TE UVS Niederösterreich 1992/12/01 Senat-BN-91-107

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Veröffentlicht am 01.12.1992
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51, (AVG) insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von

S 6.000,-- auf S 5.000,-- herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt.

 

Gemäß §64 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52, (VStG) wird der an das Land NÖ zu entrichtende Kostenbeitrag für das Verfahren der Behörde I. Instanz mit S 500,-- festgesetzt.

Text

Mit Straferkenntis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 29. November

1991, 3-     -91  , welches dem Beschuldigten mündlich verkündet

worden ist, wurde diesem zur Last gelegt, in der Zeit vom 20. bis

29. August 1991, am Haus B    ,        straße   , Schalungs- und

Dacheinlattungsarbeiten durchgeführt und somit das konzessionierte

Zimmermeistergewerbe gemäß §158 Gewerbeordnung 1973 ohne die

erforderliche Konzession ausgeübt zu haben. Dies sei am 26. August

1991 festgestellt worden. Über den Beschuldigten Leopold N    wurde

wegen dieser Übertretung nach §366 Abs1 Z2 Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/74, (GewO 1973) gemäß §366 GewO 1973 eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) verhängt.

 

In der Niederschrift über die Verkündung des Straferkenntnisses ist auch eine vom Beschuldigten unterfertigte Erklärung enthalten, wonach dieser auf die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses verzichtet.

 

In einer am 29. November 1991 mündlich zu Protokoll gegebenen Berufung gegen das mündlich verkündete Straferkenntnis weist der Beschuldigte darauf hin, daß er die gegenständlichen Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten unter Aufsicht und Kontrolle eines konzessionierten Zimmermeisters durchgeführt habe. Er sei daher der Meinung, daß er diese Arbeiten unter diesen Bedingungen auch als Dachdeckermeister durchführen könne. Die gegenteilige Ansicht der Handelskammer sowie der Bezirkshauptmannschaft xx sei daher nicht richtig, weil er als Dachdeckermeister das Recht haben müsse, auch derartige Nebenarbeiten durchführen zu können. Immerhin habe er eine zur Ausübung des Zimmermeistergewerbes berechtigte Firma beigezogen, sodaß "unmöglich von ihm unbefugt das konzessionierte Zimmermeistergewerbe ausgeübt worden sein könne". Im übrigen sei es auch völlig praxisfremd, die Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten nur dem konzessionierten Zimmermeistergewerbe vorzubehalten, da diese Arbeiten "im Anschluß an die Dachdeckerarbeiten sofort zu machen seien".

 

Bei der am 18. November 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen

Verhandlung hat der Berufungswerber den in der Berufung

dargestellten Standpunkt bekräftigt und darüber hinaus darauf

hingewiesen, daß er, abgesehen vom vorliegenden Fall, die bei einer

Althaussanierung durchzuführenden Zimmermeisterarbeiten einem

Zimmermeister (der Firma J     L     ) zur selbständigen

Durchführung überläßt. Im vorliegenden Fall habe die Firma J     L

   jedoch Terminschwierigkeiten gehabt, sodaß die gegenständlichen

Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten von seiner Firma durchgeführt

worden seien; die Firma J     L      habe jedoch diese Arbeiten

beaufsichtigt bzw abschließend kontrolliert. Dafür sei der Firma J

  L      auch ein entsprechendes Honorar bezahlt worden. In diesem

Zusammenhang hat der Berufungswerber auf die im erstinstanzlichen

Akt einliegende Rechnung der Firma J     L      an die Firma L

N    vom 7. November 1991 verwiesen. Danach sind für "Bauaufsicht

und Kontrolle für Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten vom 20. bis

29. August 1991 an der Baustelle B    ,        straße   , S 3.960,--

verrechnet worden.

 

Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung erfolgte eine

Beweisaufnahme durch Verlesung eines vom Bauherrn Dr  B        W

   an den Unabhängigen Verwaltungssenat gerichteten Schreibens vom 5. November 1992.

 

Der Bauherr Dr  B        W        hatte für die öffentliche

mündliche Verhandlung eine Zeugenladung erhalten, sich jedoch wegen

einer Terminkollision entschuldigt und über Ersuchen des

Unabhängigen Verwaltungssenates eine schriftliche

Sachverhaltsdarstellung vorgelegt.

 

In dieser schriftlichen Äußerung wird zunächst bekräftigt, daß er

seinerzeit nur der Firma L       N    den Auftrag zur Sanierung des

Daches am Haus        straße    in B     erteilt hat und er nicht an

die ihm unbekannte Firma J     L      herangetreten ist. Er selbst

sei während der Durchführung der Arbeiten abwesend gewesen, lediglich von seinem Nachbarn habe er im nachhinein erfahren, daß die Arbeiten mit besonderer Sorgfalt durchgeführt worden seien.

 

An die Sachverhaltsdarstellung des Bauherrn Dr  W        war ein Kostenvoranschlag der Firma L       N     vom 22.5.1991

angeschlossen, der bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung ebenfalls wiedergegeben wurde. Unter Position 4 dieses Kostenvoranschlages wird folgende Leistung angeboten: "Aufbringung einer Vollschalung 1" mit 70 mm langen Nägeln befestigt, ca 340 m2"

 

Unter Position 6 wird das "Liefern und Montieren einer Konterlattung bzw Lattung für Bedeckung, Lattenabstand ca 16 cm, inkl First- und Gratschalung" angeboten.

