Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51/1991 teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich Punkt 1 vollinhaltlich bestätigt, hinsichtlich Punkt 2 aufgehoben und das Strafverfahren gemäß §45 Abs1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl Nr 52/1991 eingestellt.
Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und Abs2 des VStG 1991, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz 10% der verhängten Geldstrafe, das sind S 20,-- und als Beitrag zu den Kosten zweiter Instanz 20% der verhängten Geldstrafe, das sind S 40,-- zu leisten.
Insgesamt ist somit dem Land NÖ ein Betrag in der Höhe von S 260,-- binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung zu entrichten.
Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen den Beschuldigten folgendes Straferkenntnis erlassen:
"Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit. 9.9.1991 um 9,45 Uhr
Ort: Ortsgebiet von xx, auf der Ggasse nächst Haus
Nr 8, Richtung Bstraße
Fahrzeug: LKW N-*******
Tatbeschreibung:
1) Das KFZ gelenkt, ohne die Verpflichtung zum bestimmungsgem. Gebrauch das Sicherheitsgurtes erfüllt zu haben, wobei Ihnen jedoch nach der Anhaltung gem § 97/5 StVO die Bezahlung einer Organstrafverfügung mit einer Geldstrafe von S 100 angeboten wurde, Sie jedoch die Bezahlung verweigerten und 2) bei dieser Fahrt ein Verbandszeug nicht mitführten.
Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte Strafen und entstandene Verfahrenskosten:
1.
Übertretung gemäß
ArtIII Abs1 und 5 lita 3. KFG-Novelle
Geldstrafe gemäß
ArtIII Abs5 lita 3. KFG-Novelle S 200,--
Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden
2. Übertretung gemäß
§134 Abs1 KFG 1967, §102 Abs10
KFG 1967
Geldstrafe gemäß
§134 Abs1 KFG 1967 S 400,--
Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß §64 Abs2
des Verwaltungsstrafgesetzes S 60,--
________________________
Gesamtbetrag S 660,--
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§54d Abs1 des Verwaltungsstrafgesetzes)."
Dagegen hat der Beschuldigte fristgerecht berufen und im wesentlichen angeführt, daß er sich angegurtet hatte und die Mullbinde vorschriftsmäßig und staubdicht verpackt war.
Er beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, sowie die Einstellung des gegenständlichen Strafverfahrens.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat gemäß §51e VStG am 3.12.1992 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und folgenden Sachverhalt festgehalten.
Laut Anzeige des Gendarmeriepostens XX vom 16.9.1991 lenkte Dr W W K am 9.9.1991, gegen 9,45 Uhr seinen LKW mit behördlichen Kennzeichen N-*******, im Stadtgebiet von XX vom Parkplatz Sparkasse kommend auf der Ggasse in Richtung Bstraße, wobei er auf dieser Fahrt den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte und kein geeignetes Verbandszeug mit sich führte.
Der vorangeführte Sachverhalt wurde durch die Gendarmeriepatrouille xx (Rev Insp S und Insp K) dienstlich festgestellt. Der Beschuldigte wurde in der Ggasse Höhe Haus Nr 8 angehalten und einer Lenker und Fahrzeugkontrolle unterzogen. Dabei konnte laut Anzeige K kein geeignetes genormtes Verbandszeug vorweisen, sondern lediglich eine einzelne, verpackte, ca 4 - 5 cm große Mullbinde, die er selbst als geeignetes Verbandszeug bezeichnete. Bezüglich des nicht angelegten Sicherheitsgürtes lehnte K sowohl die Bezahlung eines Organstrafmandates in der Höhe von S 100,--, als auch die Bezahlung des Strafbetrages mittels Schecks ab.
Im, vor der Erstbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahren, gab der Meldungsleger die in der Anzeige getätigten Aussagen zeugenschaftlich wieder.
Der Berufungswerber führte in der darauffolgenden Stellungnahme sinngemäß aus, daß das vorgewiesene Verbandszeug den Normen des KFG und der KDV entspreche. Weiters beantrage er einen Lokalaugenschein zum Beweis dafür, daß die Gendarmeriebeamten keine Sicht auf seinen LKW hatten und daher nicht feststellten konnten, ob er tatsächlich angegurtet war oder nicht.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung gaben die Straßenaufsichtsorgane übereinstimmend, zeugenschaftlich und im wesentlichen an, daß sie in der Ggasse zur Tempelwache berufen wurden, weil sich dort eine Synagoge befindet. Sie konnten eindeutig feststellen, daß der Beschuldigt, als er ihnen entgegenfuhr vor der Anhaltung nicht angegurtet war. Bei der anschließenden Lenker- und Fahrzeugkontrolle wies der Einschreiter als Verbandszeug lediglich eine Mullbinde vor, welche in Zellophan verpackt und ca 4 - 5 ca breit war.
