TE UVS Stmk 1993/03/18 30.7-65/92

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Veröffentlicht am 18.03.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat über die Berufung der Frau D. F., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R. T., G., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 4.11.1991, GZ.: A 4 - St 205/1-1991/2012, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (im folgenden VStG) abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 600,-- bei sonstiger Exekution binnen 14 Tagen zu leisten.

Text

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 4.11.1991, GZ.: A 4 - St 205/1-1991/2012, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt, weil sie anläßlich einer am 3.4.1991 um 14.15 Uhr durchgeführten Kontrolle der Filiale in G., L. H.-straße 139, dem überprüfenden Arbeitsinspektor Ing. M. G. die Aufzeichnungen der geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung nicht zur Einsichtnahme vorgelegt habe und dadurch die Erfüllung der Aufgaben des Arbeitsinspektorates vereitelt habe. Dies stelle eine Übertretung des § 5 Abs 2 iVm § 18 Abs 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 dar.

Mit der rechtzeitig als Einspruch bezeichneten Berufung wird der Antrag gestellt, das gegenständliche Strafverfahren einzustellen. Im wesentlichen wird die Berufung damit begründet, daß der Vorwurf des Arbeitsinspektorates als unrichtig hingestellt werde. Die Berufungswerberin habe sehrwohl die in der Filiale geführten Arbeitszeitaufzeichnungen vorgewiesen, es habe lediglich eine Auseinandersetzung darüber gegeben, ob das sogenannte Abrechnungsblatt vorzulegen sei. Nach Meinung der Berufungswerberin handle es sich dabei aber um keine Arbeitszeitaufzeichnungen, sondern um Aufzeichnungen für die Lohnverrechnung. Die aus diesen sogenannten Abrechnungsblättern resultierenden Lohn- und Gehaltslisten lägen in der Zentrale in Wiener Neudorf auf und seien dort jederzeit einsehbar. Die Hilfsaufzeichnungen für Lohn- und Gehaltslisten seien aber nach genauer Analyse des § 5 Abs 2 Arbeitsinspektionsgesetzes nicht einsichtspflichtig, wobei die Berufungswerberin auf die einschlägige Literatur zum Arbeitsinspektionsgesetz verweise. Demnach haben die Arbeitsinspektorate die Richtigkeit des ausbezahlten Entgeltes nicht zu überprüfen und könne der Zweck der Vorlage von Lohn- und Gehaltslisten lediglich darin bestehen, die Möglichkeit festzustellen, ob ein Arbeitnehmer zur Mehr- oder Nachtarbeit herangezogen worden und dies auf Grund der Rechtslage zulässig gewesen sei. Demgegenüber seien die Geschäftsbücher und die Korrespondenz, welche die Geschäftsführung eines Betriebes und Unternehmens betreffen, nicht einsichtspflichtig. Im weiteren wird aufgeführt, daß auf Grund der Tatsache, daß auch die Gehaltsverrechnung nicht vom Arbeitsinspektorat überprüft werden dürfe, sondern lediglich die Arbeitszeit, kein Anlaß bestehe, Abrechnungsunterlagen vorzulegen. Insgesamt gesehen sei daher die Strafe zu Unrecht verhängt worden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark beraumte eine öffentliche, mündliche Verhandlung an, zu der neben der Beschuldigten, die belangte Behörde, das Arbeitsinspektorat Leoben als mitbeteiligte Partei sowie die Zeugen Ing. M. G. und der Zeuge M. P. geladen wurden. Die Beschuldigte ließ sich trotz der im Akt ersichtlichen und ordnungsgemäß erfolgten Ladung über ihren Rechtsvertreter durch diesen aus beruflichen Gründen entschuldigen. In dieser Ladung wurde die Berufungswerberin auf die Kontumationsfolgen des § 51f Abs 2 VStG hingewiesen. Es konnte daher die Durchführung der Verhandlung auch ohne die Berufungswerberin erfolgen. Das Ermittlungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat erbrachte folgenden Sachverhalt:

