Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben.
Gemäß §45 Abs1 Z2 VStG wird die Einstellung des Verfahrens verfügt.
Herrn M S wurde mit der Anzeige des Gendarmeriepostens
xx an die BH xx vom 12.11.1991 zur Last gelegt, am 1.10.1991 gegen
06,15 Uhr als Lenker eines LKW-Zuges (Zugfahrzeug , Anhänger
) auf der B Richtung F fahrend einen Verkehrsunfall
mit Sachschaden verursacht und die Fahrt ohne sofort anzuhalten und ohne den Unfall ohne unnötigen Aufschub bei der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu melden, fortgesetzt zu haben. Die Anzeige stützt sich auf die Angaben der Geschädigten, welche auf der Kfz-Plane die Aufschrift "I " abgelesen habe, sowie auf die Mitteilung eines namentlich nicht festgehaltenen Zeugen, der, hinter dem LKW-Zug nachfahrend, das Kennzeichen des Anhängers abgelesen habe.
Am beschädigten Fahrzeug wurden rote Lackspuren vom Tatfahrzeug sichergestellt. Aufgrund der Gendarmerieerhebungen wurde das Zugfahrzeug sowie der Lenker des LKW-Zuges ermittelt. Der Schaden am abgestellten PKW, offensichtlich verursacht durch einen Streifkontakt, wurde fotografisch festgehalten.
Die BH xx hat ein Sachverständigengutachten (Fragestellung: "Hätte der Beschuldigte den Eintritt des Sachschadens bei gehöriger Aufmerksamkeit merken müssen?") eingeholt, die Geschädigte als Zeugin und den Beschuldigten einvernommen.
Die Geschädigte hat zum Unfallshergang angegeben, sie habe aus ihrem abgestellten Auto noch eine Tasche herausnehmen wollen, als die halbgeöffnete Türe vom vorbeifahrenden LKW-Zug gestreift und beschädigt worden sei. Sie selbst, neben dem Fahrzeug stehend, sei nicht zu Schaden gekommen. Der Sachschaden in Höhe von S 10.720,-- sei gutgemacht worden.
Der Sachverständige hat, allein gestützt auf die Gendarmeriemeldung und 2 Lichtbilder in einem "Gutachten" festgestellt:
"Bei einer derart starken Aufstauchung der linken Fahrertür (siehe dem Akt beiliegendes Lichtbild) kann aus technischer Sicht gesagt werden, daß der Lenker des Kraftwagenzuges, auch wenn diese Beschädigung mit dem Anhänger erfolgte, diese Kontaktierung bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen.
Die Erkennbarkeit ist außer durch die optische Beobachtung des sich verengenden Abstandes zum parkenden Fahrzeug auch durch eine ungewöhnliche Geräuschbildung gegeben".
Der Beschuldigte ist auch nach Vorhalt des Erhebungsergebnisses bei seiner Rechtfertigung, nichts vom Unfall bemerkt zu haben, geblieben.
Die BH xx hat den Beschuldigten mit Straferkenntnis vom 2.10.1992
wegen der Übertretung nach §4 Abs1 lita
gemäß §99 Abs2 lita StVO 1960 mit S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe
72 Stunden) und
wegen der Verwaltungsübertretung nach §4 Abs5
gemäß §99 Abs3 litb StVO 1960 mit S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe
36 Stunden) bestraft und es als erwiesen angenommen, daß der
Beschuldigte als Lenker "des Fahrzeuges: Kraftwagenzug u
nach dem Verkehrsunfall mit Sachschaden (Beschädigung der
leicht geöffneten Fahrertüre des PKW der
E G während der Vorbeifahrt) nicht sofort
angehalten und nicht die nächste Polizei- oder
Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne
unnötigen Aufschub verständigt" hat,
"obwohl er aufgrund des Gutachtens des technischen
Amtssachverständigen Ing M vom Amt der
NÖ Landesregierung, Abt B/8, die Kontaktierung bei gehöriger
Aufmerksamkeit hätte merken müssen".
Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung. Der Beschuldigte beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses, weil er einen ausreichenden Seitenabstand eingehalten habe, andernfalls hätte er die Vorbeifahrt im Rückspiegel beobachtet. Falls es überhaupt zu einem Unfall gekommen sei, müsse die Türe während der Vorbeifahrt geöffnet bzw noch mehr geöffnet worden sein. Er habe auch kein verdächtiges Geräusch wahrgenommen.
Die Behörde erster Instanz hat den Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.
Der UVS hat ergänzend erhoben, daß die Tatfahrzeuge (der LKW und der Anhänger) nach einem Unfall mit Totalschaden bereits seit längerem verschrottet sind, sohin für eine Stellprobe, eine Lackvergleichsuntersuchung, eine Lärmmessung, überhaupt zu einer vollständigen Befundaufnahme für ein schlüssiges Gutachten nicht mehr zur Verfügung stehen.
Es war deshalb auch die Anfertigung einer Skizze von der Unfallsörtlichkeit zur Feststellung des Straßenverlaufs, eine Erhebung des Verkehrsaufkommens, des Verkehrslärms an der Unfallstelle, etc entbehrlich.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Die erkennende Behörde stützt ihre Entscheidung allein auf das Vorbringen der Geschädigten, auf Angaben eines unbekannt geliebenen Zeugen und ein Sachverständigengutachten. Das Gutachten ist infolge unvollständiger Befundaufnahme für eine Beweisführung unbrauchbar, weil es nicht ausreichend begründet und auf seine Schlüssigkeit hin nicht nachprüfbar (vgl zB VwGH 10.12.1952, Slg 2778A) ist. Einwände des Beschuldigten, vor allem, daß sein Fahrzeug unbeschädigt sei, sind unberücksichtigt geblieben.
Die Feststellung aber, ob die Kontaktierung, falls sie überhaupt anzunehmen ist, mit dem LKW oder dem Anhänger erfolgte, wäre nicht nur für die gesetzmäßige Erstellung des technischen Gutachtens geboten gewesen - daß mit zunehmender Entfernung der Kontaktstelle vom Lenkerplatz die optische und akustische Wahrnehmbarkeit eines möglichen Anstoßes abnimmt, bedarf wohl keiner weiteren Begündung. Auch im Spruch des Bescheides wäre zufolge des Konkretisierungsgebotes des §44a Z1 VStG die Anführung des Kennzeichens des Tatfahrzeuges erforderlich gewesen.
Da diese Mängel, wie oben dargelegt, nicht mehr sanierbar sind, war spruchgemäß zu entscheiden.