Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Herbert Thaller über die Berufung des Herrn Ing. F B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 4.9.1991, GZ.: 15 Blü 9/8-91, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung hinsichtlich der Schuld abgewiesen, und hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafe ausgesprochen, daß diese auf je S 500,-- bzw. einen Tag Ersatzarrest herabgesetzt wird. Dies alles mit der Maßgabe, daß der Spruch des Straferkenntnisses wie folgt zu lauten hat:
Sie haben, wie am 5.2.1992, um 10.00 Uhr, anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat Graz an der Baustelle Ö, Wohnhaus L, festgestellt wurde, als Betriebsinhaber die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes nicht eingehalten. Den auf der Baustelle beschäftigten 6 Arbeitnehmern (A K, K H, K D, G Sch, J F und H P) haben Sie die Sicherheitsschuhe nicht kostenlos zur Verfügung gestellt, indem die Kostenbeiträge von den Arbeitnehmerns anläßlich der Lohnauszahlungen im Oktober bzw. November 1990 von den Löhnen dieser Arbeitnehmer abgezogen wurden. Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 70 Abs 2 erster Satz der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl. Nr. 218/83 iVm §§ 31 Abs 2 lit p und 33 Abs 7 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (AnSchG), sowie iVm § 18 Abs 1 AnSchG begangen.
Es wird deshalb über Sie eine Geldstrafe von 6 mal S 100,-- gemäß § 31 Abs 2 AnSchG und gemäß § 16 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 mal 1 Tag verhängt."
Gemäß § 64 VStG werden die Kosten des Verfahrens der ersten Instanz auf insgesamt S 300,-- herabgesetzt.
Mit Straferkenntis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 4.9.1991, GZ.: 15 Blüm 9/8-91, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von S 6.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche verhängt. Vorgeworfen wird ihm, er habe wie anläßlich einer am 5.2.1991 um 10.00 Uhr durchgeführten Kontrolle der Arbeitsinspektion an der Baustelle Ö, Wohnhaus L, festgestellt wurde, als Betriebsinhaber die Bestimmungen des AnSchG insofern nicht eingehalten, als den dort namentlich genannten 6 Arbeitnehmern die Sicherheitsschuhe nicht kostenlos zur Verfügung gestellt worden seien. In der rechtzeitig eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber, die an die Arbeiter ausgegebenen Arbeitsschuhe diesen Arbeitern verrechnet zu haben. Beigelegt war eine handschriftlich formulierte Bestätigung, die von allen 6 namentlich im Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmern unterfertigt wurde, die zum Inhalt hat, daß die von der Baufirma ausgegebenen Schuhe zwar betragsmäßig bestätigt worden seien, diese aber nicht zu bezahlen gewesen wären. Zur Abklärung des Sachverhaltes führte der Unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche, mündliche Verhanldung durch, auf Grund derer folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen wurde:
Anläß einer am 17.7.1990 durchgeführten Kontrolle des Arbeitsinspektorates Graz wurde festgestellt, daß die Arbeitnehmer des Berufungswerbers keine Sicherheitsschuhe trugen. In der Folge wurde dieser aufgefordert, diesen Mangel zu beheben, wobei bei weiteren Kontrollen am 4.10. und 26.11.1990 der Berufungswerber diesem Aufforderungsschreiben der Arbeitsinspektion noch immer nicht nachgekommen war. Von einer Anzeigenerstattung wurde seitens des kontrollierenden Arbeitsinspektors deshalb Abstand genommen, da anläßlich dieser Kontrollen durch den Polier bereits bekanntgegeben wurde, daß die Angelegenheit bereits in Angriff genommen worden sei. Am 5.2.1991 trugen die Arbeitnehmer die geforderten Sicherheitsschuhe, der kontrollierende Arbeitsinspektor mußte aber zur Kenntnis nehmen, daß die Arbeitnehmer die Sicherheitsschuhe durch Lohnabzüge im Oktober bzw. im November 1990 selbst bezahlen mußten. Der Zeuge K D gab anläßlich seine Einvernahme an, daß er von der Firma des Berufungswerbers keine Sicherheitsschuhe beansprucht habe, weil er von seiner früheren Tätigkeit bereits solche besaß. Der Berufungswerber rechtfertigte die Vorgangsweise der von ihm als Kaution bezeichneten Lohnabzüge damit, daß er anläßlich des Ausscheidens der Mitarbeiter bei der Retournierung der Sicherheitsschuhe ihnen diesen einbehaltenen Betrag wieder aushändige. Der Berufungswerber konnte aber dieses Kautionssystem belegen.
Dieser Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus den Angaben des Zeugen Ing. G (anzeigender Arbeitsinspektor), den Angaben des Berufungswerbers und des in der öffentlichen, mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen D.
Die gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständige Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 70 Abs 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl. Nr. 486/1983, sind jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen, insbesondere durch mechanische Einwirkungen besteht, ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen. Gemäß Absatz 2 leg. cit. ist jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen oder Hautschädigungen für die Beine im Sinne des Absatz 1 besteht und für diese Tätigkeit Arbeitsschuhe nicht geeignet sind, ein passender, zweckentsprechender Schutz aus geeignetem Material zur Verfügung zu stellen, wie Sicherheitsschuhe, Stiefel usw. Gemäß § 31 Abs 2 lit p AnSchG begehen Arbeitgeber eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen, wenn sie den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln.
Wenn der Berufungswerber meint, er habe Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt, indem er solche Schuhe für die Arbeiter bestellte und ihnen aushändigte, auf der anderen Seite ihnen zwangsweise einen Kautionsbeitrag durch Lohnabzug abverlangte, und somit den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend gehandelt hat, so irrt er. Der Begriff des "zur Verfügung stellen" bedeutet jedenfalls, daß damit auch ein kostenloses Benützen von Schutzeinrichtungen gemeint sein muß. Kostenlos bedeutet aber, daß dem Arbeitnehmer jedenfalls keine Kosten dafür zu erwachsen haben, daß ihm der Dienstgeber die den Arbeitnehmern gebührenden Sicherheitsausrüstungen zur Benützung überläßt. Daß einem Arbeitnehmer dadurch Kosten erwachsen, daß er vorerst die Sicherheitsschuhe durch Lohnabzug zu bezahlen hat und dann erst am Ende seines Dienstverhältnisses beim Arbeitgeber unter Aushändigung der Arbeitschuhe diesen Unkostenbeitrag wieder ersetzt erhält, hat der Berufungswerber jedenfalls den Tatbestand der Verwaltungsübertretung im Sinne des § 70 Abs 2 AAV gesetzt.
Bezüglich der Höhe der verhängten Geldstrafe wird ausgeführt:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Sinn und Zweck der Rechtsnorm des § 70 Abs 1 erster Satz ist es, die Arbeitnehmer davor zu schützen, daß sie infolge ihrer beruflichen Tätigkeit eine Verletzung oder Hautschädigung der Beine erleiden. Dadurch, daß der Berufungswerber die Sicherheitsschuhe zum einen nur auf Verlangen ausgibt, zum anderen dafür einen Unkostenbeitrag vorläufig einbehält und damit das Verlangen der Arbeitnehmer nach Ausgabe der Sicherheitsschuhe infolge des zu erwartenden Lohnabzuges hintanhält, hat der Berufungswerber gegen den Schutzzweck der Norm erheblich verstoßen. Insofern erscheint die in der ersten Instanz verhängte Geldstrafe durchaus angepaßt. Die Herabsetzung der Geldstrafe auf je S 500,-- erfolgte jedoch ausschließlich auf Grund des beim Berufungswerber vorliegenden geringen Einkommens (laut Angabe kein Einkommen, Vermögen:
ein Einfamilienhaus und der Betrieb, der ca. 18 Arbeitnehmer beschäftigt), war aber eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe erforderlich.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.