Am 3.4.1991 wurde durch das Arbeitsinspektorat, nämlich durch Ing. G. zusammen mit einem Vertreter der Arbeiterkammer, Herrn P., eine gemeinsame Betriebsbegehung von 4 in G. ansässigen B.-Filialen durchgeführt. Nachdem die Filialen in der R.-gasse, B.-gürtel und G.-platz besucht worden waren, wurde die in der L. H.-straße befindliche B.-Filiale zuletzt kontrolliert. Im Rahmen dieser wurden auch die Arbeitsaufzeichnungen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zur Einsichtnahme gefordert, wobei in 3 von diesen 4 Filialen diese nicht vorgelegt wurden, lediglich in der Filiale am G.-platz erfolgte die Vorlage sämtlicher Unterlagen. Wie die zwei völlig glaubhaften Zeugen übereinstimmend aussagten, erfolgte in allen 4 Filialen zwar die Vorlage des Blattes mit der Bezeichnung "Arbeitsaufzeichnung", welches einerseits den Wochenplan der einzelnen Bediensteten und andererseits die Ist-Anwesenheitszeiten dieser Arbeitnehmer beinhaltete; das an sich dazugehörige Abrechnungsblatt war jedoch nicht vorgelegt worden. Auf diesem Abrechnungsblatt befinden sich üblicherweise die geleisteten Arbeitsstunden als auch die Urlaubsstunden, die geleisteten Überstunden samt deren Zuschlagsformen im Sinne des § 6 und § 10 AZG.

Die Berufungswerberin gab, obwohl sich dieses Abrechnungsblatt am Standort der Filiale befand, dieses nicht zur Einsicht an den Arbeitsinspektor. Dabei berief sich die Berufungswerberin auf eine mündliche Anordnung des Filialinspektors P. Sch., wonach eine Einsichtnahme durch einen Arbeitsinspektor deshalb nicht stattfinden dürfe, weil für die Arbeitsinspektoren dazu kein Einsichtsrecht bestehe. Offenbar auf Grund der Kontrollen der B.-Filialen am besagten Vormittag, rief der Personalchef Herr Mag. H. um 15.10 Uhr in der gegenständlich kontrollierten B.-Filiale an, wobei er den kontrollierenden Arbeitsinspektor ausdrücklich darauf aufmerksam machte, daß die betreffende Filialleiterin (nunmehrige Berufungswerberin) selbst wissen müsse, ob sie die geforderten Unterlagen vorlege oder nicht. Die Berufungswerberin habe nach Meinung Mag. H. die Arbeitgeberfunktion vollinhaltlich übernommen, weshalb sie auch die Verpflichtung treffe, sowohl Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen, als auch diese geführten Unterlagen dem Arbeitsinspektor auf Verlangen vorzuweisen. Demgegenüber hatte jedoch die Berufungswerberin dem Arbeitsinspektor erklärt, Herr Mag. H. habe ihr am Telefon das Gegenteil gesagt. Anläßlich dieser Kontrolle wurde auch vom Vertreter des Arbeitsinspektorates eine Niederschrift aufgenommen, wobei die Richtigkeit dieser Niederschrift von der Berufungswerberin mündlich bestätigt wurde, jedoch eine Unterschriftsleistung verweigert worden war. Anläßlich der durch den Arbeitsinspektor durchgeführten Kontrolle wurde die Berufunswerberin ausdrücklich auf die Folgen einer Vereitelung der Aufgaben der Arbeitsinspektion hingewiesen, wobei diese Belehrung jedoch nichts fruchtete. Dieser ermittelte Sachverhalt ergibt sich somit aus den völlig glaubhaften und in den wesentlichen Zügen übereinstimmenden Zeugenaussagen, die durch entsprechende Unterlagen der Zeugen betätigt wurden (Abrechnungsblatt der Arbeitszeitaufzeichnungen, Aktenvermerk vom 3.4.1991, gefertigt von Ing. M. G., Niederschrift vom 3.4.1991, aufgenommen von Ing. M. G. mit der Berufungswerberin unter Beisein des Herrn M. P.). Diese Unterlagen wurden mit Zustimmung der anwesenden Parteien gemäß § 51g Abs 3 Z 4 VStG verlesen. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 18 Abs 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 (das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 normiert ausdrücklich in § 26 Abs 1, daß das Arbeitsinspektionsgesetz 1974 auf Sachverhalte, die sich vor dem 1.4.1993 ereignen, weiter anzuwenden ist) begeht eine Verwaltungsstrafe und ist mit Geldstrafe bis zu S 15.000,-- zu bestrafen, we

