Der BW war mit Straferkenntnis wegen Übertretung der §§ 1) 4 Abs1 litc, 2) 4 Abs5 und 3) 99 Abs1 litb iVm 5 Abs2 StVO für schuldig erkannt worden, weil er nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht an der Sachverhaltsfeststellung mitwirkte, die nächste Polizeidienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub verständigte und die Ableistung einer geforderten Atemluftalkoholuntersuchung mittels Alkomat verweigerte.
Dagegen brachte der Beschuldigte fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte im wesentlichen aus, die zeugenschaftliche Aussage des Unfallgegners habe ergeben, daß er mit diesem gesprochen habe, er habe zugestanden, dessen Fahrzeug beschädigt zu haben. Man habe vereinbart, am nächsten Tag einen Unfallsbericht auszufüllen. Dieser Unfallsbericht sei vom Beschuldigten und vom Unfallsgegner bereits am nächsten Tag ausgefüllt worden, es seine sämtliche Daten mit dem Unfallsgegner ausgetauscht worden. Die Berichtigung des Schadens durch die Versicherung sei bereits erfolgt. Er habe die Unfallstelle verlassen und nach seinem Eintreffen zu Hause zwei Flaschen Bier konsumiert, dies sei der Grund für die Alkoholisierungsmerkmale gewesen. Die Annahme einer Alkoholisierung des Beschuldigten zum Unfallszeitpunkt sei als willkürlich und unbegründet zu bezeichnen, da dessen Zustand erst ungefähr 70 Minuten nach dem Vorfall wahrgenommen worden sei. Es sei durchaus glaubwürdig, daß ein Lenker eines Fahrzeuges, welches in einen leichten Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt war, nach dem Eintreffen zu Hause zwei Flaschen Bier konsumiere. Eine Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Lenkens eines Fahrzeuges sei daraus jedoch nicht nachvollziehbar.
Der UVS gab der Berufung in Pkt 1) Folge und stellte das Verfahren gem §45 Abs1 Z2 VStG ein, bestätigte Pkt 2) in der Schuldfrage, setzte jedoch die Strafe geringfügig herab, weil die Behörde von einem unrichtigen höheren Strafrahmen bei der Strafbemessung ausgegangen war und bestätigte Pkt 3) vollinhaltlich.
Der unabhängige Verwaltungssenat Wien hat über die Berufung des Herrn Wojciech R, wohnhaft in Wien, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat vom 20.1.1993, Zl Pst 2934/F/92, wegen Verletzung der Rechtsvorschrift der §§ 1) 4 Abs1 litc StVO, 2) 4 Abs5 StVO und 3) 5 Abs2 StVO in Verbindung mit § 99 Abs1 litb StVO entschieden:
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung in Punkt 1) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z2 eingestellt.
In den Punkten 2) und 3) wird der Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Strafnorm zu Punkt 2) lautet "§99 Abs3 litb StVO".
Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung zu Punkt 2) insofern Folge gegeben, als die Strafe von 1000,-S auf 800,-S, die Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden auf 40 Stunden, herabgesetzt wird. Zu Punkt 3) wird der Berufung in der auch hinsichtlich der Strafhöhe keine Folge gegeben.
Dementsprechend verringert sich der erstinstanzliche Strafkostenbeitrag zu Punkt 2) von 100,-S auf 80,-S. Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der S 2.000,-- zu 3), das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu Punkt 1) und 2) hingegen gemäß §65 leg cit keinen solchen Betrag zu bezahlen.
Begründung:
I) Folgender wesentlicher Sachverhalt ist aktenkundig:
Laut Anzeige (Blatt 1) wurde der Meldungsleger zum Unfallsort Wien, F-straße zu einem Verkehrsunfall beordert. Am Unfallsort habe er den Aufforderer angetroffen, welcher über einen Verkehrsunfall berichtete und ausführte, er habe den unfallsverursachenden Lenker zur Rede gestellt, dieser habe jedoch keine Fahrzeugpapiere mit sich geführt. Er habe sich vom Unfallsort entfernt, um seine Papiere zu holen. Zurückgekehrt sei er jedoch nicht mehr. Seine mitfahrende Lebensgefährtin sei an Ort und Stelle verblieben. Man sei sodann zur Wohnadresse des Beschuldigten gefahren, habe diesen dortselbst angetroffen. Er habe keine Stellungnahme zum Vorhalt abgegeben, warum er nicht zum Unfallort zurückgekehrt sei. Da er Symptome einer möglichen Alkoholisierung aufgewiesen habe (Geruch nach alkoholischen Getränken, lallende Aussprache, gerötete Bindehäute), sei er um 21.00 Uhr in der Wohnung zur Durchführung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aufgefordert worden. Dies sei um 21.01 Uhr verweigert worden.
