TE UVS Niederösterreich 1993/08/10 Senat-PL-92-088

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Veröffentlicht am 10.08.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl Nr 51, dahingehend Folge gegeben, als die zu den Punkten 1) bis 3) verhängten Geldstrafen von jeweils S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 4 Tage) auf 1) und 3) je S 1.000,-- (Ersatzfeiheitsstrafe je 1 Tag) und 2) S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) herabgesetzt werden.

 

Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird in seinem Punkt 2) noch dahingehend verbessert, als der Satz "Auch konnte ihr körperlicher und geistiger Zustand durch Organe der Straßenaufsicht nicht festgestellt werden." ersatzlos gestrichen wird.

 

Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 des Verwaltungsstrafverfahrens 1991 - VStG, BGBl Nr 52, statt S 1.200,-- als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens der Bezirkshauptmannschaft zu den Bescheidpunkten 1) und 3) jeweils S 100,--, zu Punkt 2) S 200,--, insgesamt also S 400,-- (10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen) binnen 2 Wochen zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist ist der Strafbetrag zu bezahlen (§59 Abs2 AVG).

Text

Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Herrn W***** S******* das Straferkenntnis vom 4. Juni 1992, 3-****-91, erlassen. In diesem Bescheid wird Herrn S******* angelastet, er habe am 2. Mai 1991 um 17,30 Uhr als Lenker des PKW, KZ ** ***M, in U********* auf der B ** bei Km 4,45 in Fahrtrichtung N***

1.

das Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand,

2.

nach dem Verkehrsunfall an der Feststellung des Sachverhaltes dadurch nicht mitgewirkt, daß er die Unfallstelle verlassen und keine Angaben über den Unfallshergang gemacht habe, obwohl sein Verhalten mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand (auch konnte sein körperlicher und geistiger Zustand durch Organe der Straßenaufsicht nicht festgestellt werden) und

3.

nicht die nächste Polizei oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und ein gegenseitiger Identitätsnachweis von Name und Anschrift nicht erfolgte.

 

Aus diesem Grund hat die Bezirkshauptmannschaft folgende Verwaltungsstrafen ausgesprochen:

 

zu 1.) gemäß §4 Abs1 lita iVm §99 Abs2 lita StVO 1960 S 4.000,--

       (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage)

zu 2.) gemäß §4 Abs1 litc iVm §99 Abs2 lita StVO 1960 S 4.000,--

       (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) und

zu 3.) gemäß §4 Abs5 iVm §99 Abs3 litb StVO 1960 S 4.000,--

       (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage)

 

Gemäß §64 Abs2 VStG hat die Bezirkshauptmannschaft an Kosten des Verfahrens der Behörde I Instanz noch 10 % der verhängten Strafbeträge, insgesamt somit S 1.200,-- vorgeschrieben.

 

Gegen diese Entscheidung hat der Beschuldigte rechtzeitig berufen. Er machte geltend, daß er keineswegs habe Fahrerflucht begehen wollen, was ihm ein leichtes gewesen wäre. Er sei, wie in der Niederschrift vom 30. September 1991, Rh **/*/Sg/91 von ihm angegeben, nach dem Unfall nach rechts abgebogen und sogleich über eine Nebenfahrbahn wieder zum Unfallsort zurückgekommen. Da der Unfallsgegner aber in keiner Weise an der Klärung des Unfallgeschehens (Kollision mit dem Gegenverkehr) habe beitragen wollen, sei der Beschuldigte zum Gendarmerieposten N********** gefahren, wo er eine Unfallsmeldung in einem Kuvert im Briefkasten hinterlegt habe. In weiterer Folge sei er schließlich nach Hause gefahren.

 

Der Beschuldigte bestreitet somit nicht, als Lenker des PKW KZ **-***M zur Tatzeit am Tatort an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligt gewesen zu sein. Dem Berufungsvorbringen des Beschuldigten ist dabei seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land NÖ in rechtlicher Hinsicht entgegenzuhalten:

 

Zu der unter Punkt 1.) angelasteten Verwaltungsübertretung:

 

Gemäß §4 Abs1 lita StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Dies hat der Beschuldigte offenkundig unterlassen, indem er seine Fahrt zunächst fortsetzte, wenn er auch sogleich über eine Nebenfahrbahn wieder zum Unfallsort zurückkehrte.

 

Aus diesem Grund, da ein zum Unfallsort Zurückfahren eben nicht mit einem sofortigen Anhalten gleichgesetzt werden kann, ist die angelastete Verwaltungsübertretung auch nach Ansicht der Berufungsbehörde als erwiesen anzusehen.

 

(In dieser Hinsicht ist in Übereinstimmung mit der Meinung des Beschuldigten festzuhalten, daß eine Rückkehr zur Unfallstelle jedenfalls gesetzeskonformer als eine vollendete Fahrerflucht ist. Dieser Umstand kann aber, wie bereits dargestellt, im Hinblick auf die Frage der Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung nichts ändern, sondern allenfalls bei der Strafzumessung gemäß §19 VStG eine Rolle spielen.

 

Zu der unter Punkt 2.) angelasteten Verwaltungsübertretung:

 

Gemäß §4 Abs1 litc StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Erfolgt nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ein Identitätsnachweis nicht, so besteht Verständigungspflicht nach §4 Abs5 StVO 1960, welche auch die Mitwirkungspflicht nach §4 Abs1 litc StVO 1960 nach sich zieht. (VwGH 23.2.1976, 285/74)

 

Die Mitwirkungspflicht an der Feststellung des Sachverhaltes im Sinne des §4 Abs1 litc StVO 1960 umfaßt dabei auch die Person des beteiligten Fahrzeuglenkers, so etwa, ob er zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war und ob er äußerlich den Anschein erweckte, daß er sich körperlich und geistig in einem zur Lenkung des Kraftfahrzeuges geeigneten Zustand befinde. Entfernt sich daher ein Unfallsbeteiligter während oder auch schon vor der Unfallsaufnahme vom Unfallsort, ohne einen Namen mitzuteilen, so hat er, unbeschadet der Übertretung anderer Vorschriften, gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen (VwGH 28.6.1976, 307/76).

 

In dieser Hinsicht erscheint nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ die angelastete Verwaltungsübertretung als erwiesen.

 

Zu dieser unter Punkt 2.) zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist dabei auszuführen, daß die Feststellung des Sachverhaltes naturgemäß je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Verhaltensweisen bedingt. Es bedarf daher für jeden Einzelfall der Konkretisierung nicht nur der Tatzeit oder des Tatortes, sondern auch hinsichtlich jenes Verhaltens, das dem Beschuldigten als Nichtmitwirkung an der Ermittlung der den Unfall charakterisierenden Sachverhaltselemente angelastet wird. Dem Spruch muß daher zu entnehmen sein, durch welche konkrete Tathandlung (oder -unterlassung) es der Beschuldigte unterlassen hat, an der Feststellung des Sachverhaltes dadurch konkret mitzuwirken, daß ein Sicherheitswacheorgan in die Lage versetzt worden wäre, ohne weitere Erhebungen Anzeige zu erstatten.

 

In dieser Hinsicht erscheint die Angabe, daß der körperliche und geistige Zustand durch Organe der Straßenaufsicht nicht habe festgestellt werden können, als unnötig und somit entbehrlich, weshalb dieser Satz spruchgemäß zur Gänze zu streichen war.

 

Zu der unter Punkt 3.) angelasteten Verwaltungsübertretung ist schließlich auszuführen:

 

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben alle jene Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf nur dann unterbleiben, wenn die Unfallsbeteiligten, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben (§4 Abs5 StVO 1960).

 

Da ein gegenseitiger Identitätsnachweis unbestrittener Weise nicht erfolgt ist, war der Beschuldigte daher meldepflichtig im Sinne des §4 Abs5 StVO 1960.

 

Dabei muß der Lenker die dem Unfallort nächstgelegene Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub verständigen (VwGH 15.6.1984, 84/02A/0152).

 

Im Gegenstand hat der Beschuldigte aber nicht beim zuständigen Gendarmerieposten A********** Meldung erstattet, sondern ist zum Gendarmerieposten N********** gefahren.

 

Unabhängig davon, ob man der Rechtsmeinung ist, daß die Zurücklassung eines Kuverts im Briefkasten des Gendarmeriepostens eine geeignete Meldung ist, ist somit festzuhalten, daß der Beschuldigte jedenfalls nicht dem nächstgelegenen Gendarmerieposten gemeldet hat.

 

Aus diesem Grund ist die angelastete Verwaltungsübertretung in Übereinstimmung mit der Rechtsmeinung der Bezirkshauptmannschaft als erwiesen anzusehen ist.

 

Insbesondere unter Berücksichtigung des konkreten Verhaltens, daß der Beschuldigte tatsächlich gesetzt hat, konnte aber seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land NÖ hinsichtlich der Strafhöhe zu den drei angelasteten Verwaltungsübertretungen zu Gunsten des Beschuldigten erwogen werden:

 

Nach eigenen Angaben bezieht der Beschuldigte ein monatliches Einkommen von ca S 17.000,--. Er verfügt über kein Vermögen und ist für ein Kind sorgepflichtig.

 

Der Schutzzweck der verletzten Gesetzesbestimmungen §4 Abs1 lita, §4 Abs1 litc und §4 Abs5 StVO 1960 wurde verletzt. Alle genannten Gesetzesbestimmungen dienen dem gleichen Zweck, den an dem Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinander zu setzen haben wird (VwGH 19.12.1975, 2085/74).

 

Hinsichtlich der unter Punkt 2.) angelasteten Verwaltungsübertretung muß eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe als straferschwerend gewertet werden. Milderungs- oder Erschwerungsgründe liegen sonst nicht vor.

 

Bei der Strafbemessung ist auch davon auszugehen, daß nicht nur der Beschuldigte selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer von der Begehung gleichgelagerter Verwaltungsstraftaten abgehalten werden sollen, sodaß eine allgemein abhaltende generalpräventive Wirkung entsteht.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß anstelle der von der Bezirkshauptmannschaft verhängten Strafen mit den weit geringeren Strafbeträgen von 1) und 3) S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag) und 2) S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) das Auslangen gefunden werden kann. Diese weit geringeren Geldstrafen, welche sich nunmehr bloß im untersten Bereich der vom Gesetz vorgesehenen Strafrahmen halten, erscheinen als schuld- und tatangemessen.

 

Da der Berufung also wenigstens hinsichtlich der Strafhöhe in allen Punkten Folge gegeben werden konnte, waren auch die Kosten des Verfahrens der Bezirkshauptmannschaft entsprechend (10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen) herabzusetzen.

Für das Verfahren der Berufungsbehörde sind keine Kosten angefallen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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