TE UVS Niederösterreich 1993/06/17 Senat-NK-92-067

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Veröffentlicht am 17.06.1993
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Ebenso Senat-BN-92-099 Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, iVm §24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52,  Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z1 VStG wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit dem angefochtenen Strafbescheid hat die Bezirkshauptmannschaft xx Frau H U einer Übertretung gemäß §74 Abs1 LMG 1975 schuldig erkannt, da sie es zu verantworten habe, daß der Gewerbebetrieb "Firma V******** D**********" am 9.11.1990 die Ware "Zaubersaft" an die Firma Z******* N********* in B****** am *** verkauft und somit entgegen dem Verbot des §9 Abs1 lita und b LMG 1975 in Verkehr gebracht habe, die wegen der Angabe "Produkte zur Vollwerternährung, Zaubersaft" als falsch bezeichnet im Sinne des §8 litf LMG 1975 zu beurteilen war.

 

Verhängt wurde wegen dieser Übertretung eine Geldstrafe in Höhe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden). Überdies wurde die Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten in Höhe von S 250,-- und von Barauslagen in der gleichen Höhe vorgeschrieben.

 

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung mit dem Vorbringen, daß eine Irreführung nur dann vorliegen könne, wenn der durchschnittliche Verbraucher über wesentliche Produktmerkmale, die er aus dem Namen des Produktes herausliest, getäuscht wird. Durch die Bestrafung würde es daher die Behörde für möglich halten, daß ein Konsument diese Bezeichnung insofern "ernst" nehmen würde, als er diesen Saft in dem Glauben kauft, daß er seinem Kind magische Kräfte verleihen würde. Dies kann jedoch nicht wirklich angenommen werden.

 

Auch werde durch die Angabe "Produkt zur Vollwerternährung" nicht ausgedrückt, daß dieses Lebensmittel alle für den Menschen essentiellen Nährstoffe beinhalte, er somit durch Einnahme ausschließlich dieses Lebensmittels sein Auslangen finden würde. Darüberhinaus würde den Kunden eine Ernährungsinformation angeboten, worin erklärt wird, was unter der Bezeichnung Vollwertkost eigentlich zu verstehen sei. Es handle sich nämlich um Produkte, welche dem Grundsatz folgen, alle Rohstoffe so natürlich wie möglich zu belassen, und sich hauptsächlich aus pflanzlichen Komponeten zusammensetzen.

 

Beantragt wurde daher die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens.

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß §7 Abs1 litc LMG 1975 ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffen in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind. Gemäß §8 litf leg cit gelten Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe dann als falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§9) in Verkehr gebracht werden.

 

Die Erstbehörde stützt ihre Rechtsmeinung im Hinblick auf die Angabe "Produkte zur Vollwerternährung" darauf, daß es aus ernährungswissenschaftlicher Sicht keinen Grund gäbe, den Begriff "Vollwert" auf ein einzelnes Lebensmittel anzuwenden, da es - mit Ausnahme von der Muttermilch für den Säugling - kein Lebensmittel gibt, das alle essentiellen Nährstoffe in angemessener Menge liefert, dh vollwertig ist.

 

Diese von der Erstbehörde vertretene Rechtsmeinung deckt sich mit der zu dieser Thematik bestehenden Rechtsansicht des Bundeskanzleramtes (Erlaß vom 2. August 1990, Zl 71/910/78-VII/B/1/90).

 

Diese Rechtsmeinung hat jedoch der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ bereits in seiner Entscheidung vom 23.3.1993, Zl Senat-GF-92-028, verworfen und ausgeführt, daß eine Falschbezeichnung nur dann anzunehmen wäre, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen (Konsumenten) durch die Bezeichnung "Vollwert" tatsächlich die Meinung vertreten würde, daß ein mit dieser Bezeichnung versehenes Lebensmittel tatsächlich alle essentiellen Nährstoffe in angemessener Menge beinhalte. Aufgrund des derzeit in Österreich bestehenden allgemeinen Bildungsniveaus darf aber berechtigterweise davon ausgegangen werden, daß ein derartiger Eindruck bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Konsumenten nicht eintreten dürfte.

 

Unter "Vollwert" ist vielmehr zu verstehen, daß ein mit einem derartigen Hinweis versehenes Lebensmittel (meist pflanzlicher Herkunft) dem Konsumenten "im vollen Werte" zur Verfügung steht, dh daß dieses Lebensmittel beim Konsum noch alle oder zumindest nahezu alle natürlichen Eigenschaften aufweist und keinerlei chemischen Behandlungsmethoden unterworfen wurde. Somit ist der Begriff "Vollwert" im Sinne der ebenso häufig gebrauchten Begriffe wie "unverfälscht" oder "naturbelassen" zu verstehen.

 

Zum Vorwurf der Bezeichnung des in Verkehr gebrachten Lebensmittels mit dem Ausdruck "Zaubersaft" ist folgendes festzustellen:

 

Gemäß §8 litf LMG 1975 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe nur dann als falsch bezeichnet anzusehen, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben versehen sind. Dies bedeutet nichts anderes, als daß die Angaben solcher Art sein müssen, daß sie einerseits mit den tatsächlichen Eigenschaften des in Verkehr gebrachten Lebensmittels, Verzehrproduktes oder Zusatzstoffes nicht übereinstimmen und zusätzlich bei einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Personenkreises der Eindruck erweckt wird, daß das in Verkehr gebrachte Produkt tatsächlich die angekündigten Eigenschaften aufweist.

Bezogen auf den gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, ob die Bezeichnung "Zaubersaft" tatsächlich bei einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Personenkreises den Eindruck erweckt, daß bei Konsum dieses Produktes eine Beeinflussung durch Zauberei bzw Einwirkung magischer Kräfte in irgendeiner Form stattfinde. Derartiges ist jedoch - wie auch hinsichtlich der Bezeichnung "Vollwert" ausgeführt wurde - bei dem derzeit in Österreich bestehenden allgemeinen Bildungsniveaus nicht zu erwarten. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß für dieses Produkt als Verkäuferschicht durchaus auch Kinder und Jugendliche angesehen werden können. Zwingend technische Voraussetzung für eine allfällige Irreführung der Kinder ist zweifelsohne der Umstand, daß diese des Lesens kundig sind. Unter dieser Annahme könnten daher - wenn überhaupt - nur Kinder angesprochen werden, die sich regelmäßig zumindest im schulpflichtigen Alter befinden. In dieser Altersstufe darf aber auch davon ausgegangen werden, daß der Entwicklungsstand derart fortgeschritten ist, daß ein tatsächlicher bzw überzeugter Glaube an Zauberei nicht mehr besteht und daher durch den Konsum eines bestimmten Getränkes magische Kräfte nicht verliehen werden.

 

Es ist daher davon auszugehen, daß die angelasteten produktbezogenen Angaben eine Irreführung eines nicht unbeträchtlichen Teiles des Konsumentenkreises nicht herbeiführen, weshalb bereits tatbestandsmäßiges Handeln zu verneinen ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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