Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied
Dr. Christian Erkinger über die Berufung des Herrn R. F., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G. F. und Dr. G. F., L.-platz 4a, K., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Leoben vom 9.12.1992, GZ.: St 4519/92, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 80,-- binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9.12.1992, Zl.: St 4519/92, ist dem Berufungswerber zur Last gelegt worden, er habe am 10.4.1992, um 15.55 Uhr, im Gemeindegebiet von St. Marein i. M., auf der S 6, auf Höhe des StrKm 56,2, in Richtung Wien fahrend, mit dem LKW-Zug mit dem amtlichen Kennzeichen BM-2 HVB, die im Hinblick auf das Ziehen von Anhängern höchste zulässige Fahrgeschwindigkeit auf Autobahnen von 70 km/h um 24 km/h überschritten.
Wegen dieser Übertretung wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in einer Höhe von S 400,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe mit einer Dauer von 20 Stunden verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig und begründet Berufung erhoben und darin im wesentlichen angeführt, daß über ihn eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt worden sei und daß die belangte Behörde seiner Ansicht nach bei ihrer Entscheidung einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zumal er der Meinung gewesen sei, mit dem gegenständlichen Kraftwagenzug eine Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h auf Autobahnen einhalten zu dürfen. Die diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften seien im übrigen für einen Laien nicht ohne weiteres zu verstehen. Er selbst sei auch kein Berufskraftfahrer und habe die betreffende Fahrt nur aus Gefälligkeit durchgeführt. In Hinkunft werde er jedenfalls darauf bedacht sein, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h einzuhalten, soferne er wieder mit einem derartigen LKW-Zug unterwegs sein werde. Auf Grund des nicht erheblichen Verschuldens hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, von der Verhängung einer Strafe abzusehen und nur eine Ermahnung auszusprechen. Er stelle daher den Berufungsantrag, seiner Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abzuändern, daß lediglich eine Ermahnung ausgesprochen werde.
Da der Berufungswerber einerseits die ihm zur Last gelegte Übertretung nicht bestritten hat, andererseits bei der Entscheidungsfindung lediglich von einer Rechtsfragenbeurteilung auszugehen war, konnte gemäß § 51e Abs 2 VStG von der Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 58 Abs 1 Z 2 lit e der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 darf beim Verwenden von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Hinblick auf das Ziehen von Anhänger und das Abschleppen von Fahrzeugen auf Autobahnen eine Geschwindigkeit von 70 km/h nicht überschritten werden.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Schutzzweck der im Gegenstand verletzten Norm, der Kraftfahrzeuglenker verpflichtet eine mittels rechtwirksam verordneten Vorschriftszeichen angezeigte Geschwindigkeit nicht zu überschreiten, ist darin zu sehen, alle mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren, die eine erhöhte Geschwindigkeit mit sich bringt, zu vermeiden und sonstige nachteilige Folgen im Sinne des § 19 Abs 1 VStG, wie etwa allfällige erhöhte Umweltbelastung durch vermehrten Schadstoffausstoß oder erhöhte Lärmbelästigung hinanzuhalten. Zudem wird mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit, - eine Überschreitungen der im gegenständlichen Fall zulässigen Höchstgeschwindigkeit um ca. 1/3 ist nicht mehr als unbedeutend zu bezeichnen - das Wahrnehmungsvermögen des Lenkers herabgesetzt und dadurch eine erhöhte Unfallsgefahr bewirkt. Der Berufungswerber hat in seiner Berufung angeführt, einem Rechtsirrtum hinsichtlich der verordneten höchstzulässigen Geschwindigkeit unterlegen zu sein, und die betreffende Fahrt aus reinen Gefälligkeitsüberlegungen heraus durchgeführt zu haben. Dazu wird zunächst festgehalten, daß jedem Führerscheinbesitzer
die Kenntnis über den Umfang der jeweiligen Lenkerberechtigung zuzumuten ist (vgl. VwGH 16.10.1979, 1678/79).
Als geprüften Kraftfahrzeuglenker ist es dem Berufungswerber durchaus zuzumuten, sich die entsprechende Kenntnis über die Vorschriften betreffend das Fahren mit Fahrzeugen wie im gegenständlichen Fall zu verschaffen. Ein umso größerer Sicherheitsmaßstab ist anzulegen, wenn wie im gegenständlichen Fall aus reiner Gefälligkeit derartige Fuhren durchgeführt werden; dies schon allein aus verkehrssicherheitstechnischen Überlegungen heraus. Wenn sogar für ausländische Kraftfahrer die Verpflichtung besteht, sich über die Rechtsvorschriften, die diese bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu beachten haben, ausreichend zu unterrichten, wird unter Anlegung eines strengen Sicherheitsmaßstabes umsomehr für einen österreichischen Staatsbürger die Verpflichtung bestehen, sich über die diesbezüglichen Rechtsvorschriften zu unterrichten. Die diesbezügliche Behauptung des Berufungswerbers als "Laie" die gegenständlichen Bestimmungen nicht zu kennen, kann ihm daher keineswegs zu einer Entschuldigung bzw. Strafbefreiung gereichen.
Er wäre daher verpflichtet gewesen, zur Wahrung des Schutzzweckes der im Gegenstand der verletzten Norm, sich die notwendigen Kenntnisse über die entsprechenden Rechtsvorschriften der Straßenverkehrsordnung bzw. des Kraftfahrgesetzes und deren Durchführungsverordnungen zu verschaffen.
Aus den eben genannten Gründen war die belangte Behörde richtigerweise davon ausgegangen, daß geringfügiges Verschulden im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen war, weshalb schon allein aus diesem Grund die Anwendbarkeit gemäß § 21 VStG nicht gegeben gewesen ist. Im übrigen scheint der Berufungswerber insoferne einem Irrtum unterlegen zu sein, als über ihn nicht eine Strafhöhe von S 500,-- sondern eine solche von S 400,-- ausgesprochen worden ist, wobei diesbezüglich der Hinweis erfolgt, daß bei einem möglichen Strafrahmen von bis zu S 30.000,--, eine Ausmessung ohnehin im untersten Bereich dieses Strafrahmens erfolgt ist.
Erschwerende bzw. mildernde Umstände waren wie auch von der belangten Behörde nicht zu berücksichtigten.
Die vom Berufungswerber anläßlich des Berufungsverfahrens bekanntgegebenen persönlichen Verhältnisse - mtl. Pension von S 11.628,--, keine Sorgepflichte, keine Schulden oder sonstigen Belastungen - fanden bei dieser Entscheidung Berücksichtigung, waren allerdings nicht geeignet, die im untersten Strafbereich liegende Strafhöhe zu reduzieren. Unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat sowie unter Bedachtnahme auf die bereits angeführten objektiven für die Strafbemessung entscheidenden Kriterien, wird die verhängte Strafe schon allein aus Schutzzweckinteressen als gerechtfertigt und schuldangemessen angesehen. Der Nachteil, den der Berufungswerber durch die ausgesprochene Strafe erleidet, entspricht dem genannten Vergehen.
Unter Abwägung aller für diese Entscheidung relevanten Strafbemessungsgründe, war daher auf Basis der angeführten gesetzlichen Bestimmungen wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.