaltungsübertretung darstellt. Es steht der Behörde I. Instanz aber offen, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ein neues Verfahren mit korregierter Tatbeschreibung (und somit über eine andere Sache) einzuleiten.
Hinsichtlich des im angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Deliktes 2 (Nichtbezahlung der Müllbehandlungsgebühr) ergeht eine gesonderte Erledigung, da hiefür nach der Geschäftsverteilung beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ ein anderes Mitglied zuständig ist.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß §51e VStG abgesehen werden, da bereits aus der Aktenlage die Notwendigkeit der Bescheidbehebung zu erkennen war.