TE UVS Niederösterreich 1993/04/02 Senat-GF-92-109

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Veröffentlicht am 02.04.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird insoweit abgeändert, als die verhängte Geldstrafe unter Anwendung des §20 VStG auf S 250,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt werden. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden mit S 25,-- bestimmt.

 

Innerhalb von 2 Wochen sind der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu bezahlen (§59 Abs2 AVG).

Text

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat aufgrund des Verwaltungsaktes der Bezirkshauptmannschaft xx, Zl 3-****-91, sowie aufgrund der Berufung der L H vom 22.5.1992 folgenden Sachverhalt als erwiesen festgestellt und der vorliegenden Berufungsentscheidung zugrundegelegt:

 

Am 1. März 1991 kam es gegen 19,15 Uhr auf der Bundesstraße * in Richtung W an der Donau im Ortsgebiet von O an der Donau zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, an welchem die Berufungswerberin als Lenkerin des PKW Subaru 700 Kennzeichen W-*****B und der pensionierte Landwirt F A aus O an der Donau beteiligt waren.

 

A lenkte zum damaligen Zeitpunkt ein nur spärlich beleuchtetes Fahrrad und führte zudem noch eine Milchkanne mit sich. Als sich der am 27.9.1903 geborene A mit dem Fahrrad in Bewegung setzen wollte, kam es zur Kollision mit dem PKW der L H. A kam zu Sturz und zog sich dabei Hautabschürfungen und leichtere Verletzungen am Ellbogen und am linken Bein zu.

 

Die Berufungswerberin, welche sich in Begleitung eines Bekannten, R S, befand, hielt ihren PKW an und versuchte, gemeinsam mit S dem gestürzten Radfahrer Erste Hilfe zu leisten. Nach den übereinstimmenden Angaben der Berufungswerberin und ihres Mitfahrers bot man A an, Rettung und Gendarmerie zu verständigen, was dieser jedoch ablehnte.

 

In weiterer Folge brachte L H  A zu ihm nach Hause an die Adresse O an der Donau, Hauptstraße **. Danach begaben sich S und L H in die Wohnung der Letztgenannten in O an der Donau, Hauptstraße **, von wo aus H die Tochter des A, M M, verständigte.

 

Man vereinbarte, sich gemeinsam um den verletzten F A zu kümmern, was auch erfolgte. Tags darauf, am 2. März 1991, suchte L H gemeinsam mit M M  A wieder auf, um die Schadensfrage zu klären. A habe ihr, so gibt sie an, zweitausend Schilling für die Beschädigungen an dem PKW an Schadenersatz angeboten, was H jedoch ablehnte und zum Ausdruck brachte, daß sie die Meldung bei der Gendarmerie machen werde, was in der Folge auch geschah.

 

Aufgrund dieses Sachverhaltes leitete die Bezirkshauptmannschaft xx gegen L H ein Verwaltungsstrafverfahren ein, in dessen Verlauf die Beschuldigte mit Straferkenntnis vom 7.5.1992 einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs2 lita und §4 Abs2 StVO für schuldig erkannt und mit Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) bestraft worden ist. An Verfahrendkosten wurden S 50,-- vorgeschrieben.

 

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Beschuldigte L H in ihrer Berufung vom 22.5.1992, wobei sie im wesentlichen die Vorbringen aus dem Untersuchungsverfahren wiederholt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß §4 Abs2 StVO haben Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, im Falle der Verletzung von Personen bei einem Verkehrsunfall Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

 

Wie aus dem im vorliegenden Aktenvorgang dokumentierten Geschehen nach dem Verkehrsunfall zwischen der Berufungswerberin und F A zu entnehmen ist, kam H nur zum Teil ihrer durch die vorzitierte Gesetzesstelle normierten Verpflichtung nach. Es steht außer Zweifel, daß sie gemeinsam mit ihrem Beifahrer sofort nach dem Unfall dem Verletzten F A Hilfe leistete und in weiterer Folge auch für fremde Hilfe sorgte.

 

Aufgrund der Tatsache jedoch, daß L H erst am folgenden Tag beim Gendarmerieposten O an der Donau erschien und dort den Verkehrsunfall mit Personenschaden meldete, ergibt sich zweifelsfrei, daß sie der gesetzlichen Verpflichtung, sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen nicht nachgekommen ist. Von dieser Verpflichtung vermag auch die Tatsache, daß eine am Unfall beteiligte oder verletzte Person ausdrücklich die Verständigung der Gendarmerie ablehnt, nicht zu befreien.

 

Es ist daher erwiesen, daß sich L H der ihr im angefochtenen Erkenntnis zur Last gelegten Übertretung schuldig gemacht hat.

 

Allerdings ist der Unabhängige Verwaltungssenat der Auffassung, daß im vorliegenden Fall das Verschulden der Berufungswerberin als äußerst gering einzustufen ist. Aus dem Aktenvorgang ist zu entnehmen, daß H alles ihrer Meinung nach mögliche und richtige unternommen hat, um sich nach dem Unfall korrekt zu verhalten. Dazu kommt, daß es sich bei dem Verletzten praktisch um einen Nachbarn der Berufungswerberin handelt. Es wird daher durchaus verständlich, daß versucht wurde, die Situation auch nachbarschaftlich zu regeln. Dennoch bleibt eine Vorgangsweise, wie sie etwa der §21 VStG vorsieht, also ein gänzliches Absehen von der Strafe unter gleichzeitiger Erteilung einer Ermahnung der Berufungsinstanz, infolge der Bestimmungen des §100 Abs5 StVO verwehrt.

 

Hingegen konnte von der Regelung des §20 VStG, der außerordentlichen Strafmilderung, Gebrauch gemacht werden, wonach beim Überwiegen der Milderungsgründe in beträchtlichem Ausmaß die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann.

 

Im vorliegenden Fall treten mehrere Milderungsgründe zutage:

 

An erster Stelle ist die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Berufungswerberin zu nennen, sodann handelt es sich bei der - wenn auch nicht richtigen - Vorgangsweise, die L H gewählt hat, nicht um einen Fall der klassischen "Fahrerflucht", sondern um ein Fehlverhalten, welches in äußerster Nähe zum entschuldbaren Irrtum angesiedelt ist. Darüberhinaus müssen zweifelsohne auch, schon in Anbetracht des fortgeschrittenen Lebensalters der Berufungswerberin, die Schockwirkungen des Unfalls mit in Betracht gezogen werden. Diesen mildernden Umständen stehen keine Erschwerungsgründe gegenüber, sodaß die Voraussetzungen für die Anwendung des §20 VStG gegeben sind.

 

Den Bestimmungen des §99 Abs2 StVO zufolge beträgt die Mindeststrafe im vorliegenden Fall S 500,--. Es konnte daher unter Anwendung des §20 VStG mit einer Geldstrafe von S 250,-- das Auslangen gefunden werden. Die Strafe erscheint im übrigen auch im Einklang mit den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschuldigten.

 

Es war daher in Stattgebung der Berufung die Strafe auf das genannte Maß herabzusetzen, wobei unter einem die Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden und die Reduzierung der Verfahrenskosten auf S 25,-- zu erfolgen hatte.

 

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs2 VStG Abstand genommen werden.

 

Der Berufungswerberin fallen keine Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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