TE UVS Niederösterreich 1993/04/21 Senat-SB-92-011

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Veröffentlicht am 21.04.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe, wie am 21. November 1991 durch den Jagdreferenten der Bezirkshauptmannschaft xx festgestellt wurde, nächst seinem Anwesen in Z***** *, G*****, in einem ca 10 x 11 m großen Gatter einen Rehbock gehalten, obwohl er für diese Wildtierhaltung keine Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde erlangt hatte. Er habe demnach eine Übertretung gemäß §7 iVm §13 Abs2 NÖ Tierschutzgesetz in der geltenden Fassung begangen. Aufgrund dieser Übertretung wurde über den Beschuldigten gemäß §13 Abs2 NÖ Tierschutzgesetz in der geltenden Fassung eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.

 

In der fristgerecht erhobenen Berufung wurde im wesentlichen angeführt:

 

Der Vorwurf der Wildtierhaltung ohne Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde sei aus vielerlei Gründen unrichtig. Im Winter 1987/1988 habe der Berufungswerber unterhalb seiner Hofstelle ein damaliges Rehkitz gefunden, das sich nicht mehr fortbewegen konnte. Da mit Sicherheit anzunehmen war, daß es diese Situation und die winterlichen Wetterverhältnisse nicht überleben werde, habe er es mit nach Hause gebracht und vorerst im Stall untergebracht. Nach dem Winter habe er dieses Rehkitz freigelassen, es habe sich jedoch nicht mehr von der Hofstelle entfernt, deshalb sei eine Umzäunung für dieses Tier errichtet worden. Diese Umzäunung sei nicht errichtet worden, um das Entlaufen des Tieres zu verhindern, sondern vielmehr um das Tier vor Hunden einerseits und fremden Besuchern und Spaziergängern vor diesem Tier andererseits zu schützen. Da es bekannterweise immer wieder zu problematischen Zwischenfällen komme, wenn zahm gewordene Rehböcke mit fremden Personen zusammenkommen, weil solche Tiere dazu neigen, Personen anzugreifen, sei dies eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Bei einer Begehung des Anwesens durch den Amtstierarzt am 13.12.1988 sei prinzipiell seitens der Bezirkshauptmannschaft xx gegen den Aufenthalt des Rehbockes im Gehege nichts eingewendet worden, es sei lediglich darüber gesprochen worden, in der warmen Jahreszeit das Tier bei günstigen Witterungsverhältnissen freizulassen, damit es sich an das Freileben gewöhnen könne. Es sei jedoch damals keine ausdrückliche Aufforderung ergangen, das Tier freizulassen. Das Tier sei nicht in dem Gehege gehalten worden, sondern es habe sich lediglich zum eigenen Schutz und zum Schutz fremder Personen vor diesem Tier in dem Gehege aufgehalten und sei verschiedentlich schon freigelassen worden. Es werde daher der Antrag gestellt, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

 

Weiters wurde zur Untermauerung des Berufungsvorbringens ein schriftliches Gutachten des NÖ Landesjagdverbandes vom 19.2.1992 vorgelegt.

 

Im Zuge des Verfahrens wurde seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ ein Amtssachverständigengutachten aus dem Bereich der Veterinärmedizin eingeholt.

 

Es lautet:

 

Gutachten

 

"Sachverhaltsschilderung

Am 30. März 1993 wurde betreffend die Verwaltungsstrafsache gegen Herrn A R wegen Übertretung des NÖ Tierschutzgesetzes unangemeldet das Anwesen des Beschuldigten aufgesucht.

 

Dabei wurde das ca 10 x 10 m große Gehege des Rehbockes besichtigt. In diesem befanden sich einige Bäume, eine Futterkrippe und eine Hütte als Unterstand. Die Bodenbeschaffenheit konnte aufgrund der Schneelage nicht beurteilt werden. Ein Teil des Zaunes war geöffnet, wodurch ein ungehindertes Wechseln des Tieres in die Freiheit gewährleistet war. Im Schnee wurden Spuren von Rehwild vorgefunden.

 

Laut Angabe von Herrn R wurde der Rehbock schon seit einiger Zeit von ihm oder seinen Angehörigen nicht mehr gesehen, jedoch wird das in der Krippe angebotene Futter angenommen. Er kann aber nicht sagen, ob dieses Futter vom ggst Rehbock oder von anderen Rehen angenommen wird.