 

Aufgrund dieser Unterlagen, insbesondere aufgrund der schriftlich vorliegenden Sachverhaltsmitteilung durch den Bauherrn Dr  W       , an deren Richtigkeit auch aufgrund der Verantwortung des Berufungswerbers nicht zu zweifeln war, steht somit nachstehender Sachverhalt fest:

 

Der Berufungswerber hat über den Auftrag des Hausherrn Dr  B W       , das Dach am Haus        straße    in B     zu sanieren, einen mit 22.5.1991 datierten Kostenvoranschlag erstellt, in dem auch unter den Positionen 4 und 6 Leistungen angeboten worden sind, die dem Zimmermeistergewerbe vorbehalten sind. Diese Arbeiten wurden sodann in der Zeit vom 20. bis 29. August 1991 auftragsgemäß durchgeführt und anschließend in Rechnung gestellt. Die Firma J L      wurde als konzessionierter Zimmermeisterbetrieb für die "Bauaufsicht und Kontrolle" hinsichtlich der Zimmermeisterarbeiten beigezogen und für diese Leistung mit einem Betrag von S 3.960,-- entlohnt.

 

 

In rechtlicher Hinsicht war dieser Sachverhalt wie folgt zu werten:

 

Unbestritten steht zunächst fest, daß die gegenständlichen Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten Leistungen sind, die dem Zimmermeistergewerbe vorbehalten sind.

 

Von einer unbefugten Ausübung des Zimmermeistergewerbes kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn eine solche Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt wird.

 

Gemäß §1 Abs2 GewO 1973 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.

 

Gemäß §1 Abs4 GewO 1973 gilt auch eine einmalige Handlung als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann, oder wenn sie längere Zeit erfordert.

 

Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber aufgrund einer Terminschwierigkeit bei dem Zimmermeisterbetrieb, den er für die selbständige Durchführung anfallender Zimmermeisterarbeiten bei Althaussanierungen beizieht, ohne selbst im Besitz einer Zimmermeisterkonzession zu sein, die gegenständlichen Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten durchgeführt. Von der Weitergabe des ihm vom Bauherrn erteilten Auftrages an einen anderen Zimmermeisterbetrieb hat er Abstand genommen und sich auf den Standpunkt zurückgezogen, unter der "Aufsicht und Kontrolle" eines Zimmermeisterbetriebes sowie bei Anbringung einer "Zimmermeisterfirmentafel" an der Baustelle die (Zimmermeister-) Arbeiten selbst durchführen zu dürfen. Diese Vorgangsweise sollte wohl auch auf anderen vom Berufungswerber  zu betreuenden Baustellen praktiziert werden. Dies ergibt sich schon aus seiner Rechtfertigung in der Berufung, wenn er betont, das Recht auf Durchführung von Zimmermeisterarbeiten zu haben, wenn nur ein Zimmermeisterbetrieb die "Aufsicht und Kontrolle" übernimmt.

 

Das Merkmal der "Regelmäßigkeit" im Sinne der oben angeführten Bestimmung des §1 Abs2 GewO 1973 ist daher als gegeben anzunehmen.

 

Daß die gegenständliche Tätigkeit auch in der Absicht vorgenommen worden ist, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, ergibt sich sowohl aus dem Kostenvoranschlag, den der Berufungswerber dem Bauherrn erstellt hat und in welchem für die gegenständlichen Zimmermeisterarbeiten ein Rechnungsbetrag von S 111.520,-- in Aussicht gestellt worden ist, als auch aus der Rechnung vom 16.9.1991 (für Aufbringen der Vollschalung S 58.432,--, für das Liefern und Montieren der Konterlattung bzw Lattung S 50.464,--).

 

Die gegenständlichen Zimmermeisterarbeiten wurden aber auch "selbständig" im Sinne des §1 Abs2 GewO 1973 ausgeführt.

 

Gemäß §1 Abs3 GewO 1973 liegt Selbständigkeit im Sinne der Gewerbeordnung 1973 vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

 

Aufgrund der oben angeführten, vom Berufungswerber erstellten Rechnung an den Bauherrn, in welcher auch die erbrachten Zimmermeisterarbeiten verrechnet worden sind, ergibt sich eindeutig, daß die angelastete Tätigkeit "auf eigene Rechnung" ausgeübt worden ist. In diesem Zusammenhang ist aber auch die weitere Frage zu prüfen, wer das mit der Ausübung der gegenständlichen gewerblichen Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko auf sich genommen hat. Da der Berufungswerber als Dachdecker gegenüber dem Bauherrn auch ausdrücklich die Durchführung von Zimmermeisterarbeiten übernehmen wollte (vgl Kostenvoranschlag) und in der Folge auch tatsächlich übernommen hat, hat er auch das damit verbundene kaufmännische Risiko zur Gänze auf sich genommen. Er hat somit als der einzige Vertragspartner des Bauherrn bei der gegenständlichen Dachsanierung gegenüber dem Bauherrn die volle Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der gegenständlichen Arbeiten übernommen.

