Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Mag Grauszer über die Berufung des Landesarbeitsamtes vom
20 08 1992 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-
Umgebung vom 30 07 1992, Zl , mit dem das gegen Herrn
wegen unerlaubter Beschäftigung von drei
Ausländern nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durchgeführte
Verwaltungsstrafverfahren mit dem Ausspruch einer Ermahnung gemäß
§ 21 Abs 1 VStG abgeschlossen wurde, zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 51 Abs 2 und 51e Abs 1 VStG sowie § 28a Ausländerbeschäftigungsgesetz wird die Berufung mangels Berufungslegitimation des Landesarbeitsamtes als unzulässig zurückgewiesen.
1.0) Das Recht zur Berufung ist für das Verwaltungsstrafverfahren wie
folgt geregelt:
1.1) Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu. Ob und inwieweit Verwaltungsbehörden Berufung erheben können, bestimmen gemäß Abs 2 dieser Bestimmung die Verwaltungsvorschriften, worunter die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden regelnden Materiengesetze zu verstehen sind. Daneben kommt dem Privatankläger durch ausdrückliche Anordnung im § 56 Abs 3 VStG ein eingeschränktes Berufungsrecht zu. Ein Berufungsrecht haben - ohne ausdrückliche Zuerkennung - auch solche Personen nach Lehre und Rechtsprechung, die durch den erstinstanzlichen Bescheid in ihren Rechten berührt sind, wie der Verfallsbeteiligte und haftende juristische Personen gemäß § 9 Abs 7 VStG (s Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5 Auflage, Seite 373). Daneben besteht gemäß § 60 VStG die Rechtsmittelbefugnis des gesetzlichen Vertreters eines jugendlichen Beschuldigten.
Das Berufungsrecht von Organparteien ist in verschiedenen Gesetzen AUSDRÜCKLICH vorgesehen (zB § 9 ArbIG, § 12 Verkehrs-ArbIG, § 117 LandarbeitsG, § 58 RAO, § 187 NO, § 14 Abs 7 DSchG).
1.2) Die hier in Betracht kommende Verwaltungsvorschrift iSd § 51 Abs 2 VStG ist der § 28a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der Fassung BGBl Nr 450/1990, der am 01 10 1990 in Kraft getreten ist und
lautet:
Das Landesarbeitsamt hat in Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und ist berechtigt, gegen Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof
zu erheben.
Aus dem WORTLAUT der vorzitierten Bestimmung ergibt sich jedenfalls nicht, daß das Landesarbeitsamt Berufung erheben darf. Vielmehr zeigt
sich aus den oben angeführten Beispielen in verschiedenen Materiengesetzen und aus der Systematik des VStG selbst, daß das Berufungsrecht von Organparteien ausdrücklich geregelt ist und auch sein muß (siehe auch 2.4).
Auch aus der Wortfolge OB UND INWIEWEIT Verwaltungsbehörden Berufung erheben können des § 51 Abs 2 VStG ist ersichtlich, daß der Verfahrensgesetzgeber nicht nur auf das Berufungsrecht an sich, sondern vielmehr auch auf den Umfang des Berufungsrechtes, wie es in den einzelnen Materiengesetzen zu verankern ist, abstellt. Daraus läßt sich entnehmen, daß eine das Berufungsrecht regelnde materiellrechtliche Vorschrift ausdrücklich das Berufungsrecht an sich und dessen Umfang normieren muß. Gerade dieses geht jedoch aus dem Wortlaut des § 28a Ausländerbeschäftigungsgesetz überhaupt nicht hervor.
2.0) Es erhebt sich daher die Frage, ob aus der Zuerkennung der Parteistellung im § 28a Ausländerbeschäftigungsgesetz die Berufungslegitimation des Landesarbeitsamtes als Organpartei abgeleitet werden kann oder muß.
2.1) Im VStG wird in mehreren Bestimmungen ausdrücklich auf das Berufungsrecht und nicht auf die Parteistellung abgestellt (siehe § 45 Abs 2 erster Satz, § 51d und § 56 Abs 3 VStG). Insbesondere nach
§ 51d VStG wird - außer dem Beschuldigten und der bescheiderlassenden
Behörde I Instanz - demjenigen Parteistellung zuerkannt, der nach diesem Gesetz oder nach den Verwaltungsvorschriften ein Recht zur Berufung hat. Gerade daraus ist ersichtlich, daß der Gesetzgeber das Berufungsrecht nicht von der Parteistellung abhängig macht, sondern umgekehrt demjenigen Parteistellung zuerkennt, der das Recht zur Berufung hat.
Daraus ergibt sich für die Organpartei im Bereich des VStG jedenfalls
kein Anhaltspunkt dafür, daß die Rechtsmittelbefugnis aus der Parteistellung erfließt.
2.2) Gemäß § 24 VStG gelten die Bestimmungen des AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren INSOWEIT, als sich aus dem VStG nicht anderes ergibt. Der zweite Satz leg. cit. zählt ausdrücklich die Vorschriften des AVG auf, die nicht anzuwenden sind. Nach der Absicht
des Gesetzgebers soll das VStG grundsätzlich neben den nicht ausgeschlossenen Bestimmungen des AVG als lex specialis gelten; enthält das VStG keine Regelung, so gilt die entsprechende Vorschrift
des AVG (s Walter-Mayer, aaO, S 331). Das VStG regelt aber im § 51 Abs 2 ausdrücklich das Berufungsrecht der Organpartei, indem es auf die Materiengesetze verweist. Im § 28a AuslBG ist vom Berufungsrecht keine Rede. Schon deshalb sind alle Versuche, aus der Parteistellung das Berufungsrecht unter Zuhilfenahme des AVG abzuleiten (siehe 2.3) von vornherein zum Scheitern verurteilt.
2.3) Gleichwohl sei der Versuch unternommen:
Gemäß § 63 Abs 1 AVG, der im VStG ausdrücklich nicht gilt, richtet sich das Recht zur Berufung, soweit es sich nicht aus dem AVG selbst ergibt, nach den Verwaltungsvorschriften. Die Schaffung von subjektiven Rechten, die die Parteistellung begründen, obliegt dem Materiengesetzgeber. Dies gilt auch für die Schaffung von Organ(Formal-)parteien. Aus der Parteistellung ergeben sich prozessuale Rechte, wobei im AVG-Bereich das Recht zur Berufung nur der VOM BESCHEID BETROFFENEN Partei zukommt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis Slg 8032 (A) ausgeführt, daß aus § 63 Abs 1 AVG keinesfalls abgeleitet werden kann, daß dann, wenn die Verwaltungsvorschriften über den Bestand des Berufungsrechtes nichts Ausdrückliches aussagen, die Parteien des betreffenden Verwaltungsverfahrens der Möglichkeit beraubt wären, sich gegen einen ihre Rechtssphäre berührenden Bescheid im Rechtsmittelweg zur Wehr zu setzen. Ein solcherart erworbenes ........ Berufungsrecht kann jedoch nicht weiter reichen, als jenes rechtliche Interesse oder jener Rechtsanspruch (§ 8 AVG), auf dem die
Parteistellung beruht. Organparteien haben kein subjektives rechtliches Interesse oder Rechtsansprüche iSd § 8 AVG, sondern vertreten sie die ihnen durch das jeweilige Materiengesetz zugewiesenen Interessen des Staates (zB Antragsrechte, Wahrnehmung von Rechtswidrigkeiten durch Anzeigen). Die Legalpartei kann daher in
ihrer Rechtssphäre nicht betroffen sein, deswegen muß einem Organ ja ausdrücklich Parteistellung zuerkannt werden.
Zwar gilt § 63 Abs 1 AVG nicht im Verwaltungsstrafverfahren - dort bestehen insbesondere im § 51 Abs 1 und 2 VStG entsprechende eigene Regelungen -, doch könnte aus § 63 Abs 4 und 5 AVG (arg: Partei), dessen Anwendung im VStG-Bereich jedenfalls nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, der Versuch unternommen werden, einer Organpartei
in jedem Fall die Berufungsbefugnis zuzusprechen. Aus § 63 Abs 4 und 5 AVG läßt sich nach Auffassung des Verwaltungssenates vorerst ablesen, daß die Berufung jedenfalls von einer Partei (und von niemandem sonst) eingebracht werden kann (Abs 5) bzw. daß eine Berufung nach ausdrücklichem Verzicht (durch die Partei) nicht mehr zulässig ist (Abs 4).
Lehre und Rechtsprechung leiten daraus das Berufungsrecht der betroffenen Partei ab (siehe Walter-Mayer, aaO, Seite 196).
Würde man daraus - ungeachtet des klaren Wortlautes des § 51 Abs 2 VStG - für die Organpartei die Gleichung Parteistellung = Berufungsrecht ableiten wollen, so wäre eine Organpartei kraft Parteistellung in jedem Fall und in jede Richtung berufungslegitimiert und damit "bessergestellt" als die Partei iSd § 8 AVG, der ein Berufungsrecht nur zukommt, wenn sie vom Bescheid betroffen ist (siehe zB das partielle Berufungsrecht des Nachbarn im Bauverfahren). Das kann vom Gesetzgeber doch wohl nicht beabsichtigt sein.
2.4) Wenn man aus dieser Betrachtung den § 51 Abs 2 VStG ins Auge faßt, erhält die Wortfolge ob und inwieweit eine besondere Bedeutung.
Wenn der Materiengesetzgeber subjektive Rechte schaffen kann, die die
Parteistellung begründen und den Umfang des Berufungsrechtes im AVG-Bereich bestimmen, so muß bei der Schaffung von Organparteien gleichsam als Ersatz für die fehlenden subjektiven Rechte, jedenfalls
das Berufungsrecht an sich und wohl auch sein Umfang geregelt sein.
