TE UVS Niederösterreich 1993/09/20 Senat-ME-92-069

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Veröffentlicht am 20.09.1993
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Spruch

Die Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG, BGBl Nr 51/1991, hinsichtlich der Bestrafung zu Punkt 1) abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben am 27.6.1992 um ca 16,50 Uhr auf der A1, Westautobahn, Richtung Salzburg fahrend als Lenker des PKWs mit dem behördlichen Kennzeichen B-******8 (D) auf Höhe km **,* den VW-Bus mit dem behördlichen Kennzeichen B-******3 (D) (Lenker M***** A***) mit einer Abschleppstange abgeschleppt und die dabei höchstzulässige Geschwindigkeit von 40 km/h überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§98 Abs1 KFG 1967 iVm §58 Abs1 Z2 litc KDV 1967.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß §134 Abs1

KFG 1967 folgende Strafe verhängt:

S 1.000,-- (falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden)

Ferner haben Sie gemäß §64 Abs1 VStG 10 % der Kosten der verhängten Strafe, das sind S 100,--, als Beitrag für das Verfahren erster Instanz zu zahlen."

 

Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß §64 Abs2 VStG 20 % der zu Punkt 1) verhängten Geldstrafe, das sind S 200,--, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu bezahlen.

 

Der Berufung wird hinsichtlich der Bestrafung zu Punkt 2) gemäß §66 Abs4 AVG Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und gemäß §45 Abs1 Z2 VStG die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Aufgrund einer Aufforderung von privater Seite haben Beamte des LGK NÖ, Verkehrsabteilung, Außenstelle ****, auch in eigener dienstlicher Wahrnehmung auf der A1, Westautobahn, unmittelbar nach der Auffahrt **** (km **,**) den Lenker einer den Kennzeichen nach näher beschriebenen Fahrzeugkombination beim Abschleppen in Richtung Salzburg wahrgenommen und durch Nachfahrt in gleichbleibenden Abstand eine Geschwindigkeit von 110 km/h festgestellt. Die Fahrzeuge, die mit einer Abschleppstange verbunden waren, wurden in Höhe km **,** angehalten. Während der Lenkerkontrolle hat sich auch der Anzeiger am Anhaltungsort eingefunden und ergänzend mitgeteilt, daß ihm die zwei Fahrzeuge, die er nun aufgrund der B******* Kennzeichen und des Aussehens der Lenker wiedererkenne, bereits in Wien-Schwechat (Flughafen) wegen der besonders riskanten Fahrweise aufgefallen seien.

 

Die Lenker beider Fahrzeuge, des ziehenden und des gezogenen Fahrzeuges, wurden bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige gebracht und von dieser mit Strafverfügung bestraft.

 

Im Einspruch dagegen hat der Beschuldigte des gegenständlichen Verfahrens, der Lenker des ziehenden Fahrzeuges, vorgebracht, nur mit ca 20 km/h und erst seit zehn Minuten unterwegs gewesen zu sein.

 

 

Der Privatanzeiger hat, daraufhin von der Behörde erster Instanz als Zeuge einvernommen, seine der Gendarmerie gegenüber gemachten Angaben wiederholt. Er sei als Fußgänger auf den Flughafengelände in Wien-Schwechat beim Überqueren der Fahrbahn bereits vom rasant ziehenden Fahrzeug beinahe angefahren worden und habe die beiden Fahrzeuge und auch ihre Lenker später, auf der A1, Westautobahn, wiedererkannt. Die Abschleppgeschwindigkeit sei nun derart überhöht gewesen, daß das auspendelnde gezogene Fahrzeug teilweise die benachbarten Fahrstreifen (den Pannenstreifen und die zweite Spur) befahren habe. Weil er das für gefährlich gehalten habe, habe er sich entschlossen, über einen zufällig sich im Einsatz befindlichen Pannenfahrer des ÖAMTC das Einschreiten der Gendarmerie anzufordern.

 

 

Dem Beschuldigten wurde Parteiengehör gewährt.

Er hat dann in einer Stellungnahme ausgeführt, daß bei den von ihm später abgeschleppten Fahrzeug während der Fahrt Richtung Salzburg an einer jetzt nicht mehr feststellbaren Örtlichkeit ein Defekt aufgetreten sei. Der ADAC habe für die Abschleppung einen derart hohen Geldbetrag gefordert, das der Lenker des liegengebliebenen Fahrzeuges ihn nicht habe zahlen können. So habe er die Abschleppung übernommen, in der Absicht, bei der nächsten Abfahrt mit dem gezogenen Fahrzeug die Autobahn zu verlassen. Dazu sei es bloß nicht mehr gekommen, weil vorher schon die Exekutive eingeschritten sei. Beim Abschleppvorgang habe er eine Geschwindigkeit von höchstens 20 bis 30 km/h eingehalten. Die Anzeige sei wohl ein Racheakt des Autofahrer-Clubs. Zeugen für die Richtigkeit seines Vorbringens seien die Insassen des gezogenen Fahrzeuges. Es werde deren Einvernahme und danach die Einstellung des Verfahrens verlangt. Die Behörde erster Instanz hat den Beschuldigten, gestützt sowohl auf die Zeugenaussage des Aufforderers, als auch auf die eigene dienstliche Wahrnehmung der Gendarmeriebeamten mit Straferkenntnis vom 23.11.1992 bestraft.

Der Spruch lautet:

"Zeit: 27. Juni 1992, 16,50 Uhr

Ort: A1 - Westautobahn, Gemeindegebiet ****, Strkm **,*,

     Fahrtrichtung Salzburg

Fahrzeug: PKW B-*****8 (D)

Tatbeschreibung:

1) Beim Abschleppen eines Kraftfahrzeuges die höchste zulässige Geschwindigkeit von 30 km/h überschritten.

2) Mit Ihrem PKW den VW-Bus B-*****3 (D) des A*** M***** abgeschleppt, obwohl dies auf Autobahnen verboten ist. Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte Strafen und entstandene Verfahrenskosten:

1) Übertretung gemäß §134 Abs1 KFG 1967, §58 Abs1 Z2 litc KDV 1967 Geldstrafe gemäß §134 Abs1 KFG S 1.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden

2) Übertretung gemäß §99 Abs3 lita, §46 Abs1 StVO 1960 Geldstrafe gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 S 1.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden

 

vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß §64 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes S 200,--"

 

Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung. In dieser rügt der Beschuldigte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige rechtliche Beurteilung und unrichtige Strafzumessung. Die beantragten Zeugen, die Insassen des gezogenen Fahrzeuges, seien nicht gehört worden. Auf Autobahnen sei beim Abschleppen nicht 30 km/h, wie im Straferkenntnis ausgesprochen, sondern 40 km/h zulässig und es dürfe, entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz, auf Autobahnen abgeschleppt werden, wenn auch nur bis zur nächsten Abfahrt. Bei der Strafzumessung hätte die Behörde berücksichtigen müssen, daß die Tat aus achtenswerten Beweggründen begangen worden sei und daraus niemandem ein Schaden erwachsen sei. Der angefochtene Bescheid sei daher ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Die Behörde erster Instanz hat den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Dieser hat für den 12.5.1993 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, den Anzeiger, den Meldungsleger, den Beschuldigten zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters sowie einen Vertreter der Behörde erster Instanz geladen.

 

Der Anzeiger hat seine bereits vor der Behörde erster Instanz gemachten Angaben detailliert wiederholt.

Der Meldungsleger, ein Beamter der Autobahngendarmerie, hat angegeben, daß über Funk eine Abschleppung mit angeblich überhöhter Geschwindigkeit zu überprüfen angeordnet worden sei. Unmittelbar nach der Auffahrt **** (Fahrtrichtung Salzburg) habe er die avisierten Fahrzeuge wahrgenommen und durch Nachfahrt in gleichbleibendem Abstand die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt. Die Anhaltung sei dann unter Verwendung des Blaulichtes erfolgt. Eine bloß geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung wäre von ihm gar nicht angezeigt worden. Zu der von der Fahrzeugkombination zurückgelegten Strecke, konkret zur Anzahl der Abfahrten, die inzwischen hätten benützt werden können, um die Autobahn, wie vom Gesetz gefordert, frühestmöglich zu verlassen, könne er aus eigener Wahrnehmung nichts angeben.

Der Vertreter des Beschuldigten hat sein Berufungsvorbringen wiederholt, vor allem aber neuerlich die zeugenschaftliche Einvernahme der beiden Wageninsassen beantragt. Er hat, wie im Protokoll festgehalten ist, zugesichert, der Berufungsbehörde unverzüglich bekanntzugeben, ob die Zeugen, in Berlin wohnhafte Türken, der deutschen Sprache mächtig sind, bzw ob die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich ist, wie weit sie zur Wahrheitsfindung beitragen können, dh ob sie über solche Ortskenntnisse bzw Erinnerung verfügen, das sie über die Örtlichkeit, wo die Panne aufgetreten sei, Angaben machen können, um die Frage zu klären, ob überhaupt an Abfahrten vorbei- und wenn ja, an wievielen vorbeigeschleppt worden sei und ob ihnen Angaben zu der beim Abschleppen eingehaltenen Geschwindigkeit möglich seien. Der Vertreter der Behörde erster Instanz hat die Bestätigung des Bescheides begehrt.

