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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des N in W, geboren am 23. Dezember 1954, vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. November 1998, Zl. 204.121/0-VII/21/98, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 14. Jänner 1990 in das Bundesgebiet ein, beantragte am darauf folgenden Tag Asyl und wurde dazu am 26. Jänner 1990 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich einvernommen. Er gab an, im Iran selbständiger Bauunternehmer gewesen zu sein. Im Zusammenhang mit der Abwicklung eines staatlichen Bauauftrages und der Weigerung des Beschwerdeführers, für den erhaltenen Auftrag Geld für die Kriegsopfer bzw. die Kriegskasse zu bezahlen, sei es 1984 zu einem organisierten Überfall von Bauarbeitern auf ihn und im Anschluss daran zu einer viertägigen Inhaftierung des Beschwerdeführers gekommen. Der Auftrag sei storniert worden und der Beschwerdeführer, der keine Chance mehr gehabt habe, weitere Aufträge zu bekommen, habe die Firma auflösen müssen. Darüber hinaus sei ein Gerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet worden, das er durch die Erhebung von Rechtsmitteln habe hinauszögern können. Anfang 1989 habe die endgültige Verhandlung stattfinden sollen. Da er mit keinem fairen Verfahren habe rechnen können, sei er im März 1989 nach Dubai geflohen, von wo aus er später über die Türkei nach Österreich gelangt sei. Inzwischen sei er im Iran in seiner Abwesenheit zur Zahlung einer hohen Geldsumme verurteilt worden. Die ganze Angelegenheit sei ein politischer Willkürakt gewesen. Wenn der Beschwerdeführer in den Iran zurückkehre, würde er verhaftet werden.
In seiner Berufung vom 9. Juli 1990 gegen den Bescheid vom 30. Mai 1990, mit dem die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien den Asylantrag des Beschwerdeführers nach dem AsylG 1968 abgewiesen hatte, brachte der Beschwerdeführer vor, sein Konflikt mit dem iranischen Regime im Zusammenhang mit der Abwicklung des Bauauftrages habe darauf beruht, dass er "ideologisch nicht mit dem islamischen Regime auf einer Linie" gelegen sei und auch nicht mehr bereit gewesen sei, "das Regime dabei zu unterstützen, den barbarischen Krieg gegen den Irak weiter zu führen". Dies habe einen Überfall durch Sicherheitspolizisten und 1983 die Beschlagnahme seiner Firma zugunsten der Regierung zur Folge gehabt. Sein Leben sei von da an in Gefahr gewesen, weshalb er im November 1988 den Iran verlassen habe.
Mit Bescheid vom 6. Juli 1993 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung in Anwendung des AsylG 1991 ab. Mit Schriftsatz vom 19. August 1993 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens, wobei er Urkunden vorlegte, mit denen er die Auftragsannulierung und die Beschlagnahme von Firmenvermögen im Jahre 1982, die Anberaumung einer Tagsatzung in dem Gerichtsverfahren gegen seine Firma für den 22. April 1989 und den aufrechten Bestand eines Haftbefehles vom 27. März 1993 gegen ihn unter Beweis stellte. Nach Abweisung dieses Antrages durch den Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 15. November 1993 und Aufhebung des Berufungsbescheides vom 6. Juli 1993 durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Oktober 1994 legte der Beschwerdeführer im wieder offenen Berufungsverfahren die Urkunden, auf die er seinen Wiederaufnahmeantrag gestützt hatte, sowie ein Forderungsschreiben vom 25. August 1983 gegen seine Firma vor. Er brachte dazu vor, im Iran werde ständig nach ihm gesucht und sein im Iran verbliebener Bruder sei einen Tag lang verhaftet und eingehend nach dem Verbleib des Beschwerdeführers befragt worden.
Mit Bescheid vom 28. September 1995 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers abermals ab. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der der Beschwerdeführer u.a. ausführte, auf Grund seiner Weigerung, "Schmiergeld" in die Kriegsopfer- bzw. Kriegskasse einzuzahlen, sei ihm unterstellt worden, er habe die iranische Wehrkraft schwächen wollen, wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Juni 1998 gemäß § 44 Abs. 3 AsylG zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers vom 9. Juli 1990 gemäß § 7 AsylG ab. Diese Entscheidung stützte die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer den Zusammenhang zwischen der Entziehung des Bauauftrages und den Klagen gegen seine Firma einerseits und einer Weigerung des Beschwerdeführers, eine von ihm verlangte Spende für die Kriegskasse bzw. für die Opfer des iranisch-irakischen Krieges zu leisten, andererseits sowie seine deshalb erfolgte kurzfristige Inhaftierung und körperliche Misshandlung nicht habe glaubhaft machen können. Als glaubwürdig erachtete die belangte Behörde die gerichtlichen Auseinandersetzungen, die ihre Ursache (nur) im Vorwurf nicht ordnungsgemäßer Auftragserfüllung gehabt hätten, den Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer und die kurzfristige Festhaltung seines Bruders im Zusammenhang mit dessen Befragung nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers. Ihre Beweiswürdigung in Bezug auf die teilweise Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers stützte die belangte Behörde auf die "vielen Widersprüche in seinem Vorbringen", was im angefochtenen Bescheid aber nur dahin gehend näher ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme am 26. Jänner 1990 eine wirtschaftlich motivierte Verweigerung der Spende und einen Überfall durch Bauarbeiter, in der Berufung hingegen eine ideologisch begründete Verweigerung der Spende und einen Überfall durch Sicherheitspolizisten behauptet habe und sich dies nicht in Einklang bringen lasse. In rechtlicher Hinsicht ergebe sich aus den getroffenen Feststellungen, dass die Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer keinen politischen Hintergrund hätten und daher keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention seien. Für den Beschwerdeführer wäre aber auch bei Zutreffen des nicht als glaubwürdig erachteten Teils seiner Behauptungen nichts gewonnen, weil hinsichtlich der Ereignisse von 1983 oder 1984 schon der erforderliche zeitliche Konnex zur Ausreise fehle und sich aus dem Umstand, dass es dem Beschwerdeführer gelungen sei, das Verfahren hinauszuzögern und den Iran schließlich auf legale Weise zu verlassen, ergebe, dass "selbst bei Annahme, dass am Beginn der zivilrechtlichen Streitigkeiten ein Ereignis mit politischem Charakter gestanden sei, das politische Elemente in der Folge dermaßen in den Hintergrund getreten wäre, dass sich die von den iranischen Behörden gegen den Berufungswerber gesetzten Handlungen nicht als Verfolgung im Sinne der GFK darstellten".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Beschwerde wird mit Recht releviert, dass die (insgesamt sehr kurzen) Ausführungen zur Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid nicht geeignet sind, die differenzierende Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers nachvollziehbar zu begründen, und es sich bei der Deutung der Maßnahmen in der Eventualbegründung der belangten Behörde um eine "vollkommen freie Interpretation" im Besonderen des vom Beschwerdeführer vorgelegten Haftbefehles handle. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung aber auch deshalb mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil sie sich durch die von ihr herangezogenen Widersprüche zwischen dem erstinstanzlichen und dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers und durch das Erfordernis, die erst im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden zur Klärung des Sachverhaltes heranzuziehen, nicht daran gehindert sah, von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, die nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem solchen Fall stattzufinden hat, abzusehen. Der Beschwerdeführer greift diesen Mangel auch auf, indem er geltend macht, er sei nicht ausführlich genug befragt worden und hätte die ihm vorgeworfenen Widersprüche durch seine Aussage jederzeit widerlegen bzw. mit Übersetzungsschwierigkeiten bei der Verfassung der Berufung erklären können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200127.X00Im RIS seit
29.11.2001