Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.
Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 6.7.1991 um 18,15 Uhr im Gemeindegebiet von
xx nächst der Grundstücksnummer 672 im Naturschutzgebiet " tal"
das Fahrzeug Kombi , abgestellt. Er habe demnach eine Übertretung gemäß §24 Abs1 Z15 NÖ Naturschutzgesetz, §3 Z20 NÖ Naturschutzgesetzverordnung (richtig wohl Verordnung über die Naturschutzgebiete) begangen. Aufgrund dieser Übertretung wurde über den Beschuldigten gemäß §24 Abs1 NÖ Naturschutzgesetz eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Die Bestrafung erfolgte aufgrund einer Anzeige vom 7.7.1991. Die dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung wurde von der Erstbehörde aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen. Die Strafe wurde innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzt und schien der Behörde erster Instanz dem Verschulden angemessen.
In der fristgerecht erhobenen Berufung wurde im wesentlichen angeführt:
Der Berufungswerber sei Eigentümer einer Fischerhütte auf dem Grundstück Nr 669 der KG xx. Zu dieser Fischerhütte führe auch ein Fahrweg, auf welchem sich gegenüber der Fischerhütte des Berufungswerbers eine Ausweiche befinde. Der Berufungswerber habe seinen Wagen nicht in der Wiese geparkt, sondern auf dieser Ausweiche - und somit auf einer Verkehrsfläche. Es werde die Durchführung eines Lokalaugenscheines sowie die Einvernahme von namentlich genannten Zeugen beantragt. Weiters werde der Berufungsantrag gestellt, das gegen den Berufungswerber anhängige Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 4. März 1993 an der Bezirkshauptmannschaft yy eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, die im wesentlichen folgendes Ergebnis hatte:
Eingangs der Verhandlung legten der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter als Beweismittel 4 Lichtbilder vor, welche die Fischerhütte des Berufungswerbers, eine weitere, grüne Hütte, die nicht dem Berufungswerber gehört, den Fahrweg und den PKW des Berufungswerbers zeigen. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß, wie auf den Fotos ersichtlich, der Fahrweg nur eine so geringe Breite aufweise, daß ein Abstellen von Fahrzeugen zu Verkehrsbehinderungen führen könnte.
Im Zuge des Beweisverfahrens wurde der Zeuge F K einvernommen.
Dieser gab im wesentlichen folgendes an:
Er habe am 7. Juli 1991 und am 3. September 1991 Anzeige gegen den Berufungswerber erstattet wegen des Abstellens seines Fahrzeuges außerhalb bestehender Wege. Am 6.7.1991 um 18,15 Uhr habe das Auto des Berufungswerbers auf der Waldparzelle Nr 674/1, KG xx, gestanden. Über Befragen durch den Verhandlungsleiter bzw Vorhalt, wonach der PKW des Berufungswerbers in einer Ausweiche abgestellt gewesen sei, weil der Weg zu schmal zum Abstellen von Fahrzeugen sei, erklärte der Zeuge, daß es ihm bekannt sei, daß dort eine Stelle sei, wo vor einiger Zeit, jedenfalls vor 1989, Materialentnahme erfolgt sei. Dies ändere seiner Meinung nichts daran, daß diese Fläche nach wie vor zur Waldparzelle Nr 674/1, KG xx, gehöre. Der Weg selbst wachse während des Jahres nicht zu, da er regelmäßig benützt werde; auf der sogenannten Ausweiche befinde sich ein Bewuchs von verschiedenen Kräutern und es liege auch noch Restmaterial von Baggerungen dort. Nach Vorhalt der als Beweismittel vorgelegten Bilder erklärte der Zeuge, daß diese Bilder die Situation richtig darstellen.
Über Befragen des Vertreters des Berufungswerbers erklärte der Zeuge, daß er das Gebiet und die Fischerhütten seit Jahrzehnten kenne. Der Weg zu diesen Hütten sei, soweit er sich erinnere, etwa im Jahr 1988 ausgebessert bzw geschottert worden. Seit diesem Zeitpunkt werde häufiger mit Kraftfahrzeugen zugefahren als vorher. Über Befragen bzw Vorhalt durch den Berufungswerber, wonach dieser Weg seit Jahrzehnten bestehe, wonach weiters auf diesem Weg etliche Ausweichen zur Ermöglichung des Gegenverkehrs vorhanden waren bzw sein sollen, wonach weiters der Platz, wo er sein Auto immer abstelle, so eine alte Ausweiche sei, wonach weiters diese Ausweiche erst durch Baggerungen vor 1989 erweitert worden waren, erklärte der Zeuge, daß es, soweit er das Gelände von früher kenne, einige Stellen, wo die Möglichkeit des Begegnungsverkehrs bestand, gebe. Er habe jedenfalls keine Wahrnehmung über die Benützung dieser Ausweichen mit Fahrzeugen gemacht.
