TE UVS Niederösterreich 1993/07/26 Senat-GF-92-116

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Veröffentlicht am 26.07.1993
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Spruch

Der Berufung wird, soweit sie sich gegen Punkt a) des angefochtenen Straferkenntnisses richtet, gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl Nr 51, (AVG)  F o l g e gegeben, der angefochtene Bescheid in diesem Punkt aufgehoben und das Strafverfahren gemäß §45 Abs1 Z3 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52, (VStG) eingestellt.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 25. Mai 1992, 3-*****-91, wurde über die Beschuldigte B O wegen Übertretung nach §366 Abs1 Z4 Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974, (GewO 1973) gemäß §366 Abs1 GewO 1973 eine Geldstrafe von S 25.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 504 Stunden) verhängt (Punkt a) des Straferkenntnisses) und ihr die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von S 2.500,-- (zu Punkt a) des Straferkenntnisses) auferlegt.

 

Im Punkt a) dieses Strafbescheides wird der Beschuldigten angelastet, "als gewerberechtlicher Geschäftsführer der **** ProduktionsgesmbH für die Produktion und Verarbeitung von Kunststoffolien in der Form eines Industriebetriebes im Standort Z, D********* Straße 57, folgende Übertretungen begangen zu haben".

Wörtlich wird sodann die ihr angelastete Tat wie folgt umschrieben:

 

"Die Betriebsanlage für die Produktion und Verarbeitung von Kunststoffolien in der Form eines Industriebetriebes im Standort Z, D********* Straße 57, wurde nach einer ohne erforderlichen gewerbebehördlichen Genehmigung durchgeführten Änderung betrieben:

Folgende Änderungen wurden durchgeführt:

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Hinzunahme eines ca 2.500 bis 3.000 m2 großen Raumes im Bereich des Hauptgebäudes zur Lagerung von Kartonagen, Verpackungsmaterial, Kunststoffgranulat, Kunststoffprodukten, Kunststoffabfällen, diversen Druckfarben und Lösungsmitteln in 200-Literfässern

-

Aufstellung einer zusätzlichen Druckmaschine, Kaschiermaschine, eines Dicktenmeßgerätes, eines Flämmers mit angeschlossener Flüssiggasflasche, einer Druckmaschine mit angeschlossener Filtereinrichtung im Bereich der Werkshalle

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Umwidmung des nördlichen Lagers in einen Produktionsbereich

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Kompressorenstation im Bereich des Kellers

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Lagerung von Lackcontainern, sowie Aufstellung einer Sammelmulde zur Sammlung von Abfällen im Bereich der Freifläche östlich der genehmigten Halle

Folgende zusätzliche Gefährdungen im Sinne des §74 Abs2 GewO 1973 begründen die Genehmigungspflicht:

-

Leben und Gesundheit von Nachbarn und Kunden

-

Eigentum von Nachbarn

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Belästigung von Nachbarn durch Geruch, Lärm

-

nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit von Gewässern

Die Anlage wurde am 26.8.1991 betrieben."

 

In der dagegen erhobenen Berufung führt die Beschuldigte an, daß sie mit Wirkung vom 18.11.1991 als gewerberechtliche Geschäftsführerin der **** ProduktionsgesmbH ausgeschieden sei und legt hiezu eine Ablichtung einer entsprechenden Verständigung der Bezirkshauptmannschaft xx, datiert vom 2. Jänner 1992, Zl 12-*-********, vor. Da außerdem mit 12.12.1991 über das Vermögen der **** ProduktionsgesmbH der Konkurs eröffnet worden sei, könne sie aus rechtlichen Gründen keine Stellungnahmen gegenüber Behörden abgeben, da dazu ausschließlich der vom Gericht eingesetzte Masseverwalter zuständig sei. Abschließend wird in der Berufung die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

Zu diesem Vorbringen hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ am 29. Juni 1993 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der Beweis erhoben worden ist durch Einvernahme des Zeugen V O.

 

Aufgrund des Akteninhaltes, des durchgeführten Beweisverfahrens und der Verantwortung der Beschuldigten steht zunächst fest, daß die Berufungswerberin trotz Konkurseröffnung über das Vermögen der Firma **** ProduktionsgesmbH mit Konkursedikt des Handelsgerichtes Wien vom 12.12.1991, 4 S ***/91-1, und trotz schriftlicher Mitteilung an die Firma **** ProduktionsgesmbH bzw an die Bezirkshauptmannschaft xx vom 13. November 1991, die Funktion als gewerberechtliche Geschäftsführerin niederzulegen, zur Tatzeit (26. August 1991) als gewerberechtliche Geschäftsführerin der **** ProduktionsgesmbH für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich gewesen ist. Erst im September 1991 ist sie als gewerberechtliche Geschäftsführerin aus dieser Gesellschaft ausgeschieden (Zeitpunkt der tatsächlichen Zurücklegung dieser Funktion).

 

Zu dieser Bewertung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Berufungswerberin gelangte der Unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der unbedenklichen Aussage des Zeugen V O in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Dabei hat der Zeuge präzise die Geschehnisse seit der Produktionsaufnahme durch die **** ProduktionsgesmbH in Z bis hin zu den Umständen, die letztlich zur Konkurseröffnung geführt haben, aus seiner Sicht (Konsulent der **** ProduktionsgesmbH und ab September 1990 handelsrechtlicher Geschäftsführer) geschildert.

 

Abgesehen von diesen Erwägungen ist in rechtlicher Hinsicht noch folgendes zu bemerken:

 

Nach §366 Abs1 Z4 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§81). Im §81 GewO 1973 lautet der erste Satz: "Wenn es zur Wahrung der im §74 Abs2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen."

 

Unter dem Begriff "Änderung" im Sinne des §81 GewO 1973 ist jede durch die bereits erteilte Genehmigung nicht gedeckte Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zu verstehen, durch die einer der in dieser Bestimmung angeführten Umstände eintritt, wobei die Genehmigungspflicht hinsichtlich der Änderung einer Betriebsanlage schon von der bloßen Möglichkeit neuerer oder größerer Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiliger Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 GewO 1973 abhängt.

 

Bei der Anwendung des §366 Abs1 Z4 iVm §81 GewO 1973 hat die Behörde die Frage zu beurteilen, ob es sich um eine solche Änderung handelt, daß sich neue oder größere Auswirkungen im Sinne dieser Regelung ergeben können (vgl VwGH vom 27.3.1981, Zl 04/1236/80 und vom 17.2.1987, 85/04/0191).

 

Nach der Bestimmung des §44a Z1 VStG ist im Spruch des Straferkenntnisses einem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen; außerdem muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Tatbestandselement der Verwaltungsübertretung des §366 Abs1 Z4 GewO 1973 ist das Ändern einer genehmigten Betriebsanlage oder das Betreiben nach erfolgter Änderung ohne die erforderliche Genehmigung. Daraus ergibt sich, daß für eine Änderung einer Betriebsanlage nur dann eine eigene Genehmigungspflicht entstehen kann, wenn die Betriebsanlage selbst bereits gewerberechtlich genehmigt ist.

 

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Spruchteil a) des angefochtenen Straferkenntnisses nicht, daß die Betriebsanlage in Z, D********* Straße 57, gewerberechtlich genehmigt worden ist und die weiter in diesem Spruchteil angeführten Maßnahmen als Änderungen im Sinne des §81 GewO 1973 anzusehen sind. Weder ist im Spruch eine wörtliche Anführung dergestalt, daß die gegenständliche Anlage eine "gewerberechtlich genehmigte Betriebsanlage" sei, enthalten noch ist ein gewerberechtlicher Betriebsanlagengenehmigungsbescheid für diese Anlage angeführt. Nach dem Wortlaut des Spruches des Straferkenntnisses können somit die näher beschriebenen "Änderungen" nicht einer bereits vor Vornahme dieser Änderungen erteilten gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung gegenübergestellt werden.

 

Abgesehen davon ist nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage und deren Betrieb nach erfolgter Änderung genehmigungspflichtig (vgl auch §81 Abs2 GewO 1973).

 

Entgegen der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat es die Bezirkshauptmannschaft xx unterlassen, im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses darzulegen, aufgrund welcher Umstände die dargestellten Änderungen der Betriebsanlage (ob es sich um eine genehmigte Betriebsanlage handelt, geht - wie gezeigt - aus dem Spruch nicht hervor) und deren Betrieb nach erfolgter Änderung genehmigungspflichtig sei und hat somit die der Berufungswerberin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht ordnungsgemäß konkretisiert (VwGH vom 19.6.1990, 90/04/0002). Im gegenständlichen Fall wird nämlich nur in abstrakter Weise und ohne Hinweis, auf welche der angeführten Änderungen der Betriebsanlage sich die aufgelisteten zusätzlichen Gefährdungen beziehen, auszudrücken versucht, daß eine Genehmigungspflicht im Sinne des §81 Abs1 GewO 1973 besteht. Durch die Formulierung von "zusätzlichen Gefährdungen im Sinne des §74 Abs2 GewO 1973" in der Form, daß schlagwortartig die im §74 Abs2 GewO 1973 enthaltenen verba legalia aufgelistet werden, ohne daß dargetan wird, welcher der angeführten Änderungen der Betriebsanlage, welche dieser zusätzlichen Gefährdungen zuzuordnen sind, wird es der Beschuldigten entgegen dem Gebot des §44a Z1 VStG geradezu unmöglich gemacht, auf einen konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen. So ist beispielsweise nicht ersichtlich, weshalb die Aufstellung eines Dicktenmeßgerätes oder einer Druckmaschine mit angeschlossener Filtereinrichtung im Bereich der Werkshalle als genehmigungspflichtige Änderungen gesehen werden bzw welche "zusätzlichen Gefährdungen" diesen konkret genannten Änderungen von der Behörde erster Instanz zugeordnet worden sind.

 

Da diese dargestellten Mängel auch den im erstinstanzlichen Verfahren ergangenen Verfolgungshandlungen anhaften, ist im Gegenstand Verfolgungsverjährung eingetreten, sodaß der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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