r Arbeitsinspektoren oder Organen des Zentralarbeitsinspektorates in der Ausübung ihres Dienstes behindert oder die Erfüllung ihrer Aufgaben vereitelt. Gemäß § 5 Abs 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 haben Arbeitgeber und dessen Bevollmächigte den Arbeitsinspektoren auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Schutz der Arbeitnehmer des Betriebes im Zusammenhang stehen, wobei diese Regelung auch für Lohn-, Gehalts- und Urlaubslisten gilt, sowie für alle Verzeichnisse, Vormerke oder Aufstellungen, die auf Grund von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu führen sind.

Zu den sonstigen auf Grund der Arbeitnehmerschutzvorschriften vom Arbeitgeber zu führenden Vormerken, Verzeichnissen und Aufstellungen gehören auch die Aufzeichnungen nach § 26 AZG über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung.

Auf Grund der Tatsache, daß die Berufungswerberin zwar die Aufzeichnung über die geleisteten Arbeitsstunden, aber nicht die Aufzeichnung über die geleisteten Arbeitsstunden in Verbindung mit deren Entlohnung vorgelegt hätte, obwohl der Arbeitsinspektor anläßlich seiner Kontrolle die Berufungswerberin ausdrücklich auf die Folgen einer Vereitelung im Sinne des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 aufmerksam machte, war diese nicht bereit, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen. Wenn der Vertreter der Berufungswerberin in seiner Berufung meint, der Vorlagepflicht dadurch Genüge getan zu haben, indem lediglich die Arbeitsstundenaufzeichnungen vorgelegt wurden, so irrt er. Ebenso irrt er sich, wenn er meint, daß das Abrechnungsblatt (welches die Arbeitsstunden und die Überstunden samt deren Zuschläge beinhaltet) nicht vorzulegen sei.

Gemäß § 26 Abs 2 AZG ergibt sich eindeutig, daß der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitsinspektors Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu geben hat. Damit ist die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einsichtnahme in die geforderten Verzeichnisse klar. Insgesamt gesehen ist daher auch die Übertretung klar ersichtlich, da durch die Nichtvorlage der geforderten Unterlagen der Tatbestand der Vereitelung der Aufgaben der Arbeitsinspektion im Sinne des § 18 Abs 1, zweiter Tatbestand erfüllt ist. Die erklärtermaßen gemäß § 9 VStG beauftragte Verantwortliche (Berufungswerberin) kann sich ihrer Verpflichtung zur Vorlage der geforderten Unterlagen nicht dadurch entziehen, daß diese Unterlagen ebenso in der Zentrale (Personalbüro) angefordert werden könnten. Da die Berufungswerberin zur öffentlichen, mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, war eine genaue Erhebung ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht möglich, der Vertreter der Berufungswerberin konnte hiezu auch keine Angaben machen. Auf Grund dessen war der Unabhängige Verwaltungssenat als erkennende Behörde verpflichtet, in Anlehnung an die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Schätzung des Einkommens der Berufungswerberin vorzunehmen. Ausgehend vom Schutzzweck der Strafnorm des § 18 Abs 1, zweiter Tatbestand des Arbeitsinspektionsgesetztes, wonach jemand zu bestrafen ist, der zwar die Vornahme der Amtshandlung durch die Arbeitsinspektion nicht behindert, wohl aber deren Erfolg durch das Verhalten des Arbeitgebers in Frage stellt, und unter Zugrundelegung der geschätzten Einkommensverhältnisse von einem Nettoeinkommen einer Filialleiterin von ca. S 12.000,-- netto auszugehen ist, erscheint die verhängte Strafe von S 3.000,-- durchaus als angemessen. Als strafmildernd mußte die bisherige Unbescholtenheit gewertet werden, Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Insgesamt gesehen erscheint daher (auch unter Berücksichtigung des Strafrahmens bis S 15.000,--) die in der ersten Instanz verhängte Strafe als angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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