Im Zuge des abgeführten Verfahrens wurde dem Beschuldigten durch seinen ausgewiesenen Vertreter die Möglichkeit der Akteneinsicht und der Stellungnahme eingeräumt (Blatt 10).
Es erging eine Stellungnahme (Blatt 11), in welcher der Beschuldigte ausführte, man habe sämtliche Daten ausgetauscht, man habe vereinbart, am nächsten Tag einen Unfallsbericht auszufüllen. Ein Grund, das nächste Polizeiwachzimmer zur Meldungserstattung aufzusuchen, sei daher nicht vorgelegen. Nach seinem Eintreffen zu Hause habe der Beschuldigte zwei Flaschen Bier konsumiert, dies sei der Grund für die Alkoholisierungsmerkmale gewesen. Im Anschluß daran wurden zeugenschaftliche Einvernahmen des Insp S (Blatt 14), des Insp G (Blatt 15), des Tomislav M (Blatt 16) sowie der Grazyna K (Blatt 17) durchgeführt, welche dem Beschuldigten im Wege der Akteneinsicht zur Kenntnis gebracht wurden (Blatt 18).
Mit Schriftsatz vom 18.1.1993 erging eine neuerliche Stellungnahme des Beschuldigten, mit welcher dieser insgesamt feststellte, es habe sich die Beweissituation nicht wesentlich geändert.
II) Am 20.1.1993 erging das angefochtene Straferkenntnis, mit welchem wegen der im Spruch zitierten Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von S 1.000,-- zu 1), S 1.000,-- zu 2) und S 10.000,-- zu 3), im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 50 Stunden zu 1), 50 Stunden zu 2) und 10 Tage zu 3) verhängt und erstinstanzliche Strafkostenbeiträge von insgesamt
S 1.200,-- vorgeschrieben wurden.
III) Dagegen brachte der Beschuldigte fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte im wesentlichen aus, die zeugenschaftliche Aussage M habe ergeben, daß dieser mit dem Beschuldigten gesprochen habe, er habe zugestanden, dessen Fahrzeug beschädigt zu haben. Die Berichtigung des Schadens durch die Versicherung sei bereits erfolgt. Ein Unfallsbericht sei vom Beschuldigten und vom Unfallsgegner bereits am nächsten Tag ausgefüllt worden, es seien sämtliche Daten mit dem Unfallsgegner ausgetauscht worden. Die Annahme einer Alkoholisierung des Beschuldigten zum Unfallszeitpunkt sei als willkürlich und unbegründet zu bezeichnen, da dessen Zustand erst ungefähr 70 Minuten nach dem Vorfall wahrgenommen worden sei. Es sei durchaus glaubwürdig, daß ein Lenker eines Fahrzeuges, welches in einem leichten Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt war, nach dem Eintreffen zu Hause ein oder zwei Flaschen Bier konsumiere. Eine Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Lenkens eines Fahrzeuges sei daraus jedoch nicht nachvollziehbar.
IV) Der sohin erhobene Sachverhalt wurde folgender rechtlichen Würdigung unterzogen:
Gemäß §4 Abs1 litc StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Wie die dahingehend abgeführte ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt hat, muß dem Spruch des Bescheides zu entnehmen sein, durch welche konkrete Tathandlung oder Unterlassung es der Beschuldigte unterlassen hat, an der Sachverhaltsfeststellung konkret mitzuwirken (12.4.1985, 85/18/0205).
Dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt konnte nicht entnommen werden, welche konkrete Tathandlung dem Beschuldigten durch die Erstbehörde als Verwirklichung des angelasteten Verhaltens zur Last gelegt wurde. Da sich die Berufungsbehörde im vorliegenden Fall nicht dazu veranlaßt sah, von der zitierten Judikatur abzuweichen, war das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt spruchgemäß zu beheben.
Gemäß §4 Abs5 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die oben genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Daß der Beschuldigte zur Unfallszeit am Unfallsort an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt war, konnte aufgrund des Akteninhaltes und des entsprechenden Zugeständnisses als erwiesen angesehen und somit der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.
Nach Überzeugung der Berufungsbehörde ist ein gegenseitiger Datennachweis nur dann geeignet, die Lenkerverpflichtungen im Anschluß an einen Verkehrsunfall zu erfüllen, wenn er an Ort und Stelle oder zumindestens in zeitlich engstem Konnex zum Unfallsereignis erfolgt. Wenn sich der Beschuldigte wie im vorliegenden Fall von der Unfallstelle entfernt, ohne seine Daten nachgewiesen zu haben und im Anschluß daran keinerlei Aktivitäten des Inhalts unternimmt, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen, sondern vielmehr nach dessen eigener Aussage in der Wohnung erhebliche Mengen Bier konsumiert, hat er nach Überzeugung der Berufungsbehörde seine Verpflichtung, die nächstgelegene Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub vom Unfall zu verständigen, verletzt.
