TE UVS Stmk 1993/04/27 30.2-2/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.1993
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat über die Berufung des Herrn Dr. H. Sch., vertreten durch Dr. M. Sch., Rechtsanwalt in G., G.-straße 69, gegen Pkt 1 des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Graz vom 12.3.1992, GZ.: III/St - 1388/91, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)  in Verbindung mit § 24 und § 51e Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der angefochtene Bescheid behoben, gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG von der Fortführung des Verfahrens abgesehen und die Einstellung verfügt.

Text

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, eine Übertretung des § 7 Abs 2 StVO begangen zu haben. Hiefür wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von S 100,-- vorgeschrieben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung, in der der Berufungswerber im wesentlichen ausführt, es gehe im gegenständlichen Verfahren um die seines Erachtens bisher unzulänglich entschiedene Frage, ob im Zuge eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden der Strafausschließungsgrund des § 99 Abs 6a StVO auch dann vorliege, wenn der Beschuldigte selbst verletzt ist. Ein Vergleich mit der Bestimmung des § 4 StVO, wonach bei einem Unfall bzw. Vorfall ausschließlich der Pkw bzw. das Eigentum des Beschuldigten beschädigt wurde und in einem solchen Fall die genannte gesetzliche Bestimmung nicht anwendbar sei, ergebe auch ein verfassungsmäßig geschütztes Recht, sich selbst sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig zu verletzen. Es könne daher die Ausübung dieses Rechtes niemals dem Verletzten zum Nachteil gereichen, wie es bei der gängigen Anwendung des § 99 Abs 6a StVO geschehe. Soferne daher bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden die Bestimmungen über das Verhalten bei einem solchen Unfall eingehalten werden würden, dürfe also die Tatsache, daß er selbst verletzt ist, nicht dazu führen, daß nunmehr wegen dieses Sachschadens, der sonst straffrei wäre, eine Bestrafung erfolge. Aus straf- bzw. verfassungsrechtlichen Überlegungen könne daher die Bestimmung des § 99 Abs 6a StVO nur so ausgelegt werden, daß die Straflosigkeit auch dann eintrete, wenn nur der Beschuldigte alleine verletzt sei. Es wurde daher beantragt, den Pkt 1 des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Graz vom 12.3.1992 aufzuheben.

Den diesbezüglichen Ausführungen des Berufungswerbers ist der klare Wortlaut der Bestimmung des § 99 Abs 6a StVO entgegenzuhalten, wonach eine Verwaltungsübertretung (dann) nicht vorliegt, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden (§ 4 Abs 5 leg. cit.) eingehalten worden sind, und nicht eine Übertretung nach Abs 1 vorliegt.

Die Rechtswohltat des § 99 Abs 6a StVO kommt somit nur dann zum Tragen, wenn durch die Tat "lediglich" Sachschaden entstanden ist und überdies die Bestimmung im Sinne des § 4 Abs 5 StVO eingehalten wurde. Ein Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO mit bloßem Sachschaden und zwar gleichgültig, ob hiebei auch Sachen Dritter beschädigt wurden oder nicht, ist demnach Grundvoraussetzung für die Anwendung der genannten Gesetzesbestimmung. Fehlt diese wesentliche Voraussetzung, d.

h. ist durch die Tat (auch) Personenschaden eingetreten - wobei es auf die Schwere der Verletzung nicht ankommt - und zwar gleichgültig bei welcher, fehlt die Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung des § 99 Abs 6a StVO.

Die im Sinne des § 44a Z 1 VStG als "erwiesen angenommene Tat" als Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung nach § 99 Abs 6a StVO ist das Herbeiführen eines bloßen Sachschadens im Zuge eines Verkehrsunfalles. Die Vermeidung des Sachschadens ist demnach die Schutznorm. Bei allen anderen Verwaltungsvorschriften, deren Schutzzweck nicht unmittelbar die Vermeidung von Sachschaden ist, kommt es zu Straffreiheit auch dann nicht, wenn die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden sind (siehe VwGH vom 15.12.1982, Zl 81/03/0294). Daraus ergibt sich auch, daß der vom Berufungswerber angestellte Vergleich mit den Bestimmungen des § 4 Abs 1a und c und Abs 5 StVO auf die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nicht ohne weiteres anwendbar ist. Schutzzweck dieser Bestimmung ist primär nicht die Vermeidung eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden, sondern neben der Aufklärungspflicht insbesondere auch der, den am Verkehrsunfall beteiligten Personen die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem sie sich hinsichtlich der Schadensregelung auseinanderzusetzen haben.

Da auch das Vorliegen eines bloßen Sachschadenunfalles vom Berufungswerber nicht mehr behauptet wurde, und sich überdies aus der Aktenlage (Anzeige, Mitteilung gemäß Art. IV des Verkehrsrechtsanpassungsgesetzes 1971 und die Einstellung des Verfahrens gemäß § 90 Abs 1 Strafprozessordnung 1975 (StPO)) schlüssig ergibt, daß beim Verkehrsunfall der Berufungswerber verletzt wurde, lagen die Voraussetzungen im Sinne des § 99 Abs 6a StVO nicht vor.

