TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/27 99/20/0570

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Veröffentlicht am 27.09.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §58 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des A in W, geboren am 22. Juni 1963, vertreten durch Dr. Armin Dallmann, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. September 1999, Zl. 206.992/0-VIII/22/98, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, beantragte am 15. November 1995 Asyl und gab in einer am selben Tag mit ihm aufgenommenen Niederschrift vor dem Bundesasylamt an, er habe seine Wohnung in Teheran am 1. November 1995 verlassen und sei am 14. November 1995 in einem Lastwagen versteckt in Österreich eingereist.

Bei der Einvernahme zu seinen Fluchtgründen am 20. November 1995 gab der Beschwerdeführer an, er sei im Iran seit dem 21. Februar 1995 für die monarchistische Organisation "Iran Pad" (gemeint: Iran Paad) tätig gewesen und habe Schriften dieser Organisation "per Post oder persönlich verteilt". Am 31. Oktober 1995, dem Geburtstag von "Schah Reza II", habe er an der Verteilung von Flugschriften auf der Straße teilgenommen. Am nächsten Tag habe er erfahren, dass nach ihm gesucht werde, woraufhin er sich zur Flucht entschlossen habe.

In seiner Berufung gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. Dezember 1995 wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Ansicht, seine Ausführungen über die Umstände, die ihn zur Flucht veranlasst hätten, seien nicht nachvollziehbar.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. April 1996 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über seine Beschwerde gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Februar 1997 - mit dem Hinweis, es handle sich um die selbe Organisation, die sich in England "P.A.D." nenne - eine Bestätigung der "iranischen Oppositionspartei Iran N.I.D." vom 23. Oktober 1996 vor, wonach er "aktives Mitglied des N.I.D. e.V."

("Negahbanane Iran Djawid", "Wächter des ewigen Iran") sei. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1998 wurde die Beschwerde gemäß § 44 Abs. 3 AsylG zurückgewiesen.

Im nunmehr vor der belangten Behörde fortgesetzten Berufungsverfahren machte das Bundesasylamt mit Schreiben vom 11. März 1999 geltend, der Beschwerdeführer sei am 7. Februar 1995 zum Besuch seiner hier lebenden Schwester mit einem am Tag der Einreise ablaufenden Touristensichtvermerk in Österreich eingereist, was er bisher verschwiegen habe, und es bestehe der Verdacht, dass er danach nicht mehr ausgereist sei.

Der Beschwerdeführer führte dazu in einer Stellungnahme vom 14. April 1999 aus, er habe sich im Jänner 1995 in Österreich aufgehalten und sei Anfang Februar 1995 wieder ausgereist. Seine ursprüngliche Vermutung, dass er am 1. November 1995 ausschließlich wegen der Ereignisse des Vortages gesucht worden sei, hätte sich "vor etwa einem Jahr" als unrichtig erwiesen. Der Beschwerdeführer verfüge seit wenigen Tagen über Dokumentenkopien, aus denen hervorgehe, dass das Islamische Revolutionsgericht in Teheran am 24.8.1374 (entspricht nach der Übersetzung im Akt dem 15. November 1995) eine Vorladung an ihn gerichtet habe. Da diese Ladung den Beschwerdeführer nicht erreicht und er ihr "deshalb" auch keine Folge geleistet habe, dürften ihn die Beamten dann an seiner Arbeitsstätte gesucht haben, wobei der Vorfall vom 31. Oktober 1995 "aber auch eine Rolle gespielt haben" könnte. Jedenfalls sei der Beschwerdeführer mit Datum 4.6.1375 (entspricht nach der Übersetzung dem 26. August 1996) "aus dem politischen Tatbestand" zu zwölf Jahren Haft und 60 Peitschenhieben verurteilt worden. Mit Datum 25.6.1375 (entspricht nach der Übersetzung dem 16. September 1996) sei dann "ein neuerlicher Haftbefehl" gegen ihn erlassen worden.

Die belangte Behörde gab am 19. April 1999 eine Übersetzung der drei in Kopie vorgelegten Urkunden in Auftrag und forderte die Übersetzerin auf, es möge auch "darauf geachtet werden, ob irgend welche (formalen oder inhaltlichen) Merkmale dieser Urkunden auffallen, die dagegen sprechen, dass diese Urkunden echt sind".