Dieses Verhalten konnte keineswegs dadurch saniert werden, daß der Beschuldigte am nächsten Tag gemeinsam mit dem Unfallsgegner einen Unfallsbericht verfaßt und somit zur Berichtigung des Sachschadens beigetragen hat. Auch der vom Beschuldigten behauptete "Austausch sämtlicher Daten" konnte nicht als gegenseitiger Nachweis derselben gewertet werden, wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, daß hinsichtlich dieser Behauptung keinerlei Beweisergebnis zugunsten des Beschuldigten vorliegt.
Es konnte daher der Berufung in diesem Punkt in der Schuldfrage keine Folge gegeben werden und war daher das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß zu bestätigen.
Gemäß §5 Abs2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.
Der Beschuldigte hat nicht in Abrede gestellt, in einem relevanten Zeitabstand vor der entsprechenden Aufforderung zur Durchführung der Atemalkoholuntersuchung erhebliche Mengen Bier konsumiert zu haben. Die konsumierten alkoholischen Getränke - mag der Konsum nun vor oder nach dem Unfall stattgefunden haben - hatte offenkundig zu Folge, daß der Beschuldigte die vom Meldungsleger wahrgenommenen Alkoholisierungsmerkmale aufwies.
In diesem Stadium des Verfahrens hat der Beschuldigte die Feststellungen des Meldungslegers unwidersprochen gelassen, denenzufolge er zur Durchführung der Atemalkoholuntersuchung aufgefordert wurde. Wie die dahingehend ständig einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes festgestellt hat, ist für die Berechtigung der im §5 Abs2 angeführten Organe, die Atemluft zu untersuchen, hinreichend, daß vermutet werden kann, daß die Tatsache des Lenkens eines Fahrzeuges und die Beeinträchtigung des Zustandes des Lenkers durch Alkohol zeitlich zusammenfallen. Ob der Lenker eines Fahrzeuges nach Beendigung der Fahrt noch Alkohol genossen hat, ist nach §5 Abs2 rechtlich unerheblich (13.3.1979, 1860/78).
Da sohin die Aufforderung zur Durchführung der Atemalkoholuntersuchung zu Recht erging und dieser Aufforderung durch den Beschuldigten nicht entsprochen wurde, hatte die Berufungsbehörde der Entscheidung zu Grunde zu legen, daß der Beschuldigte die ihm zu Punkt 3) zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ebenfalls begangen hat.
Es war daher auch in diesem Punkt spruchgemäß mit Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses vorzugehen.
Da sich das Berufungsvorbringen ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung richtete, war gemäß §51e Abs2 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen.
V) Die Strafe zu Punkt 2) wurde spruchgemäß herabgesetzt, da die Erstbehörde von der Strafdrohung einer unzutreffenden und somit spruchgemäß zu berichtigenden Norm ausgegangen war. Eine über diese Verfügung hinausgehende Strafherabsetzung kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Gemäß §19 Abs1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß Abs2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen waren mit Geldstrafen bis 10000,-S (Punkt 2) bzw von 8000,-S bis 50000,-S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafen von zwei (Punkt 2) bzw sechs (Punkt 3) Wochen, bedroht. Durch die angelasteten Verwaltungsübertretungen wurde das durch die Strafdrohung als schutzwürdig erkannte Interesse an der raschen Aufklärung von Verkehrsunfällen (Punkt 2) bzw von Alkoholdelikten (Punkt 3) geschädigt. Trotz des Fehlens sonstiger nachteiliger Folgen konnte daher der objektive Unrechtsgehalt nicht als unbedeutend angesehen werden.
Wie den begleitenden Tatumständen entnommen werden konnte, wurden die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen zumindest fahrlässig begangen. Das Verschulden konnte daher nicht als geringfügig angesehen werden.
Der besondere Milderungsgrund der Unbescholtenheit kam dem Beschuldigten laut Aktenlage nicht mehr zugute.
Die Bekanntgabe der allseitigen Verhältnisse wurde verweigert, sodaß die Behörde eine entsprechende Schätzung vorzunehmen hatte. Es wurde daher davon ausgegangen, daß der Beschuldigte zumindest ein unterdurchschnittliches Einkommen beziehen kann. Vermögenslosigkeit und das Bestehen gesetzlicher Sorgepflichten wurden zugunsten des Beschuldigten angenommen.
Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des §64 Abs1 und 2 VStG.