 

Auf Befragung des Landwirtes gab dieser an, daß er den Rehbock als Rehkitz im Winter 1988 völlig abgemagert und geschwächt gefunden habe. Er habe ihn dann im Rinderstall wieder aufgefüttert und anschließend in das ggst Gehege verbracht. Herr Mag B und Amtstierarzt Dr G hätten im Winter 1988 den Rehbock besichtigt und empfohlen, ihn erst in der warmen Jahreszeit allmählich wieder in die Freiheit zu entlassen. Seinerzeit seien ihm keine Vorschriften seitens der Bezirksverwaltungsbehörde gemacht worden, vielmehr sei er dafür gelobt worden, daß er das geschwächte Rehkitz gesund gepflegt habe. Nach dieser Besichtigung durch Vertreter der Bezirksverwaltungsbehörde habe ihn ein Jagdkollege darauf aufmerksam gemacht, daß an Menschen gewöhnte Reböcke, vor allem in der Brunftzeit, äußerst aggressiv gegenüber Menschen werden können und ihm deshalb empfohlen, den Rehbock nicht aus dem Gehege zu entlassen. In Abwägung der verschiedenen Argumente habe Herr R den Rehbock danach doch teilweise in die Freiheit entlassen, ihn aber bei Anzeichen von Aggressivität gegenüber ihm oder seinen Angehörigen im Gehege belassen. Wenn der Rehbock in Freiheit war, sei er aber immer wieder freiwillig in das Gehege zur Futteraufnahme zurückgekehrt.

 

Im November 1991 wurde im Zuge einer Amtshandlung von Mag B am Anwesen des Herrn R diesem bekanntgegeben, daß er den Rehbock widerrechtlich hält und daß er deshalb bestraft werden würde. Herr R habe darüber mit dem damaligen Jagdleiter und einem Vertreter des NÖ Jagdverbandes gesprochen und diese hätten ihm geraten, gegen das Straferkenntnis zu berufen.

 

Gutachten

Im ggst Fall wird nach Anhören des Beschuldigten und nach durchgeführtem Lokalaugenschein festgestellt, daß dem Tier durch das zeitweilige Einsperren keine unnötigen Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt wurden.

 

Außerdem wird festgehalten, daß eine Wildtierhaltung im eigentlichen Sinn nicht vorliegt."

 

Aufgrund der Aktenlage sowie aufgrund des Amtssachverständigen Gutachten vom 6.4.1993 steht folgender Sachverhalt fest:

 

Der Berufungswerber hat im Winter 1988 nächst seinem Hof ein völlig abgemagertes und geschwächtes Rehkitz gefunden. Er hat dieses in seinem Rinderstall untergebracht und wieder aufgefüttert. Auf seinem Anwesen wurde vom Berufungswerber ein ca 10 x 10 m großes Gehege errichtet, in dem er den Rehbock nach Wiedergenesung unterbrachte. Seitens der Bezirksverwaltungsbehörde ist der Rehbock im selben Winter besichtigt worden und es wurde empfohlen, ihn erst in der warmen Jahreszeit allmählich wieder in die Freiheit zu entlassen. Dies ist auch befolgt worden. Lediglich bei Anzeichen von Aggressivität gegenüber dem Berufungswerber oder seinen Angehörigen zur Brunftzeit ist der Rehbock im Gehege belassen worden. Jedesmal wenn der Rehbock in Freiheit war, ist er aber immer wieder freiwillig in das Gehege zur Futteraufnahme zurückgekehrt.

In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber bestraft, weil er in einem ca 10 x 11 m großen Gatter einen Rehbock gehalten hat, obwohl er für diese Wildtierhaltung keine Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde erlangt hatte. Einwandfrei konnte lediglich festgestellt werden, daß sich der besagte Rehbock über eine längere Zeit in dem gegenständlichen Gatter aufgehalten hatte. Nicht jedoch, daß er durch den Berufungswerber über diesen Zeitraum auch ständig festgehalten worden war. Das Gutachten des Amtssachverständigen besagt eindeutig, daß ein zeitweiliges Einsperren eines Rehbockes zur Brunftzeit, in der er Aggressivität gegen Personen zeigt, durchaus im Sinne der Sicherheit von Menschen zu werten ist, nicht jedoch als Wildtierhaltung.

Der Berufungswerber hat somit die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen.

 

Eine bereits anberaumte öffentliche mündliche Verhandlung erübrigte sich durch Aussage dieses Amtssachverständigengutachten und wurde im Einverständnis mit den Parteien abberaumt (§51e Abs1 und Abs3 VStG).

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und gleichzeitig das Strafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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