Nach den am 5. Mai 1999 bei der belangten Behörde eingelangten Übersetzungen handelte es sich bei den Urkunden erstens um eine wegen Abwesenheit des Beschuldigten am 15. November 1995 zurückgestellte Vorladung der Staatsanwaltschaft der Islamischen Revolution Teheran vom 13. November 1995 für den 21. November 1995 zum Zweck der "Erstattung einiger Erklärungen und Erläuterungen", zweitens um ein Urteil vom 26. August 1996, wonach eine näher genannte Abteilung des Gerichtes der Islamischen Revolution Teheran den Beschwerdeführer wegen der "Mitgliedschaft des Angeklagten bei einer ungesetzlichen und gegen die Revolution gerichteten Vereinigung (Netz) der Monarchisten" sowie "Aktivitäten zum Sturz der heiligen Führung der Islamischen Republik Iran" in Abwesenheit zu zwölf Jahren Gefängnis und 60 Peitschenhieben verurteilt habe, und drittens um die von einer "Vollstreckungsabteilung" an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung vom 16. September 1996, sich "innerhalb einer Woche ab Ausstellungsdatum dieser Ladung zur weiteren Klärung und Vollstreckung des Urteils" bei der Staatsanwaltschaft zu stellen, widrigenfalls "gesetzliche Schritte" unternommen würden.

In ihrem Begleitschreiben vom 4. Mai 1999 führte die Übersetzerin im Wesentlichen aus, in der Vorladung zur Staatsanwaltschaft und im Urteil vom 26. August 1996 seien die Eintragungen und Embleme - gemessen am üblichen Erscheinungsbild - in näher bezeichneter Weise unvollständig. Im Urteil würden auch unübliche Formulierungen gebraucht und die Übersetzerin habe derartige Schriftstücke bisher nur in Handschrift geschrieben gesehen. Hinsichtlich des Schriftstücks vom 16. September 1996 erscheine es "absolut unwahrscheinlich, dass jemand, der am 26. August 1996 zu zwölf Jahren Gefängnis und 60 Peitschenhieben verurteilt wurde, dann schlicht aufgefordert wird, sich bei der Staatsanwaltschaft der Islamischen Republik zur Vollstreckung des Urteils zu stellen".

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 22. Juni 1999 gab der Beschwerdeführer - dem die Übersetzungen und die Bemerkungen der Übersetzerin mit Schreiben vom 27. Mai 1999 übermittelt worden waren - nach Übersetzung der erwähnten Bemerkungen und einer dazu eingelangten Stellungnahme des Bundesasylamtes an, dass er die Urkunden nicht bei sich habe und daher keine Stellungnahme dazu abgeben könne. Bei seiner weiteren Einvernahme führte er, nach anfänglichem Schwanken, ob er im Jänner 1994 oder im Jänner 1995 das erste Mal in Österreich gewesen sei, aus, er sei sich nun sicher, dass er im Jänner 1994 auf Grund der Verpflichtungserklärung seiner Schwester nach Österreich gekommen sei, wo er sich aber nur einen Monat lang aufgehalten habe. Das ihm vorgehaltene Datum seiner ersten Einreise am 7. Februar 1995 sei das Datum seiner zweiten Einreise nach Österreich, bei der er in einem Sattelschlepper versteckt gewesen sei. Nach der zweiten Einreise sei er in Österreich geblieben. Wenn er zu Beginn des Asylverfahrens angegeben habe, erst am 14. November 1995 und nicht schon am 7. Februar 1995 nach Österreich eingereist zu sein, so seien seine damaligen Angaben richtig. Nach nunmehr vier Jahren könne er sich an das genaue Datum nicht mehr so gut erinnern. Im Iran habe er sich nach seiner Rückkehr von seinem ersten Aufenthalt in Österreich für zwei monarchistische Gruppierungen, nämlich Iran-Paad und Negahbanane Djawid, engagiert. Beide Gruppen seien monarchistisch, verfolgten im Einzelnen aber verschiedene Ziele. Der Beschwerdeführer wurde hiezu, zu seinen Aktivitäten für die erwähnten Gruppierungen im Iran und zu den Umständen, die schließlich zu seiner Flucht geführt hätten, näher befragt und gab abschließend an, dass er in Österreich die Versammlungen der genannten Vereinigungen besuche, "derzeit" aber "mehr mit Iran-Paad zusammen" sei. Die "Mitgliedsausweise" hinsichtlich beider Organisationen seien im Verwaltungsgerichtshofverfahren vorgelegt worden und könnten nochmals vorgelegt werden. Der Beschwerdeführer habe seinem Rechtsanwalt diese beiden Ausweise und als dritte Urkunde ein Schreiben "des Büros von Reza II" übergeben. Die Dokumente über das Gerichtsverfahren im Iran seien echt.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1999 ersuchte die belangte Behörde die österreichische Botschaft in Teheran, die Urkunden über das Gerichtsverfahren gegen den Beschwerdeführer unter Wahrung seiner Anonymität auf ihre Echtheit zu überprüfen und mitzuteilen, ob die vom Beschwerdeführer genannten Organisationen im Iran im Jahre 1995 überhaupt politische Aktivitäten entfaltet hätten.

