TE UVS Niederösterreich 1993/02/15 Senat-NK-92-403

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.1993
beobachten
merken
Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991 dahingehend Folge gegeben, als an Stelle der im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft xx vom 16. Juni 1992, Zl  3-     -91, verfügten Einstellung des eingeleiteten Strafverfahrens nunmehr eine Geldstrafe

von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle 24 Stunden) gemäß §30 KJGB wegen Übertretung der Bestimmung des §17 Abs5 leg cit KJGB verhängt wird.

Text

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft xx vom 16. Juni 1992, Zl  3-     -91, wurde das über Antrag des Arbeitsinspektorats für den *. Aufsichtsbezirk mit Schreiben vom 5. November 1991 eingeleitete Strafverfahren, in dem dem Beschuldigten zur Last gelegt wurde, die Bestimmung des §17 Abs5 KJBG, wonach in Backwaren - Erzeugungsbetrieben Jugendliche ab dem vollendeten 15. Lebensjahr mit Arbeiten, die der Berufsausbildung dienen, ab 4,00 Uhr beschäftigt werden dürfen, dahingehend nicht eingehalten zu haben, da der jugendliche Lehrling L A schon um 3,45 Uhr an der Teilteigmaschine mit der Herstellung von Semmeln beschäftigt war, gemäß §45 Abs1 Ziff2 VStG, BGBl Nr 52/1991 eingestellt.

 

Begründet wurde dieser Bescheid im wesentlichen damit, daß es sich bei der Beschäftigung des Sohnes des Beschuldigten

"um eine private, familiäre Angelegenheit handelt".

 

Gegen diesen Bescheid hat das zuständige Arbeitsinspektorat fristgerecht Berufung erhoben und dieses Rechtsmittel im wesentlichen damit begründet, daß die Beschäftigungsverbote nach dem KJBG auch für Familienmitglieder Gültigkeit besäßen. Somit wurde der Antrag auf Behebung des einstellenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft xx vom 16. Juni 1992, Zl 3-     -91 gestellt, die Fortführung des Strafverfahrens begehrt und die Verhängung einer Geldstrafe von S 3.000,- - wie aus dem Strafantrag ersichtlich - beantragt.

 

Der Beschuldigte beantragte nach erteiltem Parteiengehör, die Berufung als unbegründet abzuweisen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat hiezu folgendes erwogen:

 

Vorweg wird festgestellt, daß in Hinblick auf die Bestimmung des §51e Abs2 VStG von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels ausdrücklichen Begehrens seitens des Berufungswerbers Abstand zu nehmen war.

 

Der Berufung des Arbeitsinspektorates kommt dem Grunde nach Berechtigung zu.

 

Unbestritten bleibt der der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 5. November 1991 zugrunde liegende Sachverhalt, wonach der jugendliche Lehrling L A, geboren

20. Dezember 1973, anläßlich einer Kontrolle von Organen des zuständigen Arbeitsinspektorates am 7. Oktober 1991 um 3,45 Uhr des betreffenden Tages mit der Herstellung von Semmeln an der Teigteilmaschine im Betrieb des Beschuldigten beschäftigt war.

 

Weiters ist die Dienstnehmereigenschaft des A L als Bäckerlehrling im Hinblick auf die erstattete Meldung zur Sozialversicherung (SVNR: ***********) als erwiesen anzunehmen.

 

Auch wenn der betreffende Jugendliche zeugenschaftlich vernommen - und der Beschuldigte übereinstimmend aussagen, daß die Tätigkeit des Lehrlings vor 4,00 Uhr freiwillig war und in dessen eigenem Interesse in Hinblick auf eine mögliche spätere Übernahme des väterlichen Betriebes erfolgte, diese Beschäftigung vor 4,00 Uhr morgens auf die Arbeitszeit angerechnet wurde und dementsprechend entlohnt war, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die offensichtlich einschlägige berufliche Tätigkeit, die entgegen der zwingenden Bestimmung des §17 Abs5 KJBG vom Jugendlichen vor 4,00 Uhr geleistet wurde, dem privaten oder familiären Bereich zuzurechnen ist.

Die Herstellung von Semmeln und die Handhabung und Benutzung zweckentsprechender Maschinen und Geräte gehört eindeutig zum Berufsbild des Bäckers.

Dazu wird auf die gültigen und verbindlichenAusbildungsvorschriften für den Lehrberuf Bäcker, BGBl Nr 491/1973 idgF verwiesen, wonach schon im zweiten Lehrjahr das Behandeln und Formen der verschiedenen Weißgebäcksorten von Hand und Maschinell vorgeschrieben ist. Genau diese zum Berufsbild des Bäckers gehörende einschlägige Tätigkeit wurde vom Jugendlichen A L vor vier Uhr des der Strafanzeige zugrunde liegenden Tages ausgeübt und somit die Bestimmung des §17 Abs5 KJBG verletzt.

 

Der Argumentation des Beschuldigten im erstinstanzlichen Verfahren, die Beschäftigung seines Sohnes erfolge vor 4,00 Uhr früh, daß dieser auch diejenigen Arbeiten kennen lerne,

"die vor der vom Gesetz her erlaubten Arbeitszeit eines Lehrlings anfallen", kann nicht gefolgt werden.

