Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.
Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 30.5.1991 im Gemeindegebiet von xx in dem
zum Naturschutzgebiet erklärten " tal" auf einer Wiese das Kraftfahrzeug Kombi W , abgestellt. Er habe demnach eine Übertretung gemäß §24 Abs1 Z15 NÖ Naturschutzgesetz, §3 Z20 Naturschutzverordnung (richtig wohl Verordnung über die Naturschutzgebiete) begangen. Aufgrund dieser Übertretung wurde über den Beschuldigten gemäß §24 Abs1 NÖ Naturschutzgesetz eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Die Bestrafung erfolgte aufgrund einer Anzeige vom 5.6.1991. Die dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung wurde von der Erstbehörde aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen. Die Strafe wurde innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzt und schien der Behörde erster Instanz dem Verschulden angemessen.
In der fristgerecht erhobenen Berufung wurde im wesentlichen angeführt:
Der Berufungswerber erhebe Einspruch gegen das Verwaltungsstrafverfahren und die Aufhebung des Straferkenntnisses werde beantragt. Es werde auf die Einvernahme des Herrn Dr C W mit Bürgermeister N K vom 6.9.1991 in einem Strafverfahren gegen eine andere Person verwiesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 4. März 1993 an der Bezirkshauptmannschaft yy eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, die im wesentlichen folgendes Ergebnis hatte:
Eingangs der Verhandlung erklärte der Berufungswerber, daß er im Jahr 1991 als Beweis für die Berechtigung mit dem Auto zum Fischwasser fahren zu dürfen, nur die bereits im Akt befindliche Lizenz gehabt habe; Im Jahr 1992 sei seitens des Grundeigentümers eine klarer formulierte, schriftliche Bestätigung erteilt worden. Der Umfang der Berechtigung zum Fahren sei aber inhaltlich gleich geblieben. Weiters erklärte er, daß er schon seit rund 9 Jahren auf diesem Weg fahre, um den Fischfang auszuüben. Als Beweismittel legte er eine Ablichtung der Bewilligung vom 14.3.1992, sowie eine Liste der von Grundeigentümer berechtigten Jahresfischkartenbesitzer vor. Weiters legte er 3 Farbfotos vor, auf denen nach seinen Angaben der betreffende Weg zu sehen sei bzw auch eine Tafel, mit der dieser Weg als Forststraße gekennzeichnet sei.
Im Zuge des Beweisverfahrens wurde der Zeuge H S einvernommen.
Dieser gab im wesentlichen folgendes an:
Er habe damals die Anzeige erstattet. Er legte eine Ablichtung des Kartenauschnittes des Bereiches der Einmündung des baches in der
T vor, in dem der Standpunkt des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt mit
Rotstift, mit einem Kreuz und mit einem Ring eingetragen wurde. Weiters legte er 6 Farbfotos vor, die die gegenständliche "S wiese" sowie den "S wiesenweg" aus verschiedenen Perspektiven zeigen.
Weiters führte der Zeuge aus, daß der sogenannte
"S wiesenweg" teilweise verwachsen sei und daß daher die Zufahrt
zur T durch die Wiese erfolge. Das Ende der Wiese sei auch nach
Ansicht des Zeugen der Lager- und Umkehrplatz. Nach Vorhalt der vom Berufungswerber vorgelegten Bilder erklärte der Zeuge, daß diese zum Teil mit seinen vorgelegten Bildern übereinstimmen würden. Zum Zeitpunkt der Anzeige sei auf dem sogenannten Lager- und Umkehrplatz eine im wesentlichen intakte Wiese gewesen. Die aufgestellte Tafel "Forststraße" decke beide Wege ab.
Über Befragen durch den Sachverständigen für Naturschutz-Allgemein, erklärte der Zeuge, daß der unter Grundstücksnummer 1414 gesondert ausgewiesene Weg in der Natur nicht befahrbar sei, zumindest nicht mit mehrspurigen Fahrzeugen. Das Fahrzeug des Berufungswerbers sei auf Grundstück Nr 1359/2 , KG N, am Waldrand auf Höhe eines Vermessungszeichens gestanden.
Der einvernommene Zeuge und Grundbesitzer des betreffenden Bereiches Dipl Ing Dr C W gab im wesentlichen an:
Nur ganz wenige Wege hätten eigene Parzellennummern. Die Zufahrt zu allen Waldteilen flußabwärts der Parzelle Nr 1359/2 verlaufe am Rande der Wiese Parzelle Nr 1361 und ende mit einem Lager- und Umkehrplatz, auf dem ein Vermessungszeichen steht. Diesen Weg auf der "S wiese" gebe es seit Jahrzehnten, er wachse je nach Intensität der Benützung zeitweise auch wieder zu. Er sei jedenfalls die einzige Zufahrt - auch für die Lizenznehmer zur Ausübung des Fischfanges bei der Wehr im Bereich der Parzelle Nr 1359/2. Im Jahr 1976 habe er dort eine Tafel "Forststraße" angebracht.
Der einvernommene Zeuge N K gab im wesentlichen an:
Er könne aus eigenen Wahrnehmungen nicht sagen, ob der Weg dort ausgefahren sei, oder ob er bei längerer Nichtbenützung wieder zuwachse oder nicht.
Der Zeuge W M, gab folgendes an:
Er selbst, der Berufungswerber und andere Personen hätten Fischereilizenzen von Dr W. Aufgrund dieser Lizenzen dürften sie den Weg benützen und unten bei der Wehr das Auto abstellen. Bei der Wehr sei die Wiese aus und da stünden sie. Der Weg im Wald sei nicht befahrbar, daher würden sie immer den Weg auf der Wiese fahren. Er fahre dort sei ca 3 Jahren und wisse, daß der Weg, wenn die Wiese gemäht wird, nicht mitgemäht werde. Da der Weg nicht instandgehalten werde, sei er in der Natur eindeutig erkennbar und es werde immer auf dem Weg gefahren. Das Abstellen erfolge am Ende der Wiese am Umkehrplatz.
Der Sachverständigen für Naturschutz-Allgemein gab folgende Stellungnahme ab:
"Der sogenannte Lager- und Umkehrplatz auf Grundstück Nr 1359/2 , KG
N, befindet sich in Zone B des Naturschutzgebietes " tal". Er
wird über einen Zufahrtsweg erreicht, der von der bachmündung
nach Osten abzweigt, und über die sogenannte S wiese (Parznr 1361 und 1360) führt. Die S wiese gehört der Zone D des Naturschutzgebietes an".
Der Sachverständigen für Naturschutz-Bauwesen gab folgendes Gutachten ab:
"Befund:
Im Talboden befinden sich rechts der T zwei langgestreckte Wiesenparzellen, die so eben sind, daß sich durch Befahren ein Weg in der Natur selbst herausgebildet hat. Am Ende dieses Weges befindet sich ein sogenannter Umkehrplatz, welcher jedoch, da er selten benutzt wird, mit Gras bewachsen ist. Der gesamte Weg stellt sich somit in der Natur als Spurweg dar. Eine eigene katastermäßige Ausweisung ist nicht gegeben. Aus den heute getätigten Aussagen ergibt sich, daß dieser Weg für die land- und forstwirschaftlicher Nutzung einiger Grundstücke und für die Ausübung der Fischerei im Bereich einer vorhandenen Wehranlage die einzige Zufahrtsmöglichkeit und daher notwendig ist.
Gutachten:
Ein Benützen des beschriebenen Weges und ein Abstellen des Kraftfahrzeuges im Bereich des Lager- und Umkehrplatzes stellt aus Sachverständigersicht keine Maßnahme dar, die über die auch im Naturschutzgebiet zulässige Nutzung vorhandener Wege hinausgeht".
Zum Schluß der Verhandlung gab der Berufungswerber ergänzend bekannt, daß sich an seinen persönlichen Verhältnissen nichts geändert habe.
Zur Sache selbst gab er an, daß er im Vertrauen auf die von Dr W erteilte Genehmigung den Weg benützt und sein Fahrzeug am Lager- und Umkehrplatz abgestellt habe. Er beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Aufgrund des durchgeführten Verfahrens, insbesondere der öffentlichen mündlichen Verhandlung, steht folgender Sachverhalt fest:
Am 30.5.1991 stellte der Berufungswerber sein Fahrzeug, Kombi,
Kennzeichen W , am Lager- und Umkehrplatz auf dem Grundstück
Nr 1359/2, KG N, nächst der bachmündung in die T ab.