Am 6. Juli 1999 legte der Beschwerdeführer in Kopie die Bestätigung vom 23. Oktober 1996 über seine aufrechte Mitgliedschaft im "N.I.D. e.V." sowie eine bis zum 23. Oktober 1997 gültige Mitgliedskarte dieser Organisation und eine am 19. September 1996 in Virginia, USA, ausgestellte Bestätigung des "Secretariat of Reza Shah II" vor, wonach das Sekretariat Informationen erhalten habe, denen zufolge der Beschwerdeführer ein politischer Aktivist für die Sache des befreiten und demokratischen Iran gewesen sei. Einen Mitgliedsausweis oder ein sonstiges Schriftstück von "Iran Paad" legte der Beschwerdeführer nicht vor.

Mit Schreiben vom 5. August 1999 gab die österreichische Botschaft Teheran folgende Stellungnahme zu den Urkunden über das Gerichtsverfahren des Beschwerdeführers ab:

"Die Unterlagen sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit echt. Das Wappen des Revolutionsgerichtes ist korrekt abgebildet. Die Dokumente entsprechen formal und inhaltlich den Vorschriften und der Gerichtspraxis. Die Aktenzahl existiert tatsächlich."

Mit Schreiben vom 13. August 1999 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer und dem Bundesasylamt diese Stellungnahme und ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1998 zur Verfolgungsgefahr für Angehörige monarchistischer Organisationen im Iran vor.

Der Beschwerdeführer machte in einer Stellungnahme vom 20. August 1999 geltend, Stellungnahmen deutscher Organisationen oder auch deutsche Urteile sollten in österreichischen Verfahren "nicht bzw. nur mit äußerster Umsicht Verwendung finden" und das ihm übermittelte Urteil treffe auf seinen Fall nicht zu, weil gegen ihn wegen seiner im Iran entfalteten Tätigkeit für "Iran Paad" bereits ein "leider echtes" Urteil vorliege.

Das Bundesasylamt führte in einer Stellungnahme vom 25. August 1999 aus, es bestünden weiterhin Zweifel an der Authentizität der Dokumente über das Gerichtsverfahren und aus dem deutschen Urteil ergebe sich, dass die Mitgliedschaft in einer monarchistisch ausgerichteten Organisation im Ausland und ähnliche Exilaktivitäten, obwohl nach den iranischen Strafbestimmungen verboten, "nicht in jedem Fall" zu einer Verfolgung im Iran führen würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Sie stellte fest, der Beschwerdeführer sei Staatsbürger des Iran und Mitglied der monarchistischen Organisation "Wächter des ewigen Iran". Das Datum seiner "Einreise(n)" nach Österreich lasse sich "nicht mit Eindeutigkeit feststellen". Über den "Umfang der politischen Aktivitäten des Asylwerbers in seinem Heimatland und allenfalls auch in Österreich" ließen sich "keine genauen Feststellungen" treffen. Die belangte Behörde hege "erhebliche Zweifel an der Echtheit" der Urkunden über das Gerichtsverfahren im Iran und folge gegenüber der nicht weiter begründeten Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Teheran den begründeten Ausführungen der von der belangten Behörde ständig beigezogenen "und mit einem hohen Wissen über den Iran ausgestatteten Dolmetscherin ..., die bereits eine Unzahl iranischer Urkunden übersetzt hat und daher ein präzises Wissen über die formalen und inhaltlichen Merkmale derartiger Urkunden (insbesondere Gerichtsurkunden) besitzt". Die Dolmetscherin sei zwar "nicht formell" als nichtamtliche Sachverständige bestellt worden, auf Grund ihres großen Wissens und der für die belangte Behörde "überzeugend klingenden begründeten Darlegungen (in der Art eines Sachverständigengutachtens)" komme ihr aber "inhaltlich ... diese Qualifikation zu", wobei auch auf den Grundsatz der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel (§ 46 AVG) zu verweisen sei. Die vorgelegten Bestätigungen der Organisation "Wächter des ewigen Iran" sowie des Sekretariats von Reza II in Virginia, USA, seien wenig aussagekräftig. Aus dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes, das auf sehr umfangreichen und detaillierten Sachverhaltsermittlungen beruhe, ergebe sich, dass die Mitgliedschaft bei einer monarchistischen Organisation im Ausland, obwohl nach den iranischen Strafbestimmungen verboten, nicht "in jedem Fall" zu einer Verfolgung führe. Dies werde nachvollziehbar damit begründet, dass die Monarchie im Iran keine Gefolgschaft habe und monarchistischen Gruppierungen daher "nur ein äußerst geringes Bedrohungspotential zugemessen" werde. Die Angaben des Beschwerdeführers selbst über seine Einreisen nach Österreich und seine politischen Aktivitäten im Iran und in Österreich seien aus näher dargestellten Gründen nicht glaubwürdig. In rechtlicher Hinsicht habe der Beschwerdeführer daher das Erfordernis, die ihm im Iran wegen seiner behaupteten politischen Tätigkeit drohende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, nicht erfüllt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat über "Iran Paad", die "Wächter des ewigen Iran" (N.I.D.) und die behauptete Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu der zuerst genannten Organisation, für die er schon seinem ursprünglichen Vorbringen nach im Iran tätig gewesen sein wollte, keine Feststellungen getroffen und im angefochtenen Bescheid auch nicht zum Ausdruck gebracht, ob sie davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer den "Wächtern des ewigen Iran" erst mit dem Datum der Ausstellung des Schreibens vom 23. Oktober 1996 (ein Jahr vor Ablauf des vorgelegten Mitgliedsausweises) beigetreten sei. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist aber insgesamt (vor allem im Hinblick auf Seite 25 des angefochtenen Bescheides) zu entnehmen, dass die belangte Behörde mehr als den urkundlich belegten Umstand der (bloßen) Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in der zuletzt genannten Organisation nicht als glaubhaft gemacht erachtete, wenngleich dies in der Formulierung, über den "Umfang" seiner politischen Aktivität ließen sich keine "genauen" Feststellungen treffen, nicht mit der wünschenswerten Klarheit zum Ausdruck kommt. Davon ausgehend hat die belangte Behörde vor allem die schon erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers im Iran ihrer Entscheidung nicht als glaubhaft zugrunde gelegt und die Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr in den Iran nur unter dem Gesichtspunkt seiner (bloßen) Zugehörigkeit zu den "Wächtern des ewigen Iran" beurteilt.

Den Ausführungen zu dem zuletzt genannten Thema hält die Beschwerde - abgesehen von der Berufung auf die behauptete Verurteilung des Beschwerdeführers - mit Recht entgegen, dass nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde schon die von ihr angenommene (bloße) Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei den "Wächtern des ewigen Iran" im Iran strafbar sei. Vor dem Hintergrund dieser Annahme der belangten Behörde braucht nicht geprüft zu werden, ob dem angefochtenen Bescheid und den darin zitierten Materialien schlüssig zu entnehmen ist, dass iranische Strafverfolgungsbehörden von der Ahndung eines nach den Gesetzen des Iran strafbaren oppositionellen Verhaltens Abstand nehmen können, wenn ihnen das "Bedrohungspotential" als zu gering erscheint. Dass die Beurteilung der Gefahr einer allfälligen auf seiner Mitgliedschaft zu den "Wächtern des ewigen Iran" beruhenden Verfolgung des Beschwerdeführers durch den iranischen Staat nicht auf einer ausreichenden Ermittlung des Sachverhaltes beruht, ergibt sich schon daraus, dass die belangte Behörde nur festgestellt hat, die Mitgliedschaft bei dieser Organisation führe nicht "in jedem Fall" zur Verfolgung (Seite 19 des angefochtenen Bescheides). Mit dieser Feststellung wird die auch nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid rechtlich entscheidende Frage, ob es sich nur um eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung handle oder eine Verfolgung zwar nicht "in jedem Fall", aber doch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, im Ergebnis offen gelassen. Sollte die belangte Behörde dabei gemeint haben, dass die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden würde oder dass es sich bei der erwähnten Organisation um eine solche handle, die gefälligkeitshalber oder gegen Geld Bestätigungen und Mitgliedsausweise ausstelle, sodass der Beitritt des Beschwerdeführers von den iranischen Behörden als bloße Maßnahme zur Erlangung eines Aufenthaltstitels verstanden und deshalb nicht zum Anlass für Verfolgungshandlungen genommen werden würde, so hätte sie dies im angefochtenen Bescheid mit entsprechender Begründung zum Ausdruck bringen müssen.

In Bezug auf die vorrangigen Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Aktivitäten im Iran und die deshalb schon vorliegende Verurteilung findet der angefochtene Bescheid in den - für sich genommen nicht unschlüssigen - Ausführungen der belangten Behörde über die persönliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers keine ausreichende Grundlage, wenn nicht zugleich auch davon ausgegangen wird, dass es sich bei den drei in Kopie vorgelegten Urkunden um Fälschungen handle. In dieser Hinsicht ist zunächst anzumerken, dass in der Bescheidbegründung tatsächlich - wie in der Beschwerde gerügt wird - die Urkunden insoweit verwechselt werden, als die Übersetzerin nicht in Bezug auf die "Verstreckungsanordnung" (gemeint: Vollstreckungsanordnung) vom 16. September 1996, sondern in Bezug auf die Vorladung zur Staatsanwaltschaft (vom 13. November 1995) auf das Fehlen von vier ihrer Ansicht nach üblichen Merkmalen hingewiesen hat. Die Meinung der Übersetzerin, eine Aufforderung zum (freiwilligen) Strafantritt sei "absolut unwahrscheinlich", ist eine Schlussfolgerung ohne Offenlegung des dafür erforderlichen Tatsachenwissens über die üblichen Vorgangsweisen in solchen Fällen (im Besonderen bei Verurteilungen in Abwesenheit) und nicht, wie es im angefochtenen Bescheid heißt, "derart überzeugend, dass sie keines weiteren Kommentars bedarf". Die belangte Behörde hätte sich diesbezüglich, aber auch hinsichtlich der von der Übersetzerin wahrgenommenen formellen Mängel der Urkunden angesichts der gegenteiligen, wenngleich nicht näher begründeten Expertise der österreichischen Botschaft, deren Einholung der belangten Behörde nach der mündlichen Berufungsverhandlung noch als erforderlich erschien, durch ergänzende Ermittlungen eine ausreichende Grundlage für schlüssige Ausführungen zur Frage der Echtheit der Urkunden schaffen müssen. In dieser Hinsicht ist auf Grund des Umstandes, dass die Ausführungen der Übersetzerin entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügen und die Übersetzerin - abgesehen von ihrer nicht näher begründeten Einschätzung gerade derjenigen Urkunde, an der sie keine formellen Mängel feststellte - in ihrem Schreiben vom 4. Mai 1999 auch gar nicht die Schlussfolgerung gezogen hat, dass die Urkunden gefälscht seien, auf das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 98/20/0543, zum allfälligen Erfordernis der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verweisen. Im vorliegenden Fall hätte sich zunächst die Einholung einer detaillierteren Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Teheran angeboten (vgl. zur damit in der Regel verbundenen Befassung eines Vertrauensanwaltes das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0470, m.w.N.). Dass die belangte Behörde selbst über die erforderliche Sachkenntnis verfügte, um auf Grund des Schreibens der Übersetzerin den Schluss ziehen zu können, die Urkunden seien nicht echt, ist den Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht entnehmbar.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 27. September 2001

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999200570.X00

Im RIS seit

29.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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