Eine über die grundsätzlichen Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Bäcker weiter hinausgehende und zusätzliche Vermittlung von einschlägigen Kenntnissen und Fähigkeiten darf nicht während der im §17 KJBG normierten Nachtruhe erfolgen.

 

Durch die Festlegung eines grundsätzlichen Verbotes der Nachtarbeit für Jugendliche zwischen 20,00 Uhr und 6,00 Uhr soll in Verbindung mit der in §16 vorgeschriebenen Mindestruhezeit garantiert werden, daß die dem Jugendlichen zur Regeneration seiner Arbeitskraft zur Verfügung stehende Ruhezeit in die Nachtzeit fällt und sich so mit dem natürlichen Lebensrhythmus deckt. Das besondere Schutzinteresse gestattet daher nur geringe Ausnahmen, die, dem Schutzzweck entsprechend, stets einschränkend zu interpretieren sind. (Vergleiche Dirschmied - KJBG ÖGB Verlag 12, Seite 131 folgende).

 

Ein Abgehen von diesen zwingenden Bestimmungen des KJBG ist auch durch den übereinstimmenden Willen der Vertragspartner nicht zulässig.

 

Die österreichische Bundesverfassung bestimmt, daß der geltende Gleichheitsgrundsatz nur "sachlich gerechtfertigte" Differenzierungen zulasse. An diese Bestimmung ist auch die Vollziehung gebunden.

Würde man im vorliegenden Verfahren die vom Lehrling während der Nachtruhe ausgeübte einschlägige, zum Berufsbild des Bäckers gehörende Tätigkeit nur deshalb dem familiären, privaten Bereich zurechnen, weil der Lehrling der Sohn des Beschuldigten ist und auch - durchaus glaubhaft - aus eigenem Bestreben dieser Beschäftigung nachkam, wäre der Schutzzweck des KJBG unterlaufen, bedeutete somit eine Schlechterstellung dieses betreffenden Jugendlichen und stellte eine sachlich nicht gerechtfertigte, somit verfassungswidrige, Differenzierung dar, zumal die Beschäftigungsverbote nach dem KJBG auch für Familienmitglieder gelten.

Aus all diesen Erwägungen war der Rechtsauffassung des Berufungswerbers dem Grunde nach zu folgen.

 

Berücksichtigt man auch weiters den Umstand, daß der Arbeitgeber bereits mit Schreiben vom 11. September 1990, Zl  **********/90, seitens des zuständigen Arbeitsinspektorates aufgefordert wurde, den gesetzlichen Zustand herzustellen, ist im gegenständlichen Fall somit fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten anzunehmen, da der Täter in objektiver Hinsicht die Anwendung jener Sorgfalt, zu der er nach den Umständen des einzelnen Falles verpflichtet war, außer Acht gelassen hat und ihn in subjektiver Hinsicht sowohl die Zumutbarkeit als auch die Befähigung zur Sorgfaltsübung traf, der er durch Unterlassung seiner Informations- und Erkundungspflicht hinsichtlich der gültigen Rechtslage nicht nachgekommen ist.

 

Hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafe wurde vom Senat entschieden wie folgt:

 

Gemäß §19 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überdies ist aus dieser Gesetzesbestimmung im ordentlichen Verfahren auf Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, Bedacht zu nehmen. Auch das Ausmaß des Verschuldens ist besonders zu berücksichtigen und bei Bemessung von Geldstrafen sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Strafhöhe zugrunde zu legen.

 

Die im gegenständlichen Fall angelastete Verwaltungsübertretung ist, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,--, oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wobei beide Strafen auch nebeneinander verhängt werden können. Auch wenn nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auszugehen ist, daß die Behörde der Begehung von Übertretungen, die eine Gefährdung für Leben und Gesundheit von Menschen hervorrufen können, mit aller Strenge entgegen zu treten hat, war im vorliegenden Fall mit der Mindeststrafe das Auslangen zu finden. Die verhängte Geldstrafe erscheint tat- und schuldangemessen, sowie persönlichkeitsadäquat und geeignet, den Beschuldigten in Zukunft von der Begehung gleichgelagerter Verhaltensweisen abzuhalten. Bei Bemessung der Geldstrafe wurde auch das unterdurchschnittliche Einkommen des Beschuldigten berücksichtigt, sowie weiters in Erwägung gezogen, daß es sich im vorliegendne Fall um die erste einschlägige Verwaltungsübertretung aus dem Bereich des Arbeitnehmerschutzes handelt, der Täter bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten im auffallenden Widerspruch steht. Auch der Umstand, daß die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum begangen wurde, das Delikt aus achtenswerten Beweggründen gesetzt wurde und der Beschuldigte durch seine Aussage doch nicht unwesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, war als weiterer Milderungsgrund zu berücksichtigen.

Zusätzlich wird durch die Höhe der Bestrafung gleichfalls eine generalpräventive Wirkung erzielt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten