Gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991, werden die Punkte 2 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufgehoben.
Gemäß §45 Abs1 Z1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.
Der vorgeschriebene Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz beträgt zu Punkt 1 des Straferkenntnisses S 200,-- (§64 Abs2 VStG).
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
1. Sie haben den PKW, Kennzeichen am 1.2.1991 gegen 05,00
Uhr dem A H zum Lenken überlassen, obwohl dieser
nicht im Besitz der dafür erforderlichen Lenkerberechtigung war
und haben ihm so vorsätzlich die Begehung einer
Verwaltungsübertretung erleichtert. H lenkte den PKW vom
in xx über die B nach yy, K und wieder zurück zum
Gasthaus in xx, straße.
2. Sie haben den PKW Kennzeichen am 1.2.1991 gegen 07,00 Uhr
dem A zum Lenken überlassen, obwohl dieser nicht im
Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung war und haben ihm
dadurch vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung
erleichtert. H lenkte den PKW vom Gasthaus in xx
auf der B nach xy und wieder zurück nach xx zum Gasthaus
, xx, platz.
3. Sie haben den PKW, Kennzeichen am 1.2.1991 gegen 12,00
Uhr dem A H zum Lenken überlassen, obwohl dieser
nicht im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung war und
haben ihm dadurch vorsätzlich die Begehung einer
Verwaltungsübertretung erleichtert. H lenkte den PKW im
Stadtgebiet xx bis zur werkstätte.
Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte Strafen und entstandene Verfahrenskosten:
1.
Übertretung gemäß §134 Abs1; §7 VStG iVm §64 Abs1 KFG 1967
Geldstrafe gemäß
§134 Abs1 KFG 2.000,00 S
Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage
2. Übertretung gemäß
§134 Abs1; §7 VStG iVm §64 Abs1 KFG 1967
Geldstrafe gemäß
§134 Abs1 KFG 2.000,00 S
Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage
3. Übertretung gemäß
§134 Abs1; §7 VStG iVm §64 Abs1 KFG 1967
Geldstrafe gemäß
§134 Abs1 KFG 2.000,00 S
Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß §64 Abs2
des Verwaltungsstrafgesetzes 600,00 S
----------
Gesamtbetrag 6.600,00 S"
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte Berufung und führte darin aus, daß sich die Berufung nur gegen die Punkte 2 und 3 des Straferkenntnisses richtet. Er sei lediglich einmal verpflichtet gewesen, den Lenker des Fahrzeuges zu fragen, ob dieser im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung sei. Dies habe er zugegebenermaßen beim ersten Mal nicht gemacht. Die Übertretung zu Punkt 2 könne ihm daher nicht angelastet werden. Zu Punkt 3 gab er an, daß der Lenker das Fahrzeug ohne sein Wissen genommen hätte.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Gemäß §64 Abs1 KFG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichen Verkehr nur aufgrund einer von der Behörde erteilten Lenkerberechtigung zulässig.
§7 VStG bestimmt, daß derjenige, der vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht oder vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafdrohung unterliegt, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter nicht selbst strafbar ist.
Nach §103 Abs1 Z3 KFG darf der Zulassungsbesitzer das Lenken seines Kraftfahrzeuges oder die Verwendung seines Anhängers nur Personen überlassen, die die erforderliche Lenkerberechtigung besitzen.
§103 KFG ist als lex spezialis im Vergleich zu §64 Abs1 KFG iVm
§7 VStG anzusehen. Die beiden Deliktstypen stehen daher zueinander
im Verhältnis von Gattung und Art. Dabei geht das spezielle Delikt dem allgemeinen Delikt vor, letzteres wird durch ersteres verdrängt. Spezialität liegt dann vor, wenn der eine Deliktstypus zunächst alle Merkmale des anderen enthält, darüberhinaus auch noch andere, durch die der Sachverhalt in einer speziellen Weise erfaßt wird.
Der Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges kann daher wegen Überlassung seines Fahrzeuges an eine Person, die nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung ist, nicht nach §64 KFG iVm §7 VStG, sondern nur nach §103 Abs1 Z3 bestraft werden. Die Tatbilder unterscheiden sich nämlich insofern voneinander, als das strafbare Verhalten nach §103 nur von einer Person in der Funktion eines Zulassungsbesitzers gesetzt werden kann, während eine Anstiftung oder Beihilfe nach §7 VStG von jedermann begangen werden kann. Außerdem ist nach §103 KFG die Schuldform Fahrlässigkeit ausreichend, während für §7 VStG Vorsatz erforderlich ist. Da somit für §103 KFG andere, nämlich zusätzliche Tatbildmerkmale vorliegen, stellt dieser das spezielle Delikt dar, weshalb für die Anwendung des §7 VStG kein Raum mehr bleibt.
Auf den konkreten Fall angewendet bedeutet dies, daß der Beschuldigte eine Übertretung nach §103 Abs1 Z3 begangen hat. Da sich dieses Tatbild aus den bereits dargelegten Gründen von §64 KFG iVm §7 VStG inhaltlich unterscheidet, war es der Berufungsbehörde verwehrt, eine bloße Berichtigung der gesetzlichen Grundlage im angefochtenen Straferkenntnis vorzunehmen, weshalb die Punkte 2 und 3 zu beheben waren. Diesbezüglich war auch die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, da der Täter die ihm vorgeworfene strafbare Handlung nicht begangen hat, sondern eben eine andere (§103 KFG).
Punkt 1 des Straferkenntnisses wurde vom Beschuldigten ausdrücklich nicht angefochten. Dieser Punkt ist daher rechtskräftig und vollstreckbar. Da der vorgeschriebene Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz von der Bezirkshauptmannschaft xx für sämtliche drei Delikte zusammengefaßt wurde (S 600,--), war im Spruch eine ausdrückliche Klarstellung vorzunehmen, daß der Berufungswerber für den nicht angefochtenen Spruchteil den entsprechenden Anteil der Verfahrenskosten (S 200,--) zu entrichten hat. Es ist daher ein Gesamtbetrag von S 2.200,-- zu bezahlen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e VStG unterbleiben, da die Beurteilung von einer Rechtsfrage abhängig war.
Da bereits aufgrund der dargelegten Überlegungen spruchgemäß zu entscheiden war, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das Berufungsvorbringen und eine diesbezügliche Überprüfung der Frage, inwieweit die drei vorgeworfenen strafbaren Handlungen ein fortgesetztes Delikt darstellen oder nicht.