Im Zuge der Verhandlung war der Berufungswerber hinsichtlich des nicht angelegten Sicherheitsgurtes geständig. Bezüglich des Verbandzeuges brachte er vor, daß er die Mullbinde aus einem vorschriftsmäßigen Behälter entnommen und diese dem Meldungsleger vorgewiesen habe. Weiters vertrat er die Ansicht, daß das Verbandszeug den gesetzlichen Bestimmungen entsprach.
Es wurde daher zur Klärung dieser Frage ein medizinisches Gutachten angefordert, ob ein "derartiges Verbandszeug" zur Wundversorgung geeignet war und dieses zur Stellungnahme an den Einschreiter übermittelt.
Das Gutachten stellte folgendes fest:
"Gemäß §102 Abs10 KFG 1967 ist der Lenker eines Kraftfahrzeuges verpflichtet, ein zur Wundversorgung geeignetes Verbandszeug in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt mitzuführen. Leider definiert das Gesetz weder die Art und das Ausmaß einer Wunde, die zu versorgen seinmuß, noch daß "Verbandszeug" in irgend einer Weise, außer daß der Kommentar dazu festlegt, daß das Verbandszeug nur den Vorschriften des zitierten Absatzes entsprechen muß, nicht jedoch den weitergehenden der diesbezüglichen Ö-Norm. Eine unbedeutende Schürf-, Kratz-, oder Schnittwunde kann bei entsprechendem Geschick des Helfers sicherlich mit einer Mullbinde versorgt werden - versorgt im Sinne einer nordürftigen Erstehilfeleistung, wohlverstanden, aber mehr kann von einem Kraftfahrer bei der Erste-Hilfe-Leistung ja nicht verlangt werden."
Weiters führt das Gutachten sinngemäß an, daß unter der Annahmen, daß der Beschuldigte der Vorschrift "in einem widerstandsfähigen Behälter" nicht entsprochen hätten, die gesetzliche Vorschrift nicht erfüllt hätte.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat bezüglich der rechtlichen Beurteilung wie folgt erwogen:
Bezüglich Punkt 1 wird aufgrund der übereinstimmenden, zeugenschaftlichen Aussagen der Sicherheitsorgane die Tatsache, daß der Beschuldigte nicht angegurtet war, für wahr angenommen. Dabei wurde berücksichtigt, daß die Gendarmeriebeamten einen Diensteid abgelegt haben, durch eine vorsätzliche falsche Anzeige die Amtspflicht nach dem 22 Abschnitt des besonderen Teiles des StGB verletzen würden, und daß schließlich die Beamten des Verkehrsaufsichtsdienstes eine besondere Schulung über richtige Wahrnehmung von Verkehrvorgängen genoßen haben; weiters wird darauf hingewiesen, daß der Einschreiter leztlich geständig war. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ kommt daher zur Ansicht, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat.
Gemäß §102 Abs10 KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wies der Berufungswerber ausdrücklich daraufhin, daß er das Verbandszeug aus einem vorschriftsmäßigen Behälter genommen habe und den Beamten vorgewiesen wurde. Der Melungsleger bestritt dies nicht, sagte aber aus, daß er diesbezüglich keine Angaben machen könne, er habe lediglich festgestellt, daß die Mullbinde als solche nicht der Ö-Norm entsprach.
Gemäß §45 Abs1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Da dem Einschreiter nicht
nachgewiesen werden konnte, daß sich die Mullbinde in keinem "widerstandsfähigen Behälter" befunden habe aber zur Wundversorgung geeignet erscheint, war hinsichtlich Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses das Verfahren einzustellen.
Bezüglich der Strafhöhe wurde erwogen:
Laut den Angaben des Beschuldigten besitzt er einen landwirtschaftlichen Betrieb, verfügt über ein Einkommen von S 10.000,-- monatlich und ist für zwei Kinder sorgepflichtig.
Die Gefährdung des von der 3. KFG-Nov geschützten Interesses war gegeben, weil mit dem Nichtgebrauch des Sicherheitsgurtes eine Rechtspflicht verletzt wurde.
Es war ihm zumindest ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, weil er als Lenker eines Kraftfahrzeuges dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist.
Strafmildernd war das Fehlen von einschlägigen Verwaltungsvormerkungen zu bewerten, straferschwerende Umstände lagen nicht vor.
Bei Berücksichtigung der allseitigen Verhältnisse des vorgenannten Milderungsgrundes, des Unrechtsgehaltes der Tat, sowie des Grades des Verschuldens wird die von der Erstbehörde festgesetze Strafe als angemessen angesehen.
Zweck der Strafe ist den Beschuldigten von einem gleichartigen strafbaren Verhalten abzuhalten und darüber hinaus soll eine allgemein abhaltende Wirkung erzielt werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.