TE UVS Niederösterreich 1993/03/25 Senat-B-92-006

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Veröffentlicht am 25.03.1993
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Spruch

Die Beschwerde wird gemäß §67c Abs3 AVG, BGBl Nr 51/1991, abgewiesen.

 

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß §79a Abs1 AVG wird abgewiesen.

Text

I.

Der Beschwerdeführer M Z bringt vor, Organe der Bezirkshauptmannschaft xx, nämlich Beamte des Gendarmeriepostens xx, hätten ihn am 8.4.1992 um ca 22,00 Uhr in xx festgenommen, ohne daß ein Haftbefehl vorgelegen hätte und ihn erst am nächsten Morgen gegen 06,00 Uhr auf freien Fuß gesetzt, nachdem der Journalstaatsanwalt gegen ihn keinen Haftbefehl beantragt habe.

 

Die Festnahme und Anhaltung sei mangels dringenden Tatverdachtes nicht gerechtfertigt gewesen. Sie sei aufgrund einer Anzeige der Bekannten I Y erfolgt, welche behauptet hätte, von ihm zu einem Zeitpunkt bedroht worden zu sein, zu dem er sich nachweislich in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes in W zur Besprechung einer Scheidungsverhandlung befunden habe. Er sei unter einem Vorwand nach xx gelockt worden, wo er dann festgenommen worden sei. Auch die anschließende vorläufige Verwahrung sei unzulässig gewesen, weil sie ohne gerichtliche Anordnung erfolgt sei. Die Einholung einer solchen sei aber zumutbar gewesen.

 

Es werde deshalb "Beschwerde gemäß Art144 B-VG", gestützt auf "das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Freiheit nach Art8 StGG" erhoben.

 

Ergänzend hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß gegen die Anzeigerin Anzeige wegen des Verdachtes der Verleumdung erstattet worden sei.

 

II.

Die belangte Behörde, die Bezirkshauptmannschaft xx, hat zum Beschwerdevorbringen eine Stellungnahme abgegeben, eine Ablichtung des die Amtshandlung betreffenden Aktes vorgelegt und den Antrag gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Das Bezirksgendarmeriekommando hat gleichfalls eine Stellungnahme abgegeben.

 

In den Stellungnahmen zum Beschwerdevorbringen wird ausgeführt, Frau Y habe am 8.4.1992 um 22,30 Uhr am Gendarmerieposten xx Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen gefährlicher Drohung erstattet. Sie sei von einem Beamten nach yy zu einem vereinbarten Treffpunkt begleitet worden. Dort sei der Beschwerdeführer gegen 23,00 Uhr eingetroffen und, als Täter bezeichnet, zum Mitkommen auf den Posten zwecks Klärung des Sachverhalts aufgefordert worden. Er und sein Begleiter, gleichfalls ein Ägypter, seien freiwillig mitgefahren und hätten im Parteienraum auf einen Dolmetsch gewartet. Nach ihrer niederschriftlichen Einvernahme unter Beiziehung des angeforderten Dolmetsch für die arabische Sprache und nach Feststellung des Sachverhaltes sei um 05,00 Uhr der Journalstaatsanwalt informiert worden. Dieser habe Anzeigeerstattung auf freiem Fuß angeordnet. Unmittelbar darauf habe der Beschwerdeführer den Gendarmerieposten verlassen.

 

Eine Festnahme und Anhaltung sei, weil das Mitkommen von yy nach xx und der Aufenthalt am Posten in xx freiwillig geschehen sei, nicht erfolgt.

 

Der Ablauf der bekämpften Amtshandlung wurde mit einer detaillierten Darstellung erläutert:

 

8.4.1992, 22,30 Uhr, Gendarmerieposten (GP) xx:

                     Anzeigeerstattung durch I Y

          22,40 Uhr, yy: geplanter Treffpunkt

          23,00 Uhr, yy: Eintreffen des Tatverdächtigen,

                     Abfahrt nach xx

          23,25 Uhr, GP xx: Beginn der Niederschrift mit der Anzeigerin

9.4.1992, 00,25 Uhr, GP xx: Ende der Niederschrift mit der Anzeigerin

          01,40 Uhr, GP xx: Beginn der niederschriftlichen

                     Einvernahme des Tatverdächtigen

          03,05 Uhr, GP xx: Ende der niederschriftlichen

                     Einvernahme des Tatverdächtigen

          03,35 Uhr, GP xx: Beginn der niederschriftlichen

                     Einvernahme des Zeugen E

          04,30 Uhr, GP xx: Ende der niederschriftlichen

                     Einvernahme des Zeugen E

          05,00 Uhr, GP xx: Anruf beim Journalstaatsanwalt,

                     danach Ende der Amtshandlung.

Den Berichten und dem vorgelegten Akt war weiters zu entnehmen, daß die Anzeigerin am 13.4.1992 nach Vorhalt des überprüften Alibis angegeben hat, die Anzeige wegen gefährlicher Drohung erfunden zu haben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat durch Anfrage beim

Kreisgericht                 erhoben, daß der Strafantrag gegen I Y

wegen §297 Abs1 erster Deliktsfall StGB gemäß §227 Abs1 StPO am

16.11.1992 von der Staatsanwaltschaft                 (

/92          /92) zurückgezogen wurde.

 

Die Stellungnahmen der belangten Behörde und der Gendarmerie wurden dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters zur Kenntnis gebracht.

 

III.

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat im Rahmen der am 1.3.1993 in St. Pölten durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung die Anzeigerin I (jetzt: geschiedene) Y (jetzt: verehelichte M), den einschreitenden Beamten Insp J L sowie den damaligen Begleiter des Beschwerdeführers A A A E als Zeugen einvernommen. Dabei hat auch der anwaltlich vertretende Beschuldigte Gelegenheit gehabt, Fragen an die Zeugen zu richten.

 

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

I Y sollte im Scheidungsverfahren des Beschwerdeführers als Zeugin aussagen. Sie wurde vom Beschwerdeführer und seinem Landsmann A A A E, welchen ihr Arbeitsplatz in zz bekannt war, als sie sich auf dem Heimweg von der Arbeit befunden hat, an die Wichtigkeit dieser Aussage erinnert. Eine dabei vom Begleiter des Beschwerdeführers gemachte Handbewegung hat sie als Andeutung des Halsabschneidens für den Fall einer nicht entsprechenden Aussage verstanden, war dadurch in Furcht und Unruhe versetzt und hat deswegen am Gendarmerieposten in xx bei Insp L Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen gefährlicher Drohung erstattet. Mit diesem Gendarmeriebeamten hat sie einen vorher mit dem Angezeigten vereinbarten Treffpunkt in yy aufgesucht und den dort mit einem PKW eingetroffenen Beschwerdeführer als Täter bezeichnet, worauf dieser und sein Begleiter aufgefordert wurden, zur Klärung des Sachverhaltes auf den Posten nach xx mitzukommen.

 

Der Beamte hat nach Rückkehr auf den Posten zuerst die Anzeigerin niederschriftlich einvernommen, dann den Tatverdächtigen und seinen Begleiter. Für die Einvernahme der beiden ägyptischen Staatsangehörigen hat er, ohne die Einvernahme in deutscher oder englischer Sprache zu versuchen, einen Dolmetscher für die arabische Sprache laut aufliegender Liste beigezogen. Erst nach Abschluß der Einvernahmen wurde dem Journalstaatsanwalt der Sachverhalt vorgetragen, worauf dieser Anzeigeerstattung auf freiem Fuß verfügte.

 

Das angebotene Alibi, die Anwesenheit des Beschwerdeführers zur angegebenen Tatzeit beim Scheidungsanwalt, konnte zur Nachtzeit nicht mehr überprüft werden, hat sich aber später als zutreffend herausgestellt. Die Anzeigerin hat bei Vorhalt der Erhebungsergebnisse eingeräumt, hinsichtlich des Zeitpunktes der Drohung nicht die Wahrheit angegeben zu haben, die Anzeige jedoch aufrecht erhalten.

 

IV

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ würdigt den festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:

 

Gem Art129a Abs1 Z2 B-VG idF der Novelle

BGBl Nr 685/1988 erkennen unabhängige Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

 

Darunter fallen Verwaltungsakte, die als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativen Inhalt) gemäß Art144 Abs1 B-VG bis zum 31.12.1990 beim Verfassungsgerichtshof anfechtbar waren.

 

Der Aufforderung des Gendarmeriebeamten, zum Posten mitzukommen und sich dort im Parteienraum zur Verfügung zu halten, war die Absicht immanent, die freie Disposition des Beschwerdeführers über seinen Aufenthalt vorläufig zu verhindern und ihn auf eine bestimmte Örtlichkeit, die bis auf weiteres nicht verlassen werden darf, einzuschränken. Diese Maßnahme stellt, auch wenn die Anwendung physischen Zwanges nicht erforderlich war, eine Verhaftung dar. Eine solche Verhaftung ist ein Verwaltungsakt, der nach Art129a Abs1 Z2 B-VG bei einem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfbar ist.

 

Die Beschwerde ist im dargelegten Umfang zulässig, auch wenn sie vom Beschwerdeführer noch auf verfassungsgesetzliche Bestimmungen gestützt wird, die mit Ablauf des 31.12.1990 aufgehoben sind (Art144 Abs3 B-VG statt

Art129a Abs1 Z2 B-VG und Art8 des Staatsgrundgesetzes vom 21.12.1867, RGBl Nr 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder statt Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988, BGBl Nr 684 über den Schutz der persönlichen Freiheit).

Das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit schützt nicht vor jeglicher Beschränkung der Bewegungsfreiheit schlechthin, vielmehr enthält dessen Art2 Abs1 eine abschließende Aufzählung der einzelnen Fälle des zulässigen Freiheitsentzuges. Er orientiert sich grundsätzlich an den Bestimmungen des Art5 Abs1 lita bis f EMRK.

 

Demgemäß war zunächst zu prüfen, ob das einschreitende Sicherheitsorgan mit gutem Grund und damit vertretbar war, zur Auffassung gelangen durfte, es liege ein hinreichender Tatverdacht bzw Verdunklungsgefahr oder Ausführungsgefahr vor, weiters, ob die Dauer der Anhaltung gerechtfertigt war.

 

Nach §177 Abs1 Z1 StPO kann ausnahmsweise die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung in den Fällen des §175 Abs1 Z1 StPO vorgenommen werden. Diese Bestimmung berechtigt zur Verhaftung unter anderem dann, wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt wird. Die Anzeigerin hat eine unmittelbar vorangegangene gefährliche Drohung und das baldige Eintreffen des Angezeigten behauptet. In Anbetracht der Gesamtsituation, die sich dem zweckmäßigerweise sofort einschreitenden Beamten im Zeitpunkt der Festnahme bot (der der Drohung mit dem Umbringen Bezichtigte hat bereits in Begleitung eines Landsmannes am Treffpunkt auf die Anzeigerin gewartet), konnte dieser mit gutem Grund annehmen, eine zumindest ausführungsnahe Handlung sei beabsichtigt.

Unter diesen Voraussetzungen war die Festnahme des Beschwerdeführers

ohne richterlichen Befehl durch

§177 Abs1 Z1 StPO gedeckt und somit rechtmäßig.

 

Nach §177 Abs2 StPO ist jeder durch die Sicherheitsbehörde gemäß dem Abs1 dieser Gesetzesstelle in Verwahrung Genommene unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung vorhanden sei, sogleich - also auch noch vor Ablauf der 48-stündigen Frist des Artikel 4 Abs2 des Bundesverfassungsgeseztes über den Schutz der persönlichen Freiheit-freizulassen, sonst aber binnen 48 Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.

 

Es ist nun angesichts der Verfahrensergebnisse unter gebührender Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde gegebene Darstellung über die von ihr während der Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers getroffenen Maßnahmen nicht zweifelhaft, daß der Beschwerdeführer nach Entgegennahme der Anzeige und Durchführung der erforderlichen Erhebungen ohne unnötige Verzögerung einvernommen und aus der Haft entlassen wurde.

 

Insbesondere kann der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ nicht finden, daß die Anforderung eines Dolmetsch für die arabische Sprache eine unnötige Verzögerung zur Folge hatte. Auch wenn die niederschriftliche Einvernahme mit dem Tatverdächtigen ohne Beiziehung eines Dolmetsch versucht worden wäre, war seine Beiziehung für die Einvernahme des nicht der deutschen Sprache mächtigen Entlastungszeugen erforderlich. Denn die Information des Journalstaatsanwaltes hat sich auf eine möglichst umfassende Sachverhaltsermittlung zu gründen und dafür war die unzweifelhafte Aussage des Entlastungszeugen unverzichtbar. Einem Gendarmeriebeamten ist nicht zuzumuten, eine "Einvernahme" mittels Handzeichen oder in einer sowohl für ihn als auch für den Einvernommenen fremden Sprache zu versuchen.

 

Da sowohl die Festnahme des Beschwerdeführers als auch seine nachfolgende Anhaltung gerechtfertigt waren, ist die Beschwerde abzuweisen.

 

Da der Beschwerdeführer nicht obsiegt hat, war sein Antrag auf Kostenersatz als unbegründet abzuweisen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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