TE UVS Stmk 1993/09/15 30.9-83/92

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Veröffentlicht am 15.09.1993
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch sein Senatsmitglied

Dr. Christian Erkinger über die Berufung des Herrn Dr. P. F., wohnhaft M., W.-straße 50 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 13.7.1992, GZ.: 15.1 Fr 161-90/5, nach Durchführung von öffentlichen, mündlichen Verhandlungen am 3.6.1993, sowie 9.9.1993 in seiner mündlichen Verkündung am 15.9.1993 wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich der Schuldfrage keine Folge gegeben, hinsichtlich der Strafbemessung wird das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abgeändert, daß über den Beschuldigten gemäß § 19 VStG eine Geldstrafe von jeweils S 500,-- (im Uneinbringlichkeitsfall jeweils 12 Std. Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wird.

Die Verfahrenskosten der Behörde erster Instanz vermindern sich dadurch auf jeweils S 50,--.

Text

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.7.1992, GZ: 15.1 Fr 161-90/5 ist dem Berufungswerber zur Last gelegt worden, er habe am 5.12.1990 gegen 14.00 Uhr und 9.12.1990 gegen 15.30 Uhr als Eigentümer der Liegenschaft EZ 71 der KG und OG Mürzzuschlag nicht dafür gesorgt, daß der in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandene, dem öffentlichen Verkehr dienende Gehsteig in der W.-gasse, entlang seiner Liegenschaft im Ortsgebiet von Mürzzuschlag von Schnee gesäubert, sowie bei Schnee bestreut gewesen sei, obwohl er dazu in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr verpflichtet gewesen wäre.

Wegen dieser Übertretungen wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von jeweils

S 800,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils einem Tag für den Fall der Uneinbringlichkeit, verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und darin den gesamten Inhalt des angefochtenen Straferkenntnisses bekämpft und zur Dokumentation der Richtigkeit seiner Angaben in dieser Berufung diverse Zeugen geführt. Anläßlich der öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 3.6.1993 wurden zunächst die Besitzverhältnisse auf dem Grundstück Nr. 76 laut Grundstücksverzeichnis der Katastralgemeinde M., Einlagezahl 71 besprochen und auf dem Lageplan, welcher der Berufung angeschlossen war, skizziert. Danach befinden sich auf dem Grundstück Nr. 76.5 das Wohnhaus des Berufungswerbers,

76.4 der Stadtturm, sowie die in der Vereinbarung mit den steirischen Kulturveranstaltungen vom 8.3.1991 angeführte Tenne. Laut angeführtem Grundstücksverzeichnis ist unter der Rubrik Nutzungsart für eine Fläche von 9.482 m "Garten" angeführt. Laut rechtskräftigem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde M. ist die gesamte Liegenschaft EZ 71 im "Bauland" gelegen und sowohl als Kerngebiet (Schreiben des Stadtamtes M. vom 15.10.1991 bzw. Aussage Dris. L. anläßlich der Verhandlung am 3.6.1993). Entlang der W.-gasse befindet sich zwischen der Grundgrenze des Berufungswerbers und dem Gehsteig ein Wiesenstreifen (im genannten Lageplan mit roter Farbe eingezeichnet) der auf der gesamten Länge zwischen ca. 20 cm beginnend und ca. 1 m in westlicher Richtung endend breit ist, und in das der Stadtgemeinde M. gehörende Grundstück 638/2 mündet. Dieser Wiesenstreifen wird laut Aussage des Berufungswerbers bzw. des Zeugen Dr. L. von Zeit zu Zeit von der Stadtgemeinde Mürzzuschlag gemäht.

Zu den vom Berufungswerber in seiner Berufung angeführten Argumenten, daß zu den Tatzeitpunkten die Verpflichtungen gemäß § 93 StVO vereinbarungsgemäß von den steirischen Kulturveranstaltungen übernommen worden wäre, wird festgehalten, daß sowohl der zwischen dem Berufungswerber und den steirischen Kulturveranstaltungen abgeschlossenen Vereinbarung vom 8.3.1991 diesbezüglich auch im Interpretationswege nichts zu entnehmen ist, und sich anläßlich der mündlichen Verhandlung am 3.6.1993 ergeben hat, daß eine Übernahme von derartigen Räumverpflichtungen auch nicht beabsichtigt gewesen ist (Zeugenaussage des Vertreters der Kulturabteilung des Amtes der Stmk. Landesregierung). Ebenso geht einem anläßlich dieser Verhandlung vorgelegtem Schreiben des Abteilungsvorstandes der Kulturabteilung hervor, daß vereinbarungsgemäß ausschließlich das in dem genannten Vertrag vereinbarte Geltung hat, und die Übernahme allfälliger Streuverpflichtungen wie auch anläßlich der ersten mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Kulturabteilung dokumentiert, nicht bezweckt gewesen ist.

Eine allfällige Deligierung der betreffenden Verpflichtungen gemäß § 93 StVO ist auch anläßlich der zweiten mündlichen Verhandlung am 9.9.1993 nicht hervorgekommen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß de

n angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 93 StVO haben die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften, dafür zu sorgen, daß die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert, sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind. Unbestrittenermaßen ist der Berufungswerber Eigentümer einer Liegenschaft die laut Grundstücksverzeichnis der KG M. mit der Einlagezahl 71 auf dem Grundstück mit der Nr. 76 und der Nutzungsart "Garten" sowie den Bauflächen .4 und .5 eingetragen ist.

Zum Begriff Liegenschaft ist auszuführen, daß sowohl bebaute als auch unbebaute Grundstücke als Liegenschaft anzusehen sind, wobei als maßgeblich die Widmung angesehen wird. Selbst wenn Bauland, wie im gegenständlichen Fall, landwirtschaftlich genützt wird, bildet dies keinen Befreiungstatbestand. (Benes-Messiner, StVO (1989), § 93, FN 2). Der Berufungswerber hätte somit eine dem Befreiungstatbestand des § 93 StVO entsprechende Umwidmung der gegenständlichen Liegenschaft nachweisen müssen, um in den Genuß der in § 93 leg. cit. angeführten Befreiung zu kommen. Die vom Berufungswerber vorgelegten Gutachten der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft bleiben somit, da sie auf die tatsächliche Nutzung des betreffenden Grundstückes abstellen, für die rechtliche Beurteilung aus den genannten Gründen ohne Belang. Auf die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde herangezogenen erläuternden Bemerkungen zur 10. StVO-Novelle im 6. Absatz der dritten Seite des angefochtenen Bescheides wird verwiesen. Da sich das Wohnhaus des Berufungswerbers auf der Liegenschaft EZ 71 Grundstücksnr. 76 der KG M. befindet, im übrigen eine Ausnahmesituation wie sie in den genannten erläuternden Bemerkungen beschrieben ist beim Berufungswerber nicht vorliegt, ist er im Sinne eines zu gewährleistenden Verkehrsbedürfnisses der Fußgänger dafür verantwortlich, der ihm durch § 93 StVO auferlegten Anrainerpflicht nachzukommen. Die Größe eines Grundstückes - im betreffenden Fall nahezu 10.000 Quadratmeter - und die damit verbundene aufwendigere Versorgung des Grundstückes bzw. schwierigere Gewährleistung der Anrainerverpflichtungen gemäß § 93 StVO können zu Lasten einer Aufrechterhaltung des Fußgängerverkehrs nicht vernachlässigt werden und stellen keine unzumutbare Härte für den Berufungswerber dar.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers ist die betreffende Liegenschaft überdies auch nicht als unverbaut anzusehen, da sich auf der Baufläche .5 der gegenständlichen Liegenschaft das Wohnhaus des Berufungswerbers mit dazugehörigen Bauwerken (Tenne) befindet. Auch aus diesem Grund kann die Ausnahmebestimmung des § 93 leg. cit. keine Anwendung finden. Ein vom Berufungswerber in diesem Zusammenhang beantragter Ortsaugenschein hätte keine andere Ansicht der Behörde ergeben, da es sich um eine in diesem Zusammenhang vertretene Rechtsansicht handelt. Ebensowenig hätte ein Ortsaugenschein hinsichtlich der vom Berufungswerber geäußerten gegenteiligen Ansichten betreffend Nutzung des Grundstückes aus den zuvor genannten Gründen, eine anderslautende Beurteilung ergeben. Zu dem oben beschriebenen entlang des Grundstückes 76 zwischen dem Gehsteig in der Waldgasse und der Grundgrenze verlaufenden Grünstreifen ist auszuführen, daß dieser wie ein Gehsteig oder Gehweg als für den öffentlichen Fußgängerverkehr bestimmte Fläche zu betrachten ist, die gemäß § 93 Abs 1 leg. cit. entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von 3 m Breite zu säubern und bei Schnee und Glatteis zu bestreuen ist. (Vgl. weitergehend Benes-Messiner, StVO (1989) § 93, E. 51). Daß die Stadtgemeinde Mürzzuschlag von Zeit zu Zeit einer Pflegeverpflichtung hinsichtlich dieses Wiesenstreifens nachgekommen ist, ändert nichts an dem Umstand, daß diese Verpflichtung wie auch jene hinsichtlich des Gehsteiges den Berufungswerber trifft.

Die Rechtfertigung des Berufungswerbers, daß für den Tatzeitpunkt eine Delegierung der Verpflichtung an die steirischen Kulturveranstaltungen erfolgt wäre, konnte im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht verifiziert werden, und ist auch dem erstinstanzlichen Verfahrensakt nicht entnehmbar. Der Argumentation des Berufungswerbers, daß derartiges dem letzten Absatz des Punktes 6) der genannten Vereinbarung zu entnehmen ist, kann sich die Berufungsbehörde nicht anschließen, da es sich in dieser Passage lediglich um die Schad- und Klaglosstellung für allenfalls eingetretene Schäden anläßlich der Landesausstellung 1991 in Mürzzuschlag handelt. Um einen Übergang der in § 93 leg. cit. genannten Verpflichtung bewirken zu können, hätte es demnach einer konkreten (schriftlich oder mündlichen) Vereinbarung bedurft. Daß eine derartige Verpflichtung nicht getroffen worden ist bzw. auch nicht beabsichtigt gewesen ist, hat sich aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ergeben. Die persönliche Einvernahme des Leiters der steirischen Kulturveranstaltungen erschien deshalb unnotwendig, da durch die schriftliche Ausstellung des Leiters der Stmk. Kulturveranstaltungen (Schreiben vom 2.6.1993, anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 3.6.1993 einvernehmlich verlesen und zum Akt genommen) als auch durch die sonstigen Ermittlungsergebnisse diese Frage hinreichend geklärt schien, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag keine Folge gegeben wurde. Auch dem Antrag auf Beischaffung eines Aktes des Gendarmeriepostens M. mit welcher die Stmk. Landesregierung eine Anzeige gemäß § 93 StVO erhalten habe, da sie der Räumverpflichtung hinsichtlich des gegenständlichen Gehsteiges nicht nachgekommen sei, war deshalb keine Folge zu geben, da allfällige Rückschlüsse aus diesem Akt keinen Einfluß auf die in concreto vorzunehmende Entscheidung gehabt hätte. Ebenso war der Antrag auf Vorlage des Bautagebuches für den Herbst 1990 durch Herrn Hofrat Dr. C. keine Folge zu geben, da allfällige Feststellungen daß bereits im Herbst 1990 und allfällig auch zur Tatzeit Bauarbeiten für die Objekte der Landesausstellung 1991 stattgefunden haben, nichts daran ändern, daß dem ausführlich durchgeführten Ermittlungsverfahren eine Übernahme der Verpflichtungen gemäß § 93 leg. cit. nicht entnehmbar gewesen ist.

Es war somit insgesamt davon auszugehen, daß der Berufungswerber seiner ihm durch § 93 StVO normierten Verpflichtung nicht nachgekommen ist, weshalb ihm dies zum Vorwurf zu machen war.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß im Sinn der Bestimmung des § 19 Abs 1 VStG insbesondere die Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient als Grundlage heranzuziehen.

Entsprechend dem Schutzzweck der im konkreten Fall verletzten Bestimmung des § 93 StVO ist im Sinne des Verkehrsbedürfnisses der Fußgänger sowie eines geordneten und sicheren Fußgängerverkehrs diesem Rechtsschutzgedanken der Vorrang gegenüber den vom Berufungswerber in dieser Hinsicht geführten Erschwerniseinwänden zu geben.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Danach war wie auch bereits von der belangten Behörde berücksichtigt, als erschwerend nichts als mildernd die bisherige Unbescholtenheit beim Berufungswerber zu berücksichtigen. Die Bemessung der Geldstrafe mit S 800,--, somit 80 v.H. der Höchststrafe nach § 99 Abs 4 lit h StVO 1960 von S 1.000,-- erscheint der Berufungsbehörde unter Bedachtnahme auf den Umstand der Unbescholtenheit zu hoch, obgleich es sich bei der Strafbemessung um eine Ermessensentscheidung handelt. Die vom Berufungswerber anläßlich der Verhandlung angegebenen persönlichen Verhältnisse - unbekanntes Einkommen laut eigenen Angaben, Liegenschaftsbesitz in M. in St. E. sowie in G. und in W. a. d. E. ebenfalls ohne nähere Angaben bezüglich deren Größe, Sorgepflichten für Gattin und einen studierenden Sohn - wurden soweit konkret angegeben bei dieser Entscheidung berücksichtigt. Unter weiterer Rücksichtnahme des Unrechtsgehaltes der Tat sowie Bedachtnahme von generalwie spezialpräventiver Wirkung der Strafe und die bereits genannten subjektiven Bemessungsgründe, erscheint das reduzierte Strafausmaß schuldangemessen.

Aus den oben angeführten Erwägungen war daher auf Grundlage der angeführten gesetzlichen Bestimmungen wie um Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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