 

Die in Rede stehenden Zimmermeisterarbeiten wurden daher auf eigene Rechnung und Gefahr durchgeführt.

 

Da somit sämtliche Merkmale für ein gewerbsmäßiges Handeln vorliegen und der Berufungswerber unbestritten nicht im Besitz einer Konzession für das Zimmermeistergewerbe ist, hat er die gegenständlichen Zimmermeisterarbeiten am Dachstuhl des Hauses

straße    in B     unbefugt ausgeführt. Die ihm angelastete Verwaltungsübertretung ist daher als erwiesen anzusehen.

 

Hinsichtlich der verhängten Strafe war folgendes zu erwägen:

 

Gemäß §19 Abs1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Das Zimmermeistergewerbe zählt zu den konzessionierten Gewerben; diese Gewerbe dürfen - im Unterschied zu den Anmeldungsgewerben - erst nach rechtskräftiger Erteilung der entsprechenden Konzession ausgeübt werden. Die Allgemeinheit und insbesondere jener Personenkreis, der im Vertrauen auf diese Rechtslage befugt das gegenständliche Gewerbe ausübt, haben ein großes Interesse daran, daß nur berechtigte Personen die einem solchen Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeiten durchführen. Diese gesetzlich geschützten Interessen sind im vorliegenden Fall trotz der Beiziehung eines befugten Zimmermeisters für "Aufsicht und Kontrolle" in einem durchaus nicht als geringfügig zu bezeichnenden Ausmaß gefährdet worden.

 

 

Gemäß §19 Abs2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung im Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

Aus dem Verwaltungsstafakt der Behörde I  Instanz ergibt sich, daß aus den Jahren 1989 und 1990 bereits drei einschlägige Strafvormerkungen vorhanden sind. Zu Recht wurde dieser Umstand bei der Strafbemessung durch die Behörde I  Instanz als erschwerend gewertet. Als mildernd ist jedoch das abgelegte Tatsachengeständnis zu werten. Der Berufungswerber hat nämlich bereits anläßlich seiner Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft xx am 29.11.1991 zugegeben, die gegenständichen Schalungs- und Dacheinlattungsarbeiten ausgeführt zu haben.

 

Gemäß §19 Abs2 zweiter Satz VStG ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen.

 

Aus der Verantwortung des Berufungswerbers ergibt sich klar, daß es nicht in seiner Absicht gelegen ist, Zimmermeisterarbeiten im Zuge seiner Dachdeckertätigkeit mitzuübernehmen. Wenngleich er den Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges (unbefugte Gewerbeausübung) nicht als gewiß voraussah, hatte er ihn doch - nicht zuletzt aufgrund seiner Verwaltungsstrafvormerkungen - für möglich gehalten und sich offensichtlich damit abgefunden, daß er damit eine Übertretung der Gewerbeordnung setzt. Es ist ihm daher, wenngleich die gelindeste Form des Vorsatzes, so doch vorsätzliches Handeln anzulasten.

 

In diesem Zusammenhang übersieht der Unabhängige Verwaltungssenat aber durchaus nicht, daß bei Dachsanierungen an bewohnten Gebäuden witterungsbedingt ein großer Zeitdruck gegeben ist. Das Abtragen eines alten schadhaften Daches hat in solchen Fällen Zug um Zug mit dem Aufbringen des neuen Daches zu erfolgen. Ein Zusammenwirken von Zimmermeister und Dachdecker erscheint daher in solchen Fällen unabdingbar.

 

Vor diesem Hintergrund wird der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Tat durch den Umstand, daß sich der Beschuldigte freiwillig gegen Entgelt einer "Bauaufsicht und Kontrolle" durch einen befugten Zimmermeisterbetrieb unterworfen hat, durchaus herabgemindert.

 

In Ansehung dieser Aspekte findet der Unabhängige Verwaltungssenat, daß eine Geldstrafe von S 5.000,-- ausreicht, um dem Berufungswerber die Unrechtmäßigkeit seiner Vorgangsweise vor Augen zu führen. Für eine weitere Herabsetzung der Geldstrafe war schon angesichts der vorliegenden Verwaltungsstrafvormerkungen kein Raum. Wenngleich die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten (nach seinen Angaben bei der Bezirkshauptmannschaft xx am 29.11.1991: Hausbesitz, monatliches Nettoeinkommen S 10.000,-- und Sorgepflicht für ein Kind) nicht als überaus günstig bezeichnet werden können, ist die Bestrafung mit S 5.000,-- letztlich auch deswegen geboten, um auch eine generalpräventive Wirkung zu erzielen. Aber auch der Beschuldigte selbst soll durch die verhängte Strafe von einem weiteren gleichartigen Verhalten abgehalten werden.

 

Durch die vorgenommene Strafreduzierung waren dem Berufungswerber keine Kosten für das durchgeführte Berufungsverfahren vorzuschreiben; diese hätten in Falle einer vollen Bestätigung 20 % der verhängten Geldstrafe betragen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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