TE UVS Stmk 1993/08/16 30.4-59/92

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Veröffentlicht am 16.08.1993
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Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 45 Abs 1 Z 3 VStG Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung von Frau M. F., wohnhaft in L., M.-straße 88, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 2.10.1992, GZ.: 15.1 Fli 20/92-1, Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

Text

Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Gemeinde Lannach hat am 19.11.1991 der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg Bericht erstattet, an der Kainachböschung seien verschiedene Müllablagerungen festgestellt worden, wobei sich darunter auch ein Kuvert, adressiert an M. F., befand. Hierauf wurde mit Strafverfügung vom 25.2.1992 über M. F. eine Geldstrafe von S 300,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Freiheitsstrafe von einem Tag, verhängt, da sie am 23.10.1991 Abfälle am Ufer der Kainach in H. und somit an anderen Orten als in den dafür bestimmten Behältern bzw. an den dafür bestimmten Plätzen abgelagert habe; diese Verwaltungsstrafe wurde auf Rechtsgrundlage des § 28 Abs 1 lit j des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes (StAWG) ausgesprochen.

Gegen diese Strafverfügung hat M. F. fristgerecht Einspruch erhoben und die unbefugte Müllablagerung bestritten. Im Zuge des hierauf durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens wurden am 11.8. bzw. 27.8.1992 zwei Zeugen, die die Müllablagerungen entdeckt hatten, vernommen, beide sagten übereinstimmend aus, es seien von ihnen an der Kainach Kunststoffkübel mit Farbresten, die augenscheinlich dieselbe Farbe wie die Fassade des Hauses der Familie F. enthielten, gefunden worden; neben anderen Gegenständen sei auch ein Kuvert mit Name und Adresse von Marianne Flicka vorgefunden worden.

In einer Einvernahme der Beschuldigten am 8.9.1992 wurde dieser jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise diese Zeugenaussagen vorgehalten, in der Sache selbst gab sie keine Stellungnahme ab. Hierauf wurde über sie mit dem im Spruch näher bezeichneten Straferkenntnis vom 2.10.1992 auf Rechtsgrundlage des § 28 Abs 1 lit j StAWG eine Geldstrafe von S 300,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag, verhängt, da sie bis 23.10.1991 Abfälle (Hausmüll, Plastikeimer usw.) am Ufer der Kainach in H. und somit an anderen Orten als in den dafür bestimmten Behältern bzw. an den dafür bestimmten Plätzen abgelagert hätte. Dieser Bescheid wird mit der Anzeige der Gemeinde L. vom 19.11.1991 begründet, auch geht die Begründung davon aus, daß die Beschuldigte die Gelegenheit hatte, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens kennengelernt zu haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, in der im wesentlichen ausgeführt wird, die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz habe die strafbare Tat deshalb als erwiesen angenommen, weil beim abgelagerten Müll Unterlagen vorgefunden worden seien, die an die Berufungswerberin gerichtet gewesen wären. Dies rechtfertige jedoch, so wird in der Berufung ausgeführt, nicht die Annahme, daß die Ablagerung auch tatsächlich durch die Berufungswerberin erfolgt sei. Jeder könne eine an sie adressierte Werbezuschrift - und um eine solche handelte es sich bei dem Kuvert, welches von ihr zum Altpapier gebracht worden war - an sich nehmen; im übrigen erscheine im angefochtenen Straferkenntnis die Angabe bis 23.10.1991 diesen Müll an den Ablagerungsplatz gebracht haben könnte und es keine unmittelbaren Tatzeugen gäbe, wird der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens und Aufhebung des angefochtenen Bescheides gestellt.

Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Gemäß § 51e Abs 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 leg cit vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist bei einer Verwaltungsübertretung wie der verfahrensgegenständlichen beträgt sechs Monate, diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Gemäß § 32 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten, von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung. Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 12.5.1989, 87/17/0152). Eine Verfolgungshandlung muß, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert unter anderem, daß sie sich auf alle, die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung a l l e r  Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich. Eine Verfolgungshandlung unterbricht somit nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf a l l e  der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (VwGH 19.9.1984, Slg 11525A, vgl. auch VwGH 22.12.1992, Zl. 91/04/0199).

Gemäß dem auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenen § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Weiters hat die Behörde gemäß § 45 Abs 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Dieser Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in Zusammenhalt mit den bereits erwähnten Grundsätzen der Amtswegigkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung über eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können.

Im konkreten Fall ging die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz davon aus, die Berufungswerberin hätte am 23.10.1991 Abfälle am Ufer der Kainach in H. unbefugt gelagert. Eine andere bzw. konkretere Tatortbezeichnung findet sich weder in der Strafverfügung vom 25.2.1992 noch im angefochtenen Straferkenntnis vom 2.10.1992. Unter Bezugnahme auf die bereits dargestellten gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der erforderlichen Konkretisierung des Tatortes ist die Tatortumschreibung "am Ufer Kainach in H." keine solche, die so bestimmt ist, wie es für eine unzweideutige Abgrenzung im Sinne des § 44a Z 1 VStG erforderlich ist, erforderlich wäre (vgl. VwGH 27.2.1987, 83/07/0278). Es ist daher allein schon aus diesem Grund Verfolgungsverjährung insofern eingetreten, als der Berufungswerberin innerhalb der bereits genannten Sechs-Monatsfrist in nicht entsprechend konkretisierter Weise vorgehalten worden ist , wo sie die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen haben soll. Ein Möglichkeit der Berufungsbehörde, diesen Verfahrensmangel in Vollziehung der Bestimmungen des § 66 Abs 4 AVG nachzuholen bzw. zu sanieren, besteht nicht. Weiters wurde der Berufungswerberin in der Strafverfügung vom 25.2.1992 zur Last gelegt, sie hätte am 23.10.1991 die Verwaltungsübertretung begangen; die Zeugenaussagen vom 11.8. bzw. 27.8.1992 wurden ihr in der mit ihr am 8.9.1992 aufgenommenen Niederschrift nicht zur Kenntnis gebracht, daher kann der Inhalt dieser mit Zeugen aufgenommenen Niederschriften ebenfalls im laufenden Verfahren nicht herangezogen werden. Im Straferkenntnis vom 2.10.1992 ist hinsichtlich der Tatzeit angegeben, die Berufungswerberin hätte bis 23.10.1991 die unbefugten Abfallagerungen durchgeführt. Auch hinsichtlich der Tatzeit entspricht der angefochtene Bescheid somit nicht dem geforderten Konkretisierungsgebot, auch ist die Berufungsbehörde nicht berechtigt, die von der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommene Tat auszuwechseln (vgl. VwGH 10.12.1991, 91/04/0090). Da somit die der Berufungswerberin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung weder hinsichtlich Zeit noch Ort innerhalb der bereits genannten Frist des § 31 VStG in einer solchen Art und Weise vorgehalten worden ist, daß unzweifelhaft feststeht, wann sie wo welche Übertretung zu verantworten hätte, wodurch auch eine mögliche Doppelbestrafung ausgeschlossen und die Identität der Tat zweifelsfrei anzunehmen gewesen wäre, ergibt sich, daß im konkreten Fall von keiner, die Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung ausgegangen werden kann (vgl. VwGH 25.2.1992, 91/04/0277).

Auf Grund dieser Überlegungen erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die in der Berufung formulierte Argumentation in der Sache selbst, weshalb im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Tatort
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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