Erreicht wurde dieser Lager- und Umkehrplatz über einen Zufahrtsweg,
der von der bachmündung nach Osten abzweigt und über die
sogenannte "S wiese" (Parzellen Nr 1361 und 1360) führt.
Der Berufungswerber war Inhaber einer Fischereilizenz für diesen Bereich für das Jahr 1991.
Der Umkehrplatz liegt auf Grundstück Nr 1359/2, KG N, die Zufahrt liegt auf den Parzellen Nr 1360 und 1361.
Diese Feststellungen gründen sich auf den in der öffentlichen mündlichen Verhandlung berücksichtigten Akteninhalt, auf die Aussagen der vernommenen Zeugen, auf die Stellungnahme des Sachverständigen für Naturschutz-Allgemein, auf das Gutachten des Sachverständigen für Naturschutz-Bauwesen und auf die in der Verhandlung vorgelegten Bilder und Pläne.
Die Zeugen und auch der Anzeigenleger schilderten glaubwürdig die Situation und stimmen im wesentlichen überein. Die Stellungnahme des Sachverständigen für Naturschutz-Allgemein ist klar und eindeutig.
Die Ausführungen des Sachverständigen für Naturschutz-Bauwesen sind gegliedert in Befund und Gutachten, begründet und es bestehen gegen ihre Schlüssigkeit keine Bedenken.
In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:
§24 Abs1 Z15 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl 5500-3, besagt, daß, wer Eingriffe in das Pflanzenkleid und Tierleben oder Änderungen bestehender Boden- oder Felsbildungen in Naturschutzgebieten (§7 Abs2 leg cit ) vornimmt, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- oder mit Arrest bis zu 3 Monaten zu bestrafen ist.
Gemäß §7 Abs2 des NÖ Naturschutzgesetzes ist in Naturschutzgebieten jeder Eingriff in das Pflanzenkleid und Tierleben sowie jede Änderung bestehender Boden- und Felsbildungen untersagt.
§3 Z20 der Verordnung über die Naturschutzgebiete, LGBl Nr 5500/13-13, (nunmehr LGBl Nr 5500/13-19) besagt, daß die Instandsetzung und Benützung der bestehenden Wege vom Eingriffsverbot gemäß §7 Abs2 des NÖ Naturschutzgesetzes ausgenommen sind.
Zur "Benützung" eines bestehenden Weges gehört zweifellos nicht nur das Befahren sondern auch das Abstellen von Fahrzeugen auf Teilen des Weges. Eine andere Auslegung würde bedeuten, daß ein vorhandener Weg zwar befahren werden dürfte, rechtlich erlaubte Tätigkeiten, wie zB die Vornahme der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung oder die Ausübung des Fischfanges jedoch nicht möglich wären. Diese Tätigkeiten können in der Regel nämlich nur ausgeübt werden, wenn das als Transportmittel verwendete Fahrzeug in der Zwischenzeit abgestellt wird.
Wenn ein in der Natur vorhandender Weg und ein am Ende des Weges befindlicher Lager- und Umkehrplatz nicht als eigenes Grundstück parzellenmäßig ausgewiesen wird, kann davon ausgegangen werden, daß der Lager- und Umkehrplatz ein Teil des Weges ist.
Ein Abstellen von Kraftfahrzeugen auf einem Lager- und Umkehrplatz, der einen Teil eines bestehenden Weges darstellt, ist daher nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ eine "Benützung", die im §3 Z20 der Verordnung über Naturschutzgebiete erfaßt und daher rechtlich zulässig ist.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber bestraft, weil er seinen PKW auf einer im Naturschutzgebiet " tal" befindlichen Wiese abgestellt hat. Der Platz auf dem er den PKW abgestellt hatte, ist jedoch als Lager und Umkehrplatz Teil eines Weges.
Er hat demnach die ihm im Straferkenntnis angelastete Tat nicht begangen.
Es war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und gleichzeitig das Strafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.