TE UVS Niederösterreich 1993/05/18 Senat-WU-92-090

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Veröffentlicht am 18.05.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, teilweise Folge gegeben. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird insoweit geändert, als

 

a)

an die Stelle der zu den Punkten 1.) bis 3.) verhängten drei Geldstrafen von jeweils S 1.000,-- und der drei Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 24 Stunden eine einzelne Geldstrafe von S 2.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden tritt,

 

b)

die zu Punkt 4.) verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- auf S 600,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden auf 14 Stunden herabgesetzt wird,

 

c)

die zu Punkt 5.) verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- auf S 800,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden wird auf 18 Stunden herabgesetzt wird,

 

d)

die zu Punkt 6.) verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- auf S 800,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden wird auf 18 Stunden herabgesetzt wird,

 

e)

die zu Punkt 7.) verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- auf S 800,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden wird auf 18 Stunden herabgesetzt wird, und

 

f)

der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der ersten Instanz gemäß §64 Abs1 und 2 VStG, BGBl Nr 52/1991, mit S 500,-- festgesetzt wird.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die erste Instanz dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe es als das nach §9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ (zu zitieren wäre richtig: als handelsrechtlicher Geschäftsführer) der Firma A - L GesmbH zu verantworten, daß am Standort diese Betriebes in G******, L***** Straße ***, die erlaubte Tagesarbeitszeit von 10 Stunden bei nachstehend angeführten Arbeitnehmern wie folgt überschritten wurde:

 

1.

W B am 2.10.1990, Überschreitung: 3 Stunden und 5 Minuten,

2.

W B am 3.10.1990, Überschreitung: 1 Stunde und  17 Minuten,

3.

W B am 8.10.1990, Überschreitung: 2 Stunden und 40 Minuten,

4.

M F am 3.10.1990, Überschreitung: 56 Minuten,

5.

W S am 16.10.1990, Überschreitung: 2 Stunden und 7 Minuten,

6.

R L am 15.10.1990, Überschreitung: 3 Stunden und 56 Minuten, und

7.

E P am 16.10.1990, Überschreitung: 2 Stunden und 2 Minuten.

 

Über den Beschuldigen wurden durch die Behörde erster Instanz wegen Übertretung des §9 AZG gemäß §28 (richtig: §28 Abs1) leg cit zu den Punkten 1. bis 7. insgesamt sieben Einzelstrafen in der Höhe von jeweils S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 24 Stunden) verhängt; die Summe der verhängten Geldstrafe betrug daher insgesamt S 7.000,--, jene der Ersatzfreiheitsstrafen 168 Stunden.

 

Strafmildernd oder erschwerend wurde durch die Behörde erster Instanz kein Umstand gewertet.

 

In der fristgerecht erhobenen Berufung macht der Beschuldigte im wesentlichen Verfahrensmängel, unrichtige rechtliche Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit der Begründung des Straferkenntnisses geltend. Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens. Als Eventualantrag wurde die Herabsetzung der verhängten Strafen begehrt.

 

Seitens des Arbeitsinspektorates wurde gegen das vorliegende Straferkenntnis keine Berufung erhoben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 22. März 1993 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß §51e VStG durchgeführt.

 

Im Rahmen dieser Verhandlung schränkte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers nach einer eingehenden Erörterung der Sach- und Rechtslage die Berufung hinsichtlich der Punkte 4. bis 7. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahingehend ein, daß sich dieselbe lediglich gegen die Höhe der verhängten Strafen richtet. Hinsichtlich der Punkte 1. bis 3. wurde das Ausmaß der Arbeitszeitüberschreitungen (Überstunden) durch den Rechtsvertreter des Berufungswerbers ausdrücklich außer Streit gestellt, aber darauf hingewiesen, daß es sich hinsichtlich dieser drei Tage um ein fortgesetztes Delikt handle, weshalb nur eine einzige Strafe zu verhängen sei. Auch hinsichtlich der anstelle der drei Einzelstrafen zu verhängenden Gesamtstrafe werde eine Herabsetzung unter S 3.000,-- beantragt.

 

Auf die Einvernahme des geladenen Zeugen wurde daraufhin von allen Parteien verzichtet.

 

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates für den *. Aufsichtsbezirk stimmte in seinem Schlußwort einer geringfügigen Herabsetzung der Geldstrafen zu, wobei für die Punkte 1. bis 3. eine einzige Gesamtstrafe zu verhängen wäre.

 

Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers verzichtete auf ein Schlußwort.

 

Der Berufungswerber hat der Berufungsbehörde seine allseitigen Verhältnisse wie folgt bekanntgegeben: monatliches Nettoeinkommen S 21.420,--, Sorgepflicht für eine dreiköpfige Familie, Mitbesitzer einer belasteten Liegenschaft (Gesamteinheitswert laut Bescheid des Finanzamtes W***-******** S 28.666,--).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Da seitens des Berufungswerbers in der Verhandlung vom 22. März 1993 die Berufung hinsichtlich der Punkte 4. bis 7. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausdrücklich auf die Höhe der verhängten Strafen eingeschränkt wurde, hat die Berufungsbehörde von rechtskräftigen Schuldsprüchen auszugehen und lediglich zu beurteilen, ob die verhängten vier Strafen dem durch §19 VStG vorgegebenen Maßstab entsprechen.

 

Dem Berufungswerber ist insoferne recht zu geben, daß es sich bei den unter Punkt 1. bis 3. des bekämpften Straferkenntnisses aufgezählten Übertretungen um ein einziges, fortgesetztes Delikt handelt. Der zu den Punkten 1. bis 3. zu beurteilende Sachverhalt läßt nämlich mehrere gesetzwidrige Handlungen des Beschuldigten erkennen, welche zufolge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände, des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Beschuldigten zu einer Einheit zusammentreten. Diese Einheit manifestiert sich in der strafrechtlichen Figur des sogenannten fortgesetzten Deliktes. In derartigen Fällen liegt lediglich eine strafbare Handlung vor, welcher Umstand die Anwendung des im §22 Abs1 VStG normierten Kumulationsprinzips ausschließt. Die erste Instanz hätte daher nur eine Strafe verhängen dürfen (Erkenntnis des VWGH vom 21. November 1984, Zl 81/11/0077).

Hinsichtlich der Punkte 1. bis 3. konnte die Berufungsbehörde mangels Bestreitung durch den Berufungswerber davon ausgehen, daß der objektive Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach §9 AZG gegeben ist.

 

Gemäß §19 Abs1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß §19 Abs2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist hiebei besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Das AZG soll unter anderem den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer vor unzumutbaren zeitlichen Belastungen gewährleisten. Da es sich hiebei um den Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern handelt, ist - wie auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - bei Übertretung der einschlägigen Bestimmungen des AZG ein strenger Maßstab anzulegen und ist der Übertretung ein erheblicher Unrechtsgehalt beizumessen. Dieser erhebliche Unrechtsgehalt war auch von der Berufungsbehörde bei der Festsetzung der Höhe der verhängten Geldstrafen in allen fünf Fällen zu berücksichtigen.

 

Da zum Tatbestand der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört und die auf diesen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften nichts über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden bestimmen, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des §5 Abs1 VStG. Es besteht daher gemäß §5 Abs1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für ein fahrlässiges Verhalten des Täters. Bestreitet der Täter dies, so hat er nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa die Erkenntnisse vom 2. Juli 1990, Zl 90/19/0109, 18. Februar 1991, Zl 90/19/0177, und vom 17. Dezember 1990, Zl 90/19/0570) initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht und glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich war. Wenn der Berufungswerber geltend macht, es habe sich um notwendige Überstunden zur Erfüllung eines dringenden Auftrages gehandelt, so ist dem entgegenzuhalten, daß es einem Arbeitgeber durchaus zugemutet werden kann, daß er nur solche Aufträge übernimmt, die mit den vorhandenen personellen und maschinellen Resourcen unter Beachtung der einschlägigen Arbeitszeitvorschriften bis zum vereinbarten Liefertermin erfüllt werden können. Da der Beschuldigte einen Gegenbeweis gemäß §5 Abs1 letzter Satz VStG nicht erbringen und insbesondere auf ein taugliches Kontrollsystem im Sinne der obigen Judikatur nicht verweisen konnte, war die Berufungsbehörde in allen fünf Übertretungsfällen berechtigt, ein fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten anzunehmen.

 

Auch kommt es nicht darauf an, daß der einzelne Arbeitnehmer an einer Überschreitung der Arbeitszeit keinen Anstoß nimmt und allenfalls sogar daran interessiert ist (vgl Erkenntnis des VwGH vom 24. September 1990, Zl 90/19/0281). Die Tatsache, daß die Arbeitnehmer die nach dem AZG unzulässigen zeitlichen Mehrleistungen allenfalls freiwillig erbracht haben, kann daher nicht als mildernd angesehen werden.

 

Bei dem unter Punkt 1. bis 3. angeführten Dauerdelikt ist erschwerend zu bewerten, daß die Übertretung an mehreren Tagen erfolgte und das Ausmaß der Arbeitszeitüberschreitungen (Überstunden) erheblich war. Hinsichtlich der übrigen Delikte war das teilweise erhebliche Ausmaß der Arbeitszeitüberschreitungen (Überstunden) von bis zu 39 % als erschwerend anzulasten. Lediglich bei dem unter Punkt 4. angeführten Delikt lag ein nur geringfügiges Ausmaß der Arbeitszeitüberschreitung vor. Da diese geringfügige Arbeitszeitüberschreitung bei der Strafzumessung durch die erste Instanz nicht beachtet wurde, war die Berufungsbehörde dazu verhalten, diesen Umstand bei der Neufestsetzung der Strafe entsprechend zu berücksichtigen.

 

Als mildernd konnte die Berufungsbehörde das Tatsachengeständnis des Beschuldigten werten.

Wenn nun die Berufungsbehörde nach Abwägung all dieser Umstände eine Herabsetzung der zu verhängenden fünf Geldstrafen in Erwägung ziehen konnte, so waren hiefür auch die allseitigen Verhältnisse des Beschuldigten maßgebend. Die herabgesetzten Geldstrafen erscheinen der Berufungsbehörde ausreichend, um den Beschuldigten in Hinkunft von gleichartigen Übertretungen abzuhalten, die zu Lasten der Gesundheit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen zeitlichen und finanziellen Vorteil bringen könnten.

 

Wegen der Herabsetzung der verhängten Geldstrafen war auch der Beitrag zu den Kosten für das Verfahren vor der Behörde erster Instanz entsprechend (10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen) zu berichtigen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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