Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch sein Einzelmitglied
Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn G K, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W T u. Dr. P Sch, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz, vom 15.7.1992, GZ.:
III St. - 22.349/91, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 13.9.1993 wie folgt entschieden:
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit den §§ 24, 51c und 51e Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), teilweise Folge gegeben, und das Straferkenntnis dahingehend abgeändert, daß gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.
Der Spruch des Straferkenntnisses wird insofern korrigiert, als Punkt 1 zu lauten hat: Sie haben am 27.7.1991 um 9.50 Uhr in G 1, A-H-Platz, gegenüber dem Haus Nr. 9 als Lenker des LKWs G-89 JMA nicht dafür gesorgt, daß am LKW die Aufschriften über das Eigengewicht, die Nutzlast, das höchstzulässige Gesamtgewicht und die Achslasten gut lesbar und unverwischbar angeschrieben waren; die übertretene Rechtsvorschrift hat zu lauten: § 102 Abs 1 in Verbindung mit 27 Abs 2 KFG
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 15.7.1992 wird dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 27.7.1991, um 19.50 Uhr in G 1, A-H-Platz, gegenüber dem Haus 9
1. als Lenker des KW-G-89 JNA nicht dafür gesorgt, daß am LKW die Aufschriften über das Eigengewicht, die Nutzlast, das höchstzulässige Gesamtgewicht und die Achslasten und
2. als Zulassungsbesitzer nicht dafür gesorgt, daß an der rechten Außenseite des Fahrzeuges gut lesbar und unverwischbar der Name und die Anschrift des Zulassungsbesitzers angeschrieben waren.
Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 27 Abs 2 und § 103 Abs 5 KFG begangen.
Wegen dieser beiden Verwaltungsübertretungen wurde über den Berufungswerber gemäß § 134 Abs 1 KFG je eine Geldstrafe von S 500,--, bei deren Uneinbringlichkeit je eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 24 Stunden verhängt. In der rechtzeitig erhobenen Berufung gegen das Straferkenntnis führt der Berufungswerber nachstehende Berufungsgründe an:
Der Berufungswerber bestritt zwar nicht, die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, er rechtfertigte sich damit, beim zuständigen Beamten der Zulassungsstelle die Auskunft erhalten zu haben, daß das betreffende Fahrzeug, ein Jeep Cherokee sämtlichen Vorschriften des KFG entsprechen würde. Der Berufungswerber verwies auf die Judikatur des VwGH, wonach die Rechtsauskunft eines behördlichen Organes auf die Beurteilung der Schuldfrage Einfluß habe. Es läge ein schuldausschließender Irrtum seitens des Berufungswerbers vor, der gemäß § 5 VStG zur Einstellung des Verfahrens führen müßte. Selbst unter Annahme einer schuldhaften Begehung der Verwaltungsübertretungen wäre § 21 Verwaltungsstrafgesetz 1991 anzuwenden. Folgen der Übertretung hätte es im gegenständlichen Fall nicht gegeben, ein Verschulden sei nicht vorhanden bzw. befand sich der Beschuldigte in einem Rechtsirrtum durch eine offensichtlich falsche Auskunft der Zulassungsbehörde.
Es werde beantragt, gemäß § 45 VStG das Verfahren einzustellen.
Die Berufungsbehörde ist von nachstehenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 51e Abs 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind. Da der Berufungswerber die Schuldfrage in Berufung gezogen hat, war eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Diese hat am 13.9.1993 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat unter Teilnahme des Berufungswerbers und seiner Rechtsvertreterin sowie unter Mitwirkung des Zeugen Ing. J G stattgefunden.
Zum Sachverhalt
Aufgrund der Ergebnisse der öffentlichen, mündlichen Verhandlung, gewonnen aus der Befragung des Berufungswerbers und der Vernehmung des Zeugen sowie unter Heranziehung des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes wird nachstehender Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt:
Der Berufungswerber hat das gegenständliche Fahrzeug, einen Geländewagen der Type Cherokee im Oktober 1990 gekauft. Dieses Fahrzeug wird serienmäßig erzeugt und ist im Regelfall als PKW zugelassen. Der Berufungswerber hat aus steuerlichen Gründen das Fahrzeug von einem PKW auf einen LKW umtypisieren lassen. Die Zulassung als LKW erfolgte am 23.10.1990.
Der Berufungswerber erkundigte sich bei der technischen Prüfstelle der Zulassungsbehörde, beim Gutachter Ing. J G, welche Änderungen nötig seien, um den Wagen als LKW zulassen zu können. Das Informationsgespräch bezog sich auf die Genehmigung der Typisierung, insbesondere welche Umbauten am Fahrzeug vorgenommen werden müssen (Ausbau der Sitze, Trennwand einziehen) und ob die Gewichtsbestimmungen (Eigengewicht, Nutzlast, Gesamtgewicht, Achslasten) diese Änderung ermöglichen. Über die notwendigen Aufschriften am Fahrzeug wurde nicht gesprochen. Der Berufungswerber hat mangels Kenntnis von diesen Bestimmungen nicht nach ihnen gefragt, der beratende Gutachter hat sie nicht erwähnt, weil er sie als bekannt vorausgesetzt hat.
Im Zuge dieser Überprüfung wurde der umzutypisierende Wagen
dem Gutachter vorgeführt.
Zur rechtlichen Beurteilung
Unbestritten geblieben ist, daß der Berufungswerber die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen begangen hat. Das Berufungsverfahren war daher auf die Frage konzentriert, ob und wenn ja in welchem Ausmaß dem Berufungswerber Verschulden an diesen Übertretungen vorgeworfen werden kann.
§ 5 Abs 2 VStG bestimmt, daß die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Die Unkenntnis einer Vorschrift kann aber nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemand die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (z.B.: VwSlg 7528 A/1969, VwSlg 2435/1976) und das selbst guter Glaube den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht herstellt, wenn der Partei fahrlässiges Handeln im Nichterkennen der Verwaltungsvorschrift vorzuhalten ist. Der Berufungswerber hat sich darauf verlassen, daß seine einzige Auskunftsperson alle für einen LKW-Zulassungsbesitzer relevanten Bestimmungen des KFG, sohin auch die Pflichten des Lenkers und Zulassungsbesitzers erwähnt und ihn darüber informiert. Diese Erwartungshaltung war im gegenständlichen Fall jedoch nicht gerechtfertigt. Der Berufungswerber hat den Zeugen in seiner Funktion als Gutachter der Zulassungsbehörde danach gefragt, was er benötigen würde, um sein Fahrzeug als LKW zulassen zu können. Dementsprechend erfolgte auch die Beantwortung der Frage, die sich auf die Umtypisierung des Fahrzeuges beschränkte. Damit hat die beanspruchte Auskunftsperson nicht, wie der Berufungswerber in seiner Berufungsschrift ausführt - eine falsche Rechtsauskunft erteilt, sondern vielmehr auf jene Frage geantwortet, die Gegenstand des Gespräches war.
Dem Berufungswerber ist damit zumindest leichte Fahrlässigkeit an der Unkenntnis der übertretenen Bestimmungen vorzuhalten. Der Berufungswerber hat sich nur für jene Informationen interessiert, die unbedingt für die Durchführung der Umtypisierung notwendig waren. Als Zulassungsbesitzer eines LKWs treffen den Berufungswerber jedoch weitere, auf diese Fahrzeugart bezogene Verpflichtungen. Es ist jedem Zulassungsbesitzer zuzumuten, seine allgemeinen Pflichten in Erfahrung zu bringen. Diese Verantwortung bleibt beim Berufungswerber und ist nicht durch die von ihm dargebotene Rechtfertigung auf das eingeschränkt zuständige Organ der Zulassungsbehörde abzuwälzen. Der vom Berufungswerber angezogene Schuldausschließungsgrund ist daher nicht vorgelegen. Abschließend sei noch bemerkt, daß die dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zulassung des Fahrzeuges stehen. Beide Bestimmungen bezwecken eine erhöhte Überprüfungsmöglichkeit der Vorschriften des KFG, insbesondere jener zur Beladung von KFZ und Anhängern. Die Zulassung des Fahrzeuges als LKW ist nicht abhängig von der Einhaltung dieser Vorschriften.
Zum Absehen von der Strafe
Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind; sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Diese Bestimmung ist auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat anzuwenden. Trotz der festgestellten Rechtswidrigkeit des Verhaltens konnte im Verfahren aufgrund der Angaben des Berufungswerbers und auch aufgrund der glaubwürdigen und mit den Angaben des Berufungswerbers übereinstimmenden Aussagen des Zeugen der Eindruck gewonnen werden, daß sich der Berufungswerber im Rahmen seines Wissensstandes bemüht hat, Informationen herbeizuschaffen, die ihm die Einhaltung der Bestimmungen des KFG ermöglichen. Er hat die Prüfstelle der Zulassungsbehörde zweimal aufgesucht und Erkundigungen eingeholt; er hat den Wagen dem Gutachter auch vorgeführt, was bei sogenannten "kleinen Änderungen" in der Regel nicht üblich ist. Auch die Möglichkeit, im Rahmen der jährlichen wiederkehrenden Begutachtung des KFZ im Sinne des § 57 a KFG auf die fehlende Ausstattung seines Fahrzeuges hingewiesen zu werden, war nicht gegeben, da die Erneuerung der Begutachtungsplakette erst nach der Begehung der Verwaltungsübertretung fällig wurde.
Auch sind die Folgen der vorliegenden Übertretungen geeignet, als unbedeutend bezeichnet zu werden. Das gegenständliche Fahrzeug ist ein LKW unter 3,5 t, der in der Regel als PKW zugelassen ist. Wenn man von einer möglichen abstrakten Gefährdung des Schutzzweckes der übertretenen Normen absieht, bleiben keine weiteren Folgen, die anzuführen wären. Eine Ermahnung unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens konnte jedoch aus spezialpräventiven Überlegungen nicht unterbleiben. Damit sollte der Vorstellung entgegengewirkt werden, daß es genüge, behördliche Organe für die Vermittlung aller Bestimmungen für zuständig zu erklären und damit die Eigenverantwortung abgeben zu können. Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist der Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 21 Abs 1 VStG kein Ermessen eingeräumt (vgl. VwGH vom 8.4.1988, Zl.: 87/18/0081). Es besteht daher ein Rechtsanspruch auf ein Absehen von der Strafe.
Es war somit wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden; der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides war wie erfolgt, zu korrigieren.