Die Bedeutung der umfangmäßigen Regelung des Berufungsrechts erklärt sich auch aus der Einsicht, daß dem Landesarbeitsamt zwar eine Beteiligung (vor allem bei eigenen Anzeigen) bei der Vollziehung der Strafbestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes durch die Bezirksverwaltungsbehörden zugestanden werden soll, was vor allem aus
seiner Interessenslage (Vollziehung der materiellen Vorschriften des AuslBG) zu erklären ist und in der Wahrung seiner diesbezüglichen Parteirechte im Strafverfahren zum Ausdruck kommen soll, doch fehlt diese Einsicht bei Berufungen gegen Schuld und Strafe (Vollziehung des VStG), wenn nicht einmal das Berufungsrecht an sich ausdrücklich geregelt ist.
3.0) Der Verwaltungssenat verkennt nicht, daß durch § 28a Ausländerbeschäftigungsgesetz dem Landesarbeitsamt (offensichtlich) die rechtliche Möglichkeit geboten werden soll(te), gegen erstinstanzliche Strafbescheide Berufung zu erheben. Dies mag in rechtspolitischer Hinsicht im Hinblick auf allfällige überprüfungswürdige Einstellungen erstinstanzlicher Strafverfahren
gemäß § 45 VStG oder die problematische Anwendung des § 21 VStG (vor allem durch den damals zuständigen Landeshauptmann) für sinnvoll erachtet worden sein. Aus dem Wortlaut des Ausländerbeschäftigungsgesetzes geht diese Absicht freilich ausdrücklich nicht hervor. Auch aus den Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates 1462, XVII Gesetzgebungsperiode, zum Initiativantrag gegenständlicher Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, mit der der § 28a in den Rechtsbestand eingeführt wurde, lassen sich keine diesbezüglichen Beweggründe des Gesetzgebers entnehmen.
Es ist daher nicht einzusehen, warum gerade im Bereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine Auslegung (wie etwa in Punkt 2.3.) greifen soll, die dem Landesarbeitsamt ein Berufungsrecht im noch dazu unbeschränkten Umfang zubilligt. Vielmehr läßt sich aus dem System des VStG und vergleichbaren Regelungen in Materiengesetzen
die Absicht des Bundesgesetzgebers ableiten, den Behörden ein Berufungsrecht nur in bestimmten, jedenfalls aber ausdrücklich geregelten Fällen zuzuerkennen.
3.1) Der Verwaltungssenat ist sich auch bewußt, daß bei dieser Auslegung die Legitimation des Landesarbeitsamtes, Beschwerde gegen Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, in denjenigen Fällen, in denen der Beschuldigte kein Rechtsmittel ergreift und es somit zu keiner Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates kommt, ins Leere läuft. Daraus ergibt sich aber noch nicht zwangsläufig, daß dem Landesarbeitsamt Berufung überhaupt zustehen muß. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen (anderslautende Materialien fehlen), daß der Gesetzgeber dem Landesarbeitsamt eine Beschwerdemöglichkeit nur in jenen Fällen zustehen wollte, in denen es aufgrund einer Berufung des
Beschuldigten überhaupt erst zu einer zweitinstanzlichen Entscheidung
(des damals zuständigen Landeshauptmannes) kommt, die, insbesondere wenn sie nach der Ansicht des Landesarbeitsamtes unberechtigterweise zum Vorteil des Beschuldigten ausgeht, bekämpfbar sein soll.
Ob diese Folge vom Gesetzgeber beabsichtigt war bzw. nicht beabsichtigt sein konnte (siehe VwGH vom 27 05 1983, 83/17/0034 im vergleichbaren Fall des Berufungsrechts des Eigentümers einer beschlagnahmten Sache) mag dahingestellt bleiben, zumal, wie der Verwaltungsgerichtshof für einen Baurechtsfall in seinem Erkenntnis Slg 10220 (A) ausgeführt hat, es Sache des Materiengesetzgebers ist, einer bestimmten Person in einem bestimmten Verfahren bestimmte Rechte einzuräumen und die Durchsetzung eines anders gearteten rechtspolitischen Anliegens selbst dann nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist, wenn die positive Rechtslage als rechtspolitisch verfehlt oder doch unbefriedigend angesehen werden könnte. Umsomehr muß dies im Anlaßfall einer Organpartei im Lichte des Wortlautes des § 51 Abs 2 VStG und fehlender Regelung im § 28a AuslBG, wobei es sich um einen legistischen Mangel handeln dürfte, gelten.
Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß aus der Parteistellung des Landesarbeitsamtes das Berufungsrecht nicht abzuleiten ist und daß in
Ermangelung einer ausdrücklichen diesbezüglichen Regelung im § 28a AuslBG das Landesarbeitsamt zur Einbringung der Berufung nicht legitimiert ist.