TE UVS Niederösterreich 1993/08/30 Senat-KR-93-021

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Veröffentlicht am 30.08.1993
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

 

"Sie haben als Lenkerin des PKW's mit dem behördlichen Kennzeichen W *****B am 15. April 1992 um 10,17 Uhr auf der LH ** im Gemeindegebiet G**** in Höhe Haus Nr 37, Richtung G**** fahrend, die aufgrund des angebrachten Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung erlaubte Höchstgeschwindigkeit" 70 km/h erheblich überschritten.

Übertretungsnorm §52 Z10a StVO 1960

Strafnorm §99 Abs3 lita StVO 1960

verhängte Geldstrafe S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden).

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß §64 Abs2 S 200,--".

 

Gemäß §65 VStG werden Kosten für das Berufungsverfahren nicht auferlegt.

Text

Die Berufungswerberin wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 23.6.1993 mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) bestraft, weil sie als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW an einem näher bezeichneten, unmittelbar bei einer Bushaltestelle und mehreren Hauszufahrten gelegenen Tatort die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h mit gemessenen 129 km/h erheblich und somit unter besonders gefährlichen Verhältnissen überschritten habe.

Gegen diesen Bescheid und zwar nur hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung der besonderen Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung. Bei richtiger Würdigung der örtlichen Verhältnisse erscheine die zugegebene Geschwindigkeitsüberschreitung nur als geringe Übertretung. Es habe für sie sogar eine gewisse Notstandssituation vorgelegen, weil sie als Konzipientin eines Wiener Rechtsanwaltes einen Termin beim BG Zwettl und weitere dringende Termine bei Gerichten in Wien wahrzunehmen gehabt habe. Darüberhinaus sei zu prüfen, ob nicht schon Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Jedenfalls sei die Strafe zu hoch bemessen. Es werde deshalb die Einstellung des Strafverfahrens begehrt, in eventu die Verhängung einer Ermahnung.

 

Die Behörde erster Instanz hat den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Dieser hat erwogen:

 

Die Verjährungsfrist beträgt bei Verwaltungsübertretungen der angezeigten Art sechs Monate (§31 Abs2 VStG). Eine Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (§32 Abs2 VStG). Die gegen die Beschuldigte am 14.8.1992 erlassene Strafverfügung nimmt zwar eine andere rechtliche Wertung vor, bezieht sich aber auf die Tat selbst, ist damit eine geeignete Verfolgungshandlung und darüberhinaus innerhalb der 6-Monate-Frist gesetzt:

Verfolgungsverjährung liegt demnach nicht vor.

 

Die Behörde erster Instanz hat einen qualifizierten Verstoß im Sinne des §99 Abs2 litc StVO darin gesehen, daß die Beschuldigte die Geschwindigkeitsübertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen weil in unmittelbarer Nähe einer Bushaltestelle und mehrerer Grundstückszufahrten begangen habe. Sie ist dabei davon ausgegangen, daß die Geschwindigkeitsbeschränkung unter Bedachtnahme auf diese örtlichen Gegebenheiten aus Gründen der Verkehrssicherheit verfügt wurde.

 

Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mittels Radarmessung festgestellt und fotografisch festgehalten. Über die ziffermäßige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hinausgehende Feststellungen fehlen.

Um ein strafbares Verhalten im Straßenverkehr unter §99 Abs2 litc StVO subsumieren zu können, bedarf es eines zusätzlichen zutretenden Sachverhaltselementes, welches die Feststellung rechtfertigt, daß die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen worden ist. Als solche besonders gefährlichen Verhältnisse kommen bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit insbesondere beeinträchtigte Sichtverhältnisse, ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen, der Verlauf und die Breite der Straße sowie die körperliche und die geistige Verfassung des Lenkers in Betracht.

Die Behörde erster Instanz hat, gestützt auf die Motive für die Erlassung der Geschwindigkeitsbeschränkung abstrakt, besonders gefährliche Verhältnisse angenommen. Eine solche abstrakte Gefährdung darf aber nicht mit dem Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse im Sinne des §99 Abs2 litc StVO gleichgesetzt werden. Die im Spruch und in der Begründung getroffene Feststellung, daß der Tatort in unmittelbarer Nähe einer Bushaltestelle und mehrerer Hauszufahrten gelegen ist, genügt für die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse nicht. Eigene Wahrnehmungen des Meldungslegers in dieser Richtung fehlen (es wurde ein Radarfoto ausgearbeitet) und auch auf dem Lichtbild sind weder Fußgänger erkennbar, noch Hinweise für besonders ungünstige Straßen- oder Witterungsverhältnisse. Auch das Vorbringen der Berufungswerberin "in einer gewissen Notstandssituation gehandelt" zu haben, ist nicht geeignet, ihre körperliche oder geistige Verfassung beim Lenken in Frage zu stellen. Bei ihrem Vorbringen handelt es sich vielmehr um eine bloße Schutzbehauptung. Die Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Fahrt Richtung G**** (und weiter nach Z*****) ist wohl kaum geeignet, einen oder mehrere nach der behaupteten Gerichtsverhandlung in Zwettl angesetzte Termine bei Gerichten in Wien rechtzeitig wahrzunehmen. Auch kann einer rechtskundigen Person - die Berufungswerberin ist Konzipentin in einer Anwaltskanzlei - wohl nicht ernstlich unterstellt werden, die Einhaltung eines Verhandlungstermines als Notstand im Sinne des §6 VStG geltend zu machen, ist doch Merkmal des Notstandes eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen.

 

Eine Herabsetzung der Geldstrafe wurde angesichts des Strafrahmens (Höchststrafe gemäß §99 Abs3 lita StVO S 10.000,-- anstelle S 30.000,-- bei Anwendung des §99 Abs2 litc StVO) nicht in Erwägung gezogen. Eine Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um mehr als 80 % kann nicht so wie es im Berufungsvorbringen geschieht, als "geringe Übertretung" bagatellisiert werden, erfordert vielmehr eine strenge Bestrafung. Dabei erscheint das Strafausmaß von S 2.000,-- auch bei Annahme ungünstigster Einkommens- und Vermögensverhältnisse (Konzipientin ohne Prüfung, monatlich S 15.000,-- netto) als durchaus schuldangemessen.

 

Gemäß §54b Abs3 VStG hat die Bezirkshauptmannschaft xx die Möglichkeit, auf Ansuchen der Bestraften Zahlungserleichterungen, dh einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlungen zu bewilligen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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