 

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

 

Der Vertreter des Beschuldigten hat mit Schriftsatz, eingelangt am 1.9.1993, nach mehr als dreieinhalb Monaten in unzureichender Einhaltung seiner Zusage an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, über die beantragten Zeugen mitgeteilt:

M***** A*** und C**** A***, beide in: D-**** B***** **, G*****straße **" und dazu 1 ihre Einvernahme sowie die des Beschuldigten im Rechtshilfeweg und 2 die Einstellung des Verfahrens begehrt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat für den 20.9.1993 die Fortsetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung anberaumt, dazu den Beschuldigten zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters und einen Vertreter der Behörde erster Instanz geladen, von der Ladung der Zeugen jedoch Abstand genommen. Das bis zuletzt nicht näher begründete Begehren auf Einvernahme der Zeugen, sowie die unzureichende Bekanntgabe der Zustelladresse - in ganz B***** gibt es keine G*****straße und darüberhinaus gelten seit 1.7.1993 die neuen fünfstelligen Postleitzahlen, für B***** allein schon 635 verschiedene! - stellt den Antrag auf Aufnahme eines (unzulässigen) Erkundungsbeweises dar. Unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des §51g VStG wurde auch ihre Einvernahme sowie die des Beschuldigten im Rechtshilfeweg nicht in Erwägung gezogen. (Den Zeugen wäre die Fahrt zum Verhandlungsort - ein Termin war für den Zeitraum eines eventuellen Österreichaufenthaltes angeboten, es wären mit den Zeugengebühren aber sogar die Kosten für die Reise von B***** nach ****, die Verpflegung und Nächtigung abgegolten worden - zumutbar gewesen, bei einer Einvernahme im Rechtshilfeweg wären darüberhinaus Rechte der Partei Behörde erster Instanz (§51g VStG) geschmälert worden.)

 

In der fortgesetzten Verhandlung hat der Berufungswerber den Antrag, den Bescheid zu beheben und das Verfahren aufrecht zu erhalten, der Vertreter der Behörde, die Bestätigung des Straferkenntnisses begehrt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Hinsichtlich der Bestrafung nach Punkt 1) wegen der Überschreitung der beim Abschleppen höchstzulässigen Geschwindigkeit:

die Verwaltungsübertretung steht aufgrund der Zeugenaussage einer Privatperson unter Anzeige eines Gendarmeriebeamten in eigener dienstlicher Wahrnehmung mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Sicherheit fest. Der Berufungswerber rügt zwar zutreffend, daß die Behörde erster Instanz die erlaubte Höchstgeschwindigkeit unrichtigerweise mit 30 km/h statt richtig mit 40 km/h angenommen hat, eine Berichtigung dieses Fehlers ist jedoch gemäß §62 Abs4 AVG - seine Anwendung ist gemäß §24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren nicht ausgenommen - möglich, weil bereits in der Anzeige vom 27.6.1992 die Verwaltungsübertretung richtig bezeichnet wurde und weil das fortgesetzte Delikt Geschwindigkeitsüberschreitung auf der A1, Westautobahn Richtung Salzburg, Gegenstand der Einvernahme des Aufforderers als Zeugen am 28.9.1992, also innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist war.

 

Der Berufung gegen die Bestrafung nach Punkt 2) wegen "Abschleppen auf der Autobahn" war Folge zu geben, weil das Tatbestandselement "ohne das Fahrzeug unverzüglich über die nächste Abfahrtsstraße zu entfernen" fehlt, für ein strafbares Verhalten weder die unmittelbare Wahrnehmung des Aufforderers noch die des Gendarmeriebeamten vorliegt, die Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde darauf auch keinen Bezug nimmt, weil statt richtigerweise §46 Abs3 dritter Satz die Übertretung des §46 Abs1 StVO angelastet wurde, weil der Tatort (bzw die Tatorte) mit km **,* falsch bezeichnet wurde - richtigerweise hätte jene Strecke angegeben werden müssen, auf der die Abfahrtsmöglichkeit(en) nicht wahrgenommen wurden. Darüberhinaus war der Tatbestand nach §46 Abs3 dritter Satz  StVO auch nicht Gegenstand der Zeugenaussage des Aufforderers.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Hinsichtlich der Strafhöhe wurde erwogen:

Angesichts der Strafobergrenze von S 30.000,-- erscheint das verhängte Strafausmaß bei Bedachtnahme auf das Einkommen von DM 2.384,18 monatlich netto, die Sorgepflicht für die Gattin und vier Kinder (im Alter von 8, 11, 13 und 14 Jahren) schuldangemessen. "Achtenswerte Motive waren keine erkennbar, der Eintritt des Schadens ist für die Strafbarkeit nicht gefordert, eine Herabsetzung der Geldstrafe wurde deshalb nicht in Erwägung gezogen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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