Der angefochtene Bescheid war jedoch aus nachstehenden Gründen zu beheben:

Aus der Aktenlage und dem Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10.9.1991, Zl 91ZG197/91 ergibt sich der Sachverhalt derart, daß der Berufungswerber, der beabsichtigte mit seinem Pkw von der Rembrandtgasse kommend, bei der Kreuzung mit der Elisabethstraße nach rechts, d. h. stadtauswärts einzubiegen, an mehreren vor der genannten Kreuzung angehaltenen Kraftfahrzeugen links vorbeifuhr und dabei die Fahrbahnmitte, welche mittels einer gut sichtbaren Leitlinie gekennzeichnet ist, mit seinem Kraftfahrzeug überfuhr und derart den westlichen Fahrstreifen der Rembrandtgasse in Richtung Norden benutzte.

Der Unfallsbeteiligte befuhr die Elisabethstraße in Richtung Osten und beabsichtigte nach rechts (Süden) in die Rembrandtgasse einzubiegen. Sowohl die Rembrandtgasse als auch die Elisabethstraße waren jedoch jeweils am rechten Fahrbahnrand durch abgestellte bzw. anhaltende Fahrzeuge bis zum Kreuzungsbereich durchgehend verstellt. Aus den Feststellungen des genannten Gerichtes geht weiters hervor, daß der Unfallsbeteiligte beim Einbiegen nach rechts dem etwa 5 Meter vor der Kreuzung in der Rembrandtgasse am westlichen Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeugen ausweichen mußte, und wie der Genannte gerade mit diesem Ausweichen fertig war und volle Sicht in die Rembrandtgasse hatte, hat er auch das ihm entgegenkommende Fahrzeug des Berufungswerbers (erstmals) gesehen. Der erste (mögliche) Blickkontakt befand sich etwa 5 bis 6 Meter vom Schnittpunkt der sich kreuzenden Fahrbahnränder entfernt. Die Distanz der beiden Fahrzeuge war zu diesem Zeitpunkt noch etwa eine Wagenlänge, beide Fahrzeuge waren in Bewegung. Bei der ersten Sicht in die Rembrandtgasse konnte vom Unfallsbeteiligten kein Fahrzeug gesehen werden, das irgendwo herausgefahren wäre, vielmehr war zu diesem Zeitpunkt das Fahrzeug des Berufungswerbers schon auf der Fahrbahnhälfte des Unfallsbeteiligten. Der Berufungswerber, der eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 30 bis 40 km/h einhielt, sah das Fahrzeug des Unfallsbeteiligten erstmalig, als dieser gerade in die Rembrandtgasse einbog, unmittelbar darauf, d.h. innerhalb von 1 bis 2 Sekunden ereignete sich der Frontalzusammenstoß. Dem Berufungswerber wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine Übertretung des § 7 Abs 2 StVO zur Last gelegt, da er als Lenker seines Fahrzeuges auf der Rembrandtgasse in nördliche Richtung fahrend "bei Gegenverkehr nicht den rechten Fahrbahnrand einhielt, wodurch es zum gegenständlichen Verkehrsunfall mit dem Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen G 84.880 kam". Nach der Bestimmung des § 7 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden  und bei Gegenverkehr am rechten Fahrbahnrand zu fahren, er darf hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Bestimmung ist jedoch nach Ansicht der Behörde nur dann als erwiesen anzunehmen, wenn der Fahrzeuglenker den Gegenverkehr tatsächlich wahrnimmt bzw. einen solchen auch - rechtzeitig - wahrnehmen kann. Aus den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen geht jedoch schlüssig hervor, daß der Berufungswerber seine Fahrlinie am westlichen Fahrstreifen der Rembrandtgasse bereits zu einem Zeitpunkt derart einhielt, als kein Gegenverkehr herrschte und für ihn ein solcher auch nicht wahrgenommen wurde bzw. werden konnte. Überdies ist ein Kraftfahrzeuglenker auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 2 StVO nicht verpflichtet, am (äußersten) rechten Fahrbahnrand zu fahren. Vielmehr ist ihm auch in diesen Fällen die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zum rechten Fahrbahnrand zuzubilligen, der allerdings jenes Maß nicht überschreiten darf, das zur Vermeidung einer Personen- oder Sachgefährdung erforderlich ist. Aus den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich daher auch, daß mangels zum Tatzeitpunkt herrschendem bzw. für den Berufungswerber auch rechtzeitig sichtbaren Gegenverkehr "auf der Rembrandtgasse" eine Verpflichtung gemäß § 7 Abs 2 StVO nicht vorlag. Inwieweit durch das Verhalten des Berufungswerbers die Bestimmungen gemäß §§ 16, 17 StVO verletzt wurden ist nicht Sache gegenständliche n Verfahren von der Berufungsbehörde auch nicht zu beurteilen. Aufgrund all dieser Erwägungen war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten