TE UVS Stmk 1993/07/22 30.11-98/93

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Veröffentlicht am 22.07.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch sein Einzelmitglied

Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn R. K., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G. K., Dr. H.-G. M., Dr. G. K., H.-gasse 3/II, 8010 Graz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 21.1.1993, GZ.: 15.1 1992/2309, wegen einer Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 (ArbIG) nach einer am 28.6.1993 und am 22.7.1993 durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich der Schuldfrage keine Folge gegeben, hinsichtlich der verhängten Strafe wird das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abgeändert, daß über den Berufungswerber gemäß § 19 VStG eine Strafe von S 7.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 7 Tage Ersatzarrest) verhängt wird. Dadurch vermindern sich die Verfahrenkosten der ersten Instanz auf S 700,--.

Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird insofern präzisiert, als der Berufungswerber die Verwaltungsübertretung als persönlich haftender Gesellschafter der K.-KG zu verantworten hat.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 21.1.1993,

GZ: 15.1 1992/2309 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 4.8.1992 in der Zeit von 13.10 Uhr bis 13.25 Uhr in seinem Betrieb "G.-hof" in B. G., einen Vertreter des Arbeitsinspektorates Graz in der Ausübung seines Dienstes trotz Belehrung durch die Äußerung "Ich habe jetzt keine Zeit, weil jetzt das Mittagsgeschäft im Gange ist, kommen sie in einer halben Stunde wieder" behindert. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 3 Abs 3 in Verbindung mit § 18 Abs 1 ArbIG begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe von S10.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 10 Tage Ersatzarrest) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führte im wesentlichen aus, daß nicht nur die Strafe unangemessen hoch sei, sondern überdies das Straferkenntnis rechtlich verfehlt erscheine. Die Vorgangsweise des Arbeitsinspektorates sei schikanös gewesen und überdies sei der Berufungswerber im Sinne der §§ 5 ff VStG nicht strafbar. Darüberhinaus würden auch Milderungsgründe im Sinne des § 34 Z 3, Z 7 sowie Z 11 vorliegen. Daher werde beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben, in eventu die verhängte Strafe in eine mildere umzuwandeln oder ganz von einer Strafe abzusehen. Aufgrund einer am 28.6.1993 begonnenen und am 22.7.1993 zu Ende geführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung, die in Anwesenheit des Berufungswerbers, seines bevollmächtigen Vertreters sowie eines Vertreters der mitbeteiligten Partei (Arbeitsinspektorat Leoben) stattfand und in deren Verlauf die Zeugen Ing. J. K., M. P. und P. D. einvernommen wurden, wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Am 4.8.1992 führte der Arbeitsinspektor Ing. J. K. zusammen mit einem Vertreter der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Graz, Herrn M. P., Pflichtpraktikantenerhebungen im Bezirk Feldbach durch. Nach 13.00 Uhr kamen die beiden zum Gastgewerbebetrieb des Berufungswerbers "G.-hof". Nach ihrem Eintreffen wandten sie sich zunächst an die im Service tätige P. D. und baten mit dem Berufungswerber sprechen zu können. In weiterer Folge erklärte der Berufungswerber Ing. K. und Herrn P., nachdem sich diese vorgestellt hatten, daß er derzeit aufgrund des Mittagsgeschäftes keine Zeit habe und bat sie in einer halben Stunde wiederzukommen. Der Arbeitsinspektor Ing. K. belehrte den Berufungswerber darüber, daß es sich um eine Kontrolle handle und er einem Arbeitsinspektor keine Wartezeit abverlangen könne. Ing. K. und M. P. warteten dann im Lokal an der Schank. Ab und zu kam der Berufungswerber an der Schank vorbei und wurden zwischen dem Arbeitsinspektor Ing. K. und M. P. einerseits und dem Berufungswerber andererseits einige Worte gewechselt. Die Stimmung zum damaligen Zeitpunkt war gereizt und angespannt. Nachdem Ing. K. und M. P. etwa eine Viertelstunde gewartet hatten, verließen sie um etwa 13.25 Uhr das Lokal. Dem Berufungswerber wurde zuvor noch mitgeteilt, daß er mit einer Anzeige rechnen müsse. Auf der Terrasse und im Schankraum waren wenig Gäste. Am 4.8.1992 war die Mutter des Berufungswerbers, die sonst für die Küche verantwortlich ist, auf Urlaub. Für den Küchenbereich gab es einen Vertreter. Im Service war der Berufungswerber mit der damaligen Ferialpraktikantin P. D. tätig. Die Schwester des Berufungswerbers, die sonst auch im Service tätig ist, war damals im Krankenstand und die Hauptservicekraft hatte frei. Der festgestellte Sachverhalt stützt auf die Aussagen des Berufungswerbers sowie der Zeugen Ing. K., M. P. und P. D. Im wesentlichen decken sich die Aussagen über den Ablauf des Kontrollbesuches.

Gemäß § 3 Abs 3 ArbIG hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß bei seiner Abwesenheit vom Betrieb oder von der auswärtigen Arbeitsstelle ein dort anwesender Arbeitnehmer dem Arbeitsinspektor die Besichtigung ermöglicht und ihn auf dessen Verlangen begleitet. Ferner hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß dem Arbeitsinspektor alle Räumlichkeiten, Betriebsstätten und auswärtigen Arbeitsstellen sowie die Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel in einer Weise zugänglich sind, durch die eine wirksame Überwachung möglich ist. Gemäß § 18 Abs 1 ArbIG ist, wer Arbeitsinspektoren oder Organe des Zentral-Arbeitsinspektorates in der Ausübung ihres Dienstes behindert oder die Erfüllung ihrer Aufgaben vereitelt, wenn das Verhalten nicht nach einem anderen Gesetz einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geld bis zu S 15.000,-- zu bestrafen. Ersucht der Arbeitgeber den Arbeitsinspektor, die Geschäftsräumlichkeiten zu verlassen um zu einem anderen Zeitpunkt wieder vorzusprechen, zu dem der Arbeitgeber beruflich nicht unabkömmlich ist, und leistet der Arbeitsinspektor der Aufforderung folge, hindert die Aufforderung, den Betrieb zu verlassen, den Arbeitsinspektor an der Fortsetzung seiner Kontrolltätigkeit (VwGH 13.6.1989, 89/08/0046). Die Festlegung der Dauer und der näheren Gestaltung des Verlaufes des Aufenthaltes des Arbeitsinspektors in den einzelnen Betriebsräumen obliegt innerhalb der für die Aufgaben der Arbeitsinspektion bestehenden Grenzen dem Arbeitsinspektor selbst

(VwGH 27.9.1988, 88/08/0117). Der Arbeitgeber hat nicht das Recht dem Arbeitsinspektor eine "Wartezeit" abzuverlangen (VwGH 18.6.1990, 90/19/0180).

Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren steht zweifelsfrei fest, daß der Berufungswerber beim Eintreffen des Arbeitsinspektors und des Vertreters der Arbeiterkammer diese zunächst bat in einer halben Stunde wiederzukommen. Obwohl Ing. K. und M. P. in der Folge an der Schank warteten, stand der Berufungswerber diesen nicht zur Verfügung und behinderte dadurch den Arbeitsinspektor in der Ausübung seines Dienstes. Damit hat der Berufungswerber eindeutig gegen den Schutzzweck des § 3 Abs 3 ArbIG verstoßen.

Der Berufungswerber bringt vor, daß es sich damals zum Zeitpunkt der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor um eine Notstandssituation gehandelt habe. Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Unter Notstand kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. VwGH 13.11.1981, 81/02/0252, 27.5.1987, 87/03/0112). Als Merkmal des Notstandes hat eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen zu gelten (VwGH 19.12.1973, 319/73, 27.5.1987, 87/03/0112). Von einer deartigen Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen kann im gegenständlichen Fall nicht gesprochen werden. Der Berufungswerber bringt vor, daß durch eine Kontrolle zum damaligen Zeitpunkt die Serviceleistung stark gelitten hätte und es zur Unzufriedenheit seiner Gäste gekommen wäre. Diesbezüglich wäre zunächst auszuführen, daß der Berufungswerber selbst dafür verantwortlich ist, daß er in ausreichendem Ausmaß Personal beschäftigt um die anfallende Arbeit bewältigen zu können. Dabei hat der Berufungswerber auch einzukalkulieren, daß ihm zeitweise Arbeitnehmer - aus welchem Grund auch immer - nicht zur Verfügung stehen. Würde man der Argumentation des Berufungswerbers folgen, so könnte jede Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften dami t begründet werden. Im übrigen ist eine Notstandssituation dann nicht gegeben, wenn nur die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll (VwGH 13.6.1989, 89/08/0046). Es lag somit keine Notstandssituation vor und hat der Berufungswerber durch die Behinderung des Arbeitsinspektors die Verwaltungsübertretung nach dem ArbIG zu verantworten. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Als straferschwerend war von der belangten Behörde der Umstand herangezogen worden, daß durch die Behinderung eine Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat nicht mehr ermöglicht werden soll sowie das Verharren im strafbaren Verhalten trotz einer Belehrung. Dabei übersieht die belangte Behörde jedoch, daß es sich hiebei ja um den strafbaren Tatbestand an sich handelt und dies nicht noch zusätzlich als Erschwerungsgrund herangezogen werden kann. Daß der Beschuldigte nicht einschlägig vorbestraft ist, kann auch nicht als strafmildernd gewertet werden, da der Berufungswerber 8 rechtskräftige und noch nicht getilgte Vorstrafen nach dem Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz (KJBG) aufzuweisen hat. Der Berufungswerber brachte vor, daß im gegenständlichen Fall die Strafmilderungsgründe des § 34 Z 3, Z 7 und Z 11 StGB vorliegen würden.

Gemäß § 34 Z 3 StGB liegt ein Milderungsgrund vor, wenn der Täter die Tat aus achtenswerten Beweggründen begangen hat. Wenn der Berufungswerber vermeint, die ordnungsgemäße Bedienung der Hotelgäste würde einen derartigen achtenswerten Grund darstellen, so muß dem entgegengehalten werden, daß der Berufungswerber als Verantwortlicher eben für einen reibungslosen Organisationsablauf in seinem Unternehmen verantwortlich ist und den Dienstplan entsprechend zu erstellen hat. Wäre dies nicht gesichert, so müßte er eben kurzfristig zusätzliches Personal aufnehmen. Es liegt somit dieser Milderungsgrund nicht vor.

Gemäß § 34 Z 7 StGB liegt ein Milderungsgrund vor, wenn die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen wurde. Dem Berufungswerber ist zuzugestehen, daß er aufgrund des Umstandes, daß er mit der Pflichtpraktikantin P. D. im Service allein tätig war und aufgrund der überraschenden Kontrolle des Arbeitsinspektors zur Mittagszeit nervös und überfordert war. Alle am damaligen Vorgang Beteiligten schilderten die Situation als angespannt. Daher kann das damals unbesonnene Verhalten des Berufungswerbers als mildernd berücksichtigt werden. Gemäß § 34 Z 11 StGB liegt ein Milderungsgrund vor, wenn der Täter die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen. Diesbezüglich kann auf das bereits zur Notstandsituation Gesagte verwiesen werden.

Unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der Unbesonnenheit und der festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (Komplementär der K. KG, mtl. Privatentnahme von S 9.000,--, kein sonstiges privates Vermögen, Sorgepflichten für 1 minderjähriges Kind) erscheint eine Herabsetzung der von der belangten Behörde verhängten Geldstrafe bei einem Strafrahmen von bis zu S 15.000,-- auf nunmehr

S 7.000,-- als schuldangemessen und gerechtfertigt. Auch kann angenommen werden, daß mit der nunmehr verhängten Strafe der Berufungswerber von der Begehung gleichartiger Delikte in der Zukunft abgehalten wird. Ein weiteres Herabsetzen der Strafe war jedoch nicht möglich, da die Verhinderung einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat eine schwerwiegende Übertretung darstellt und den eigentlichen Kontrollzweck unmöglich macht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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