Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Steiner über die Berufung des Herrn E D, vertreten durch Dr. W A, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 18.8.1992, GZ.: III/St 33.374/91, wie folgt entschieden:
Zu Punkt 1.):
Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) mit der Maßgabe abgewiesen, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert wird, daß die Übertretungsnorm "§ 20 Abs 2 StVO" lautet.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 340,--, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Zu Punkt 3.):
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem im Spruch näher bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, am 12.11.1991 um 21.55 Uhr auf der Triesterstraße bei Str.km 61,4 bis 61,7 im Ortsgebiet von F, als Lenker des Pkw G-71 YYA nachstehendes vorschriftswidriges Verhalten gesetzt zu haben:
1.) § 20 Abs 1 i.V.m. § 52a Z 10a StVO dadurch übertreten zu haben, daß er die durch Straßenverkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 40 km/h überschritten habe.
2.) einen Verstoß gegen § 102 Abs 5b KFG dadurch begangen zu haben, daß er keinen Zulassungsschein mitführte und
3.) Übertretung des § 58 Abs 1 StVO; er habe sein Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl er sich infolge eines Erregungszustandes nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden habe, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken von Fahrzeugen zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermocht habe.
Über ihn wurden folgende Strafen verhängt:
1.)
S 1.700,--, im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzarrest
2.)
S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall 1 Tag Ersatzarrest und 3.) S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzarrest. Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung, in welcher der Berufungswerber die ihm zu Punkt 1.) und 3.) angelasteten Verwaltungsübertretungen bestreitet, mit der wesentlichen Begründung, die Schätzung betreffend der Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 km/h habe vom einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht, wie von der belangten Behörde festgestellt, im Herannahen, sowie im Vorbeifahren und im Nachsehen vorgenommen werden können. Unbestrittenermaßen sei der Berufungswerber nämlich vom einschreitenden Beamten aufgehalten worden und sei demnach davon auszugehen, daß er zu jenem Zeitpunkt, als er auf Höhe des Beamten war, bereits seine Geschwindigkeit reduziert habe. Eine Beobachtung hinsichtlich einer Geschwindigkeitsüberschreitung habe daher bestenfalls in der Annäherung gemacht werden können. Das vom Beamten festgestellte kurze "Nicken der Scheinwerfer" sei nicht auf eine überhöhte Geschwindigkeit, sondern bei der unebenen Fahrbahnbeschaffenheit der Beobachtungsstrecke durch die harte Federung, welche bei den Fahrzeugen der Bautype BMW gegeben sei, zurückzuführen. Eine Beobachtung eines Fahrzeuges in der Annäherung, noch dazu auf große Entfernung, sei im übrigen in der Dunkelheit extrem schwierig. Bei der mündlichen Beanstandung durch das einschreitende Organ sei dem Berufungswerber auch nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h vorgeworfen worden.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere des Beweisergebnisses der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 3.8.1993, kann folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen werden:
Was die dem Berufungswerber zu Punkt 1.) des angefochtenen Bescheides angelastete Geschwindigkeitsübertretung betrifft, war von der in den entscheidungswesentlichen Fragen glaubwürdigen Darstellung des Meldungslegers Inspektor H, welcher unter Wahrheitspflicht als Zeuge vernommen wurde, auszugehen. Der Zeuge Inspektor H hat aufgrund seiner dienstlichen Wahrnehmung die Anzeige über den gegenständlichen Vorfall erstattet. Im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme gab der Meldungsleger in Übereinstimmung mit der Anzeige an, die dem Berufungswerber angelastete Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 40 km/h geschätzt zu haben. Er habe den Pkw des Berufungswerbers in der Annäherung auf einer Wegstrecke von 300 Meter, im Vorbeifahren, sowie bis zu dessen Stillstand ca. 20 bis 30 Meter nach seinem Standort beobachten können, wobei er die Schätzung aufgrund der beobachteten Annäherungs-geschwindigkeit vorgenommen habe, zumal der Berufungswerber sein Fahrzeug aufgrund der Anhaltung im Vorbeifahren am Standort des Zeugen abbremste. Er habe seine Geschwindigkeitsschätzung insbesondere darauf gestützt, daß er sich an der Geschwindigkeit der nach dem Fahrzeug des Berufungswerbers folgenden Kraftfahrzeuge orientierte, welche er aufgrund einer Beobachtung auf einer Wegstrecke von 300 Meter in der Annäherung, beim Vorbeifahren und im Nachsehen auf ca. 200 Meter, mit ca. 60 bis 70 km/h schätzte. Im Zuge dieser Beobachtung habe er festgestellt, daß sich der Abstand zwischen dem Fahrzeug des Berufungswerbers und den nachfolgenden Fahrzeugen im Zuge der Annäherung vergrößerte, wobei er über Befragen des Vertreters des Berufungswerbers erklärte, seine diesbezüglichen Angaben in der Anzeige "von ca. 10 Meter auf ca. 100 Meter" seien so zu verstehen, daß sich der Abstand des Fahrzeuges des Berufungswerbers zu den nachfolgenden Fahrzeugen auf einer Fahrtstrecke von 100 Meter um ca. 10 Meter vergrößert habe. Zum Vorhalt der Geschwindigkeitsbeschränkung, welchen er dem Berufungswerber am Tatort gemacht habe, führte der Zeuge aus, er könne sich zwar nicht mehr genau erinnern, glaube aber nicht, daß er diese mit 30 km/h angegeben habe, da er diesfalls auch in seine Anzeige nicht "90 km/h" sondern "80 km/h" hineingeschrieben hätte.
Bei den geschätzten Geschwindigkeiten habe er sich vor allem von optischen Komponenten leiten lassen, Geräusche hätten dabei eine untergeordnete Rolle gespielt, er glaube sich nur daran zu erinnern, daß der Motor am Fahrzeug des Berufungswerbers leise gewesen sei, was auf einen eingelegten vierten oder fünften Gang schließen ließe.
Zur Tatzeit, es war dies im November um ca. 22.00 Uhr, habe bereits Dunkelheit geherrscht. Die Fahrbahn sei jedoch durch Straßenbeleuchtung ausgeleuchtet gewesen und habe er seinen Standort so gewählt, daß er unter einer Straßenlaterne gestanden sei. An der beobachteten Fahrtstrecke von 300 Meter im Herannahen befinden sich nach den Ausführungen des Zeugen in Abständen von ca. 50 bis 70 Meter Straßenlaternen, sodaß diese Strecke zwar unterschiedlich ausgeleuchtet war, jedenfalls aber so stark, daß man auch an jenen Stellen, wo der Lichteinfall nicht mehr so stark war, ein Fahrzeug als solches erkennen konnte. Am Fahrzeug des Berufungswerbers sei Abblendlicht eingeschaltet gewesen. Bei dem Abstand der Fahrzeuge zueinander habe man noch die Scheinwerfer dieser Fahrzeuge sehen können. Diese glaubwürdigen und detaillierten Ausführungen des Zeugen Inspektor H konnten der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. In rechtlicher Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ist davon auszugehen, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, Organen der Sicherheitswache grundsätzlich ein Urteil darüber zuzubilligen ist, ob ein Kraftfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit in erheblichem Maße überschreitet. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 40 km/h, d. h., annähernd um 100% - wie im vorliegenden Fall - kann jedenfalls als erheblich im Sinne der höchstgerichtlichen Spruchpraxis angesehen werden. Dem Meldungsleger konnte ein im Schätzungswege gewonnenes Urteil über diese erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung auch des herannahenden Fahrzeuges des Berufungswerbers zugebilligt werden, zumal er die Annäherung bereits auf 300 Meter Entfernung ungehindert beobachten konnte und - abgesehen davon, daß er bereits längere Zeit vorher von diesem Standort aus, Fahrzeuge in Bezug auf die Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit kontrollierte - die nachfahrenden Fahrzeuge bzw. die von ihnen eingehaltenen Geschwindigkeiten als Vergleichsbasis heranziehen konnte.
Da dem Berufungswerber ein entsprechender Gegenbeweis nicht gelungen ist, konnte daher von den glaubwürdigen Angaben des Sicherheitswacheorganes ausgehend, die dem Berufungswerber angelastete Tat als erwiesen angenommen werden und ist somit auch von ihm zu verantworten.
Bei der Bemessung der Strafe ist davon auszugehen, daß gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO mit einer Geldstrafe bis zu
S 10.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen ist, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 2 oder 4 zu bestrafen ist. Grundlage für die Strafbemessung ist gemäß § 19 Abs 1 VStG stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Die Bestimmung des § 20 Abs 2 StVO, wonach im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h gefahren werden darf, dient in Hinblick auf die in verbauten Gebieten gegebenen besonderen Verkehrsverhältnisse - Fußgängerverkehr, dichter Fahrzeugverkehr, Ein- und Ausfahrten, Kreuzungen etc - im besonderen Maß der Verkehrssicherheit.
Dieser Schutzzweck ist durch die Überschreitung der im Ortsgebiet höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h um 40 km/h vom Berufungswerber erwiesenermaßen verletzt worden. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung wurde von der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung bereits vorgenommen.
Zur persönlichen Situation, welche entsprechend § 19 Abs 2 letzter Satz leg. cit. ebenfalls zu berücksichtigen ist, kann festgestellt werden, daß der Berufungswerber seinen eigenen Angaben zufolge, ein Einkommen von S 15.000,-- monatlich netto bezieht, eine Eigentumswohnung besitzt, für welche er an monatlichen Rückzahlungsraten S 5.900,-- bezahlt und ihn keine Sorgepflichten treffen. Die von der belangten Behörde verhängte Strafe erscheint auch diesbezüglich angemessen. Unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat, sowie der angeführten objektiven und subjektiven für die Strafbemessung entscheidenden Kriterien wird die verhängte Strafe, wie sie von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochen worden ist, als gerechtfertigt angesehen, zumal sich diese bei einem Strafrahmen bis zu S 10.000,-- ohnehin nur in der unteren Hälfte dieses Strafbereiches bewegt.
Zu Punkt 2.) des angefochtenen Bescheides ist die erkennende Behörde zu dem Schluß gekommen, daß nicht nachgewiesen werden kann, daß der Berufungswerber in einer entsprechenden körperlichen und geistigen Verfassung sein Fahrzeug gelenkt habe, in welcher er nicht dazu in der Lage gewesen sei. Der als Zeuge vernommene Meldungsleger Inspektor H gab vielmehr dazu an, daß er nachträglich betrachtet, den Erregungszustand des Berufungswerbers eher so deuten würde, daß dieser beim Berufungswerber allenfalls durch die gegenständliche Beanstandung im Zuge der Amtshandlung aufgetreten ist bzw. durch diese hervorgerufen wurde. Anhaltspunkte dafür, daß ein derartiger Zustand beim Berufungswerber bereits beim Lenken seines Fahrzeuges bestanden haben könnte, welche mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließe, daß der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen hat, gibt es jedenfalls nicht.
Daher war in diesem Punkt zumindest im Zweifel, wie im Spruch ersichtlich, im Sinne einer Einstellung des diesbezüglichen Strafverfahrens zu entscheiden.