Der einvernommene Zeuge Dir K H gab im wesentlichen an:
Er selbst sei Pächter einer Fischereihütte in unmittelbarer Nachbarschaft der Hütte des Berufungswerbers, welche auch auf den als Beweismittel vorgelegten Fotos ersichtlich sei. In unmittelbarer Nähe der beiden Hütten befinde sich ein Platz, wo von der Gemeinde Schotterentnahme für den Wegebau vorgenommen wurde und zwar im Einvernehmen mit dem Grundeigentümer. Diese Schotterentnahme sei vor etwa 5 Jahren gewesen. Es habe sich auch vorher schon dort ein kleiner freier Platz, eine sogenannte Ausweiche, befunden. Er kenne die Gegend schon seit etwa 50 Jahren und nach seiner Erinnerung sei dort immer schon eine Ausweiche gewesen. Der Weg wachse im Sommer nicht zu, da er ständig befahren werde und auf der Ausweiche, bei der es sich um Geröllgrund handle, komme es nur zu geringem Bewuchs. Er selbst stelle sein Fahrzeug ebenfalls immer außerhalb des Weges ab und zwar auf einem eigenen Platz neben seiner Hütte. Laut seiner Erinnerung stelle der Berufungswerber seit rund 20 Jahren sein Kraftfahrzeug immer an der gleichen Stelle in der Ausweiche ab. Über Befragen durch den Vertreter der Bezirkshauptmannschaft yy erklärte der Zeuge, daß die Ausweiche so groß sei, daß das Abstellen eines Kraftfahrzeuges und ein Ausweichen noch möglich seien.
Nach einer Diskussion wurde vom Berufungswerber und seinem Rechtsvertreter der Antrag zur Durchführung eines Lokalaugenscheines ausdrücklich zurückgezogen.
Der Amtssachverständige für Naturschutz-Bauwesen gab folgendes Gutachten ab:
"Wie aus den vorgelegten Fotos erkennbar, wird der fluß im Taleinschnitt beim "Umlauf" fallweise beiderseits und fallweise nur auf einer Seite von einem schmalen flachen Talboden begleitet. Diese flachen Stellen werden landwirtschaftlich genutzt, und zwar, soweit erinnerlich und auf Foto 2 zu ersehen, nur als Wiese. Die Hänge sind mit Laubwald bestanden und wie aus Foto 3 ersichtlich, stoßen hier durch die Humusdecke Felsen durch. Im Übergang von den Hängen zum Talboden hat sich ein Fahrweg in der Natur von selbst entwickelt oder eingestellt. Dieser Weg ist allerdings in dem im vorliegenden Akt Senat-HL-92-001 enthaltenen Katasterplan nicht als eigenes Grundstück ausgewiesen. Wie auf dem Foto 3 ebenfalls ersichtlich, haben sich im Bereich von V-förmigen Taleinschnitten im Bereich des Hangfußes Schuttablagerungen gebildet und werden diese offensichtlich zur Befestigung von Wegen abgegraben. Diese Stelle bietet sich als Ausweiche und Abstellplatz an. Derartige Stellen sind nach der Erfahrung bei Naturwegen immer wieder vorhanden. Diese Erfahrung wird durch die Aussagen der Zeugen in der heutigen Verhandlung untermauert.
Gutachten:
Da nach den Feststellungen laut Befund bei dem Weg und den Ausweichen es sich um kein eigenes Grundstück handelt, kann auch nicht gesagt werden, daß durch die Benützung der Ausweiche zum Abstellen des Kraftfahrzeuges des Berufungswerbers eine Nutzung des geschützten Gebietes erfolgt, die über die Benutzung vorhandene Wege hinausgeht. Nach den Feststellungen im Befund ist die Ausweiche als Teil des Weges anzusehen."
Der Amtssachverständige für Naturschutz-Allgemein stellte fest: "Der im Gegenstand eine Rolle spielende Weg samt Ausweiche befindet sich auf Grundst 674/1 , KG xx. Diese Parzelle liegt in Zone A des Naturschutzgebietes " tal". Die Fischerhütte befindet sich auf Parz Nr 672 , KG xx, die wiederum der Zone D des eben genannten Naturschutzgebietes angehört."
Zur Frage des Weges verwies er auf die Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen für Naturschutz-Bauwesen und machte zur Frage des Abstellens des Fahrzeuges keine weiteren Ausführungen.
Zum Schluß der Verhandlung gab der Vertreter des Berufungswerbers an, daß sich in den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers keine Änderungen ergeben hätten. Weiters wurde die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt, weil feststehe, daß der Abstellplatz ein Teil eines Weges sei.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Aufgrund des durchgeführten Verfahrens, insbesondere der öffentlichen mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:
Am 6.7.1991 stellte der Berufungswerber sein Fahrzeug, Kombi, Kennzeichen , auf dem Ausweichplatz neben dem auf Parzelle Nr 674/1 , KG xx, verlaufenden Weg ab. Diese Parzelle liegt in Zone A des Naturschutzgebietes " tal". Der Berufungswerber ist Besitzer einer Fischerhütte, die auf Parzelle Nr 672 liegt. Diese Parzelle wiederum liegt in der Zone D des Naturschutzgebietes " tal".
Diese Feststellungen gründen sich auf den in der öffentlichen mündlichen Verhandlung berücksichtigten Akteninhalt, auf die Aussagen der vernommenen Zeugen, auf die Stellungnahme des Sachverständigen für Naturschutz-Allgemein, auf das Gutachten des Sachverständigen für Naturschutz-Bauwesen und auf die in der Verhandlung vorgelegten Bilder.
Die Zeugen und auch der Anzeigenleger schilderten glaubwürdig die Situation und stimmen im wesentlichen überein. Die Stellungnahme des Sachverständigen für Naturschutz-Allgemein ist klar und eindeutig.
Die Ausführungen des Sachverständigen für Naturschutz-Bauwesen sind gegliedert in Befund und Gutachten, begründet und es bestehen gegen ihre Schlüssigkeit keine Bedenken.
In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:
§24 Abs1 Z15 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl 5500-3, besagt, daß, wer Eingriffe in das Pflanzenkleid und Tierleben oder Änderungen bestehender Boden- oder Felsbildungen in Naturschutzgebieten (§7 Abs2 leg cit) vornimmt, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- oder mit Arrest bis zu 3 Monaten zu bestrafen ist.
Gemäß §7 Abs2 des NÖ Naturschutzgesetzes ist in Naturschutzgebieten jeder Eingriff in das Pflanzenkleid und Tierleben sowie jede Änderung bestehender Boden- und Felsbildungen untersagt.
§3 Z20 der Verordnung über die Naturschutzgebiete, LGBl Nr 5500/13-13, (nunmehr LGBl Nr 5500/13-19) besagt, daß die Instandsetzung und Benützung der bestehenden Wege vom Eingriffsverbot gemäß §7 Abs2 des NÖ Naturschutzgesetzes ausgenommen sind (und zwar in allen Zonen des Naturschutzgebietes).
Zur "Benützung" eines bestehenden Weges gehört zweifellos nicht nur das Befahren sondern auch das Abstellen von Fahrzeugen auf Teilen des Weges. Eine andere Auslegung würde bedeuten, daß ein vorhandener Weg zwar befahren werden dürfte, rechtlich erlaubte Tätigkeiten, wie zB die Vornahme der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, die Ausübung des Fischfanges oder die Benutzung einer Fischerhütte jedoch nicht möglich wären. Diese Tätigkeiten können in der Regel nämlich nur ausgeübt werden, wenn das als Transportmittel verwendete Fahrzeug in der Zwischenzeit abgestellt wird.
Wenn ein in der Natur vorhandender Weg und eine neben dem Weg befindliche Ausweiche nicht als eigenes Grundstück parzellenmäßig ausgewiesen werden, kann davon ausgegangen werden, daß die Ausweiche ein Teil des Weges ist.
Ein Abstellen von Kraftfahrzeugen auf einer Ausweiche, die einen Teil eines bestehenden Weges darstellt, ist daher nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ eine "Benützung", die im §3 Z20 der Verordnung über Naturschutzgebiete erfaßt und daher rechtlich zulässig ist.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber bestraft, weil er seinen PKW auf einer Ausweiche neben einem, im Naturschutzgebiet " tal" verlaufenden, bestehenden Weg abgestellt hat. Der Platz auf dem er den PKW abgestellt hatte, ist jedoch als Ausweiche Teil eines Weges.
Er hat demnach die ihm im Straferkenntnis angelastete Tat nicht begangen.
Es war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und gleichzeitig das Strafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.