TE UVS Niederösterreich 1993/04/19 Senat-KO-92-034

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Veröffentlicht am 19.04.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z1 (Delikte 1 und 3) und Z3 (Delikte 2 und 4) des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Herrn K J das Straferkenntnis vom 6. Februar 1992, Zl 3-****-91, erlassen. Darin wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 29. März 1991 gegen 12,45 Uhr als Lenker des PKW * ******B im Gemeindegebiet von K und S auf der

A ** in Fahrtrichtung St

1. im Gemeindegebiet von K unmittelbar nach der AGIP-Tankstelle ca auf Höhe des Straßenkilometers 24,400 den PKW N ******3 rechts überholt, obwohl der Lenker dieses Fahrzeuges nicht die Absicht angezeigt habe, nach links einzubiegen oder zum linken Fahrbahnrand zuzufahren und das Fahrzeug auch nicht links eingeordnet hatte,

2. nach dem Überholvorgang den Fahrstreifen vor dem PKW N ******3 gewechselt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei; der rechts überholte Lenker des PKW ******3 habe sein Fahrzeug abbremsen müssen, um einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beschuldigten zu verhindern,

3. im Gemeindegebiet von S ca einen Kilometer vor der Autobahnabfahrt St/Ost ca beim Straßenkilometer 30,500 den PKW

N ******3 rechts überholt, obwohl der Lenker dieses Fahrzeuges nicht die Absicht angezeigt habe, nach links einzubiegen oder zum linken Fahrbahnrand zuzufahren und das Fahrzeug auch nicht links eingeordnet hatte, und

4. nach dem Überholvorgang den Fahrstreifen vor dem PKW N ******3 gewechselt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei; der rechts überholte Lenker des PKW N ******3 habe deshalb sein Fahrzeug abbremsen müssen, um einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beschuldigten zu verhindern.

 

Aus diesem Grund hat die Behörde I. Instanz folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

 

Zu 1. Gemäß §15 Abs1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden),

zu 2. gemäß §11 Abs1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden),

zu 3. gemäß §15 Abs1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) und

zu 4. gemäß §11 Abs1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden).

 

Vertreten durch Frau Dr C S, Rechtsanwältin in **** W***, hat der Beschuldigte gegen diese Entscheidung rechtzeitig berufen.

 

Er macht geltend, es habe sich nicht um einen Überholvorgang, sondern um ein zulässiges Vorbeifahren gehandelt, da die Autobahn zwei Fahrstreifen aufweise, auf denen zur Tatzeit starkes Verkehrsaufkommen geherrscht habe, wobei sich die Fahrzeugkolonnen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegt hätten. Ein "Kolonnenspringen" zwischen zwei Fahrzeugreihen könne jedoch nicht als "Rechtsüberholen" qualifiziert werden, sondern als Nebeneinanderfahren; das Kolonnenspringen sei grundsätzlich nicht verboten. Der Tatbestand des §15 Abs1 StVO sei daher nicht verwirklicht worden.

Weiters sei hinsichtlich des Delikts 1 erstmals im Straferkenntnis vom 6. Februar 1992 ein genauer Tatort angegeben worden; hinsichtlich des Delikts 3 sei auch im Straferkenntnis der Tatort ungenau bezeichnet, auch bezüglich des Delikts 2 sei innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist kein genauer Tatort angeführt worden. Es sei daher Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Er beantrage daher, die Berufungsbehörde möge in Stattgebung der Berufung das Straferkenntnis abändern und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen; in eventu wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde I. Instanz beantragt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Zu den Delikten 1 und 3:

 

Gemäß §2 Abs1 Z29 StVO 1960 gilt das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, auf Straßen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung nicht als Überholen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch das Wechseln von einer Fahrzeugreihe in die andere als grundsätzlich zulässiges "Kolonnenspringen" und nicht als "Überholen" zu qualifizieren (VwGH 9.9.1983, 82/02/0256).

 

Der Aussage des Zeugen Ing L B vom 7. Dezember 1991 ist zu entnehmen, daß zum angegebenen Tatzeitpunkt auf der A ** nach der Ausfahrt K auf beiden Fahrstreifen Kolonnenverkehr gegeben war und daß der Beschuldigte mehrmals die Kolonne gewechselt hat.

 

Im gegenständlichen Fall liegt daher kein Überholen, sondern ein "Kolonnenspringen" des Berufungswerbers und somit keine Übertretung nach §15 Abs1 StVO 1960 vor.

 

Zu den Delikten 2 und 4:

 

Gemäß §44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das bedeutet, daß die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist und insbesondere Tatzeit und Tatort möglichst genau anzugeben sind.

 

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet bei den genannten Delikten die Angabe des Tatortes wie folgt:

 

"Gemeindegebiete von K und S, A **, Fahrtrichtung St; nach dem Überholvorgang .."

 

Nun ist zwar für die Delikte 1 und 3 (Überholvorgänge) im Straferkenntnis jeweils der Tatort genau mit dem Straßenkilomter bezeichnet; der bloßen Angabe "nach dem Überholvorgang" ist jedoch nach Auffassung der Berufungsbehörde der genaue Tatort der Delikte 2 und 4 nicht in eindeutiger und unverwechselbarer Weise zu entnehmen, da hiedurch weder die Dauer des Überholvorganges noch der Zeitraum bis zum Fahrstreifenwechsel und somit auch nicht die bis dahin verstrichene Fahrstrecke näher festgelegt wird.

 

Da bezüglich dieser Delikte innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine vollständige und richtige Tatanlastung erfolgte, war eine Sanierung nicht möglich und somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs1 